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Ostermär-
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vom:
16.04.2001
Update: 06.06.2001


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Rede auf dem Ostermarsch am 16. April 2001 in Stuttgart

Rainer Bliesener (DGB-Landesvorsitzender BaWü)

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,
liebe Kolleginnen und Kollegen,


Frieden schaffen ohne Waffen, diese Losung hat heute noch genauso Gültigkeit, wie zu Zeiten des Kalten Krieges.

Frieden schaffen ohne Waffen ist für die meisten Politiker in den Industriestaaten jedoch eine scheinbar unerreichbare Illusion.

Abschreckung und Kampfeinsätze, möglichst ohne die eigenen Soldaten zu gefährden, sind die Ziele der derzeitigen Politik.

Eine solche Politik hat den Beinamen "Friedenspolitik" nicht verdient, liebe Friedensfreundinnen und - freunde!

Wer überall auf der Welt Frieden will, der muss dafür sorgen, dass die Menschen ohne Hunger, in einer lebenswerten Wohnung und Umgebung, mit Arbeit und eigenem Einkommen leben können.

Soziale Konflikte und Unterschiede, Ungerechtigkeiten, ethnische Konflikte und Nationalismus sind in den meisten Fällen die Ursachen dafür, dass Nationalisten, wie Milosevic oder ein Despot wie Saddam Hussein, an die Macht kommen und Kriege anzetteln können.

Mit immer besseren Waffen abzuschrecken, ist der falsche Weg.

Richtig wäre, endlich an den Ursachen anzusetzen.

Je mehr die Menschen eine Perspektive sehen für ein besseres Leben in friedlicher Koexistenz, desto weniger werden sie hinter einem vermeintlichen Führer herlaufen, der ihnen verspricht, eine bessere Zukunft mit militärischen Mitteln zu erkämpfen.

Wo stehen wir 10 Jahre nach dem Golfkrieg?

Wo stehen wir 2 Jahre nach dem Krieg um den Kosovo?

Welche Alternativen wurden entwickelt, um zukünftig mit friedlichen Mitteln Gewaltherrscher in ihre Schranken zu weisen?

Es gehört zu einer verantwortungsvollen internationalen Politik, solche Alternativen zu entwickeln und statt militärischer Macht vorrangig friedliche Mittel einzusetzen.

Es ist Aufgabe der Friedensbewegung, von den Politikern national und international eine solche Politik einzufordern.

Deshalb stehen wir heute am Ostermontag 2001 hier in Stuttgart auf der Straße.

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Gerade eine Friedenspolitik braucht engagierte Menschen, sie kommt nicht von alleine, auch sie muss erkämpft und durchgesetzt werden.

Erkämpfen und durchsetzen heißt für uns, mit friedlichen und demokratischen Mitteln ohne jegliche Gewalt eine Friedenspolitik einzufordern, die diesen Namen verdient.

Mahatma Gandhi hat gezeigt, wie mit friedlichen Mitteln ohne jegliche Gewaltanwendung eine Besatzungsmacht und eine von ihr abhängige Regierung klein beigeben und zuletzt kapitulieren musste.

Es ist eben keine Utopie, Frieden zu schaffen ohne Waffen, man muss es nur wollen.

Wenn wir uns die langfristige Entwicklung des Verteidigungshaushaltes gegenüber der Entwicklungshilfe der USA und der europäischen Staaten anschauen, so wird deutlich, wo die Schwerpunkte der Politik liegen.

Sie liegen eben nicht im Kampf gegen den Hunger in vielen Teilen dieser Erde, nicht im Aufbau von Infrastruktur für eine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung in den Entwicklungsländern.

Wir initiieren und unterstützen aus Deutschland viel zu wenig Entwicklungen, die soziale Mindeststandards überall auf der Welt schaffen und somit den Einfluss radikaler Kräfte reduzieren.

Der "Operation Wüstensturm" genannte Golfkrieg war militärisch als Blitzkrieg sicher ein Erfolg, politisch und humanitär war er ein Desaster. Am meisten leidet heute noch die Zivilbevölkerung unter den Folgen - wie in jedem Krieg!

Der Kosovo-Krieg hat zwar letztlich zum Sturz Slobodan Milosevics beigetragen - obwohl auch das vorsichtig zu beurteilen ist, da ihn das eigene Volk und nicht die NATO gestürzt hat.

Viele Flüchtlinge konnten nach dem Krieg wieder in ihre Heimat zurückkehren. Aber der Krieg hat auch zu neuen Vertreibungen und ethnischen Spannungen geführt.

Der Hass zwischen den verfeindeten Bevölkerungsgruppen ist geblieben, wenn nicht sogar verfestigt worden.

Der Hass sitzt so tief, dass die unterschiedlichen ethnischen Bevölkerungsgruppen nur mit einer großen Militärstreitmacht voneinander ferngehalten werden können.

Die Region ist von Frieden weit entfernt, ja, es muss mit neuen kriegerischen Auseinandersetzungen gerechnet werden.

Die UCK wurde nicht entwaffnet, die Probleme der gemäßigten Albaner nicht oder zu spät angegangen.

Heute droht nach dem großserbischen Nationalismus der großalbanische die ganze Region zu destabilisieren.

Stehen wir 2 Jahre nach dem letzten Krieg schon vor dem nächsten?

Ist die Bundeswehr dann auch mit Bodentruppen dabei?

Ich sage: NEIN! Das darf nicht sein!

Die beiden Friedensforscher Dieter S. Lutz und Reinhard Mutz haben kürzlich in einem Brief an die Bundestagsabgeordneten geschrieben:

"Der Luftkrieg der NATO hat mehr Probleme geschaffen, mehr Fragen aufgeworfen als gelöst. Mit Sorge stellen wir fest, dass gleichwohl die vielfach von offizieller Seite vor und während des Krieges versprochene breite und intensive Diskussion der Konsequenzen und Lehren aus dem militärischen Eingreifen der NATO bis heute nicht stattgefunden hat. Es ist höchste Zeit, sie nachzuholen."

Dem kann ich mich nur anschließen.

Inzwischen gibt es viele Fragen, die beantwortet werden müssen.

Der Krieg hat die kriegsführenden Parteien 40 Milliarden DM gekostet, die Kosten für den Wiederaufbau nicht eingerechnet.

Die Zerstörungen sind gewaltig.

Sie betragen nach US-Schätzungen 100 Milliarden DM.

Wo ist jetzt der Marshall-Plan für gezielte Aufbauhilfe und soziale Stabilität für die Region?

Wo der Stabilitätspakt für den Balkan, um den Nationalisten in allen Lagern das Wasser abzugraben?

Es ist doch ein Skandal, dass die Gelder für den Krieg so schnell zusammen kamen, die Gelder für den Frieden aber nur schleppend fließen!

Wann findet endlich eine Friedenskonferenz statt, die Regelungen für ein friedliches Zusammenleben und die Koexistenz der unterschiedlichen ethnischen Gruppen festlegt.

Wer Frieden auf dem Balkan will, muss mehr tun, als zu versuchen, mit OSZE-Soldaten den nächsten Krieg zu verhindern.

Wir verlangen von der Bundesregierung verstärkte Initiativen zur Schaffung eines dauerhaften Friedens auf dem Balkan.

Es müssen endlich die richtigen Konsequenzen aus dem Kosovokrieg gezogen werden.

Der Europarat hat die dramatischen ökologischen Verwüstungen des Kosovo-Krieges als Verletzung der Genfer Konvention von 1949 verurteilt.

Jetzt hat sich herausgestellt, dass sowohl im Golfkrieg wie im Kosovo-Krieg uranhaltige Munition verschossen wurde.

In einer von der parlamentarischen Versammlung des Europarates verabschiedeten Entschließung heißt es, diese Munition habe "lang anhaltende Auswirkungen auf die Gesundheit und Lebensqualität in Südosteuropa und beeinträchtigt künftige Generationen".

Der Europarat fordert deshalb in der Entschließung ein totales Verbot von uran- und plutoniumhaltiger Munition.

Dem kann ich mich nur anschließen, liebe Friedensfreundinnen und -freunde!

Dass Außenminister Fischer allein schon mit seiner Forderung nach einem Moratorium für den Einsatz dieser Munition bei den NATO-Partnern nicht durchdrang, wirft ein grelles Licht auf den moralischen Zustand des Bündnisses und auf die Machtverhältnisse in der NATO.

Auch die zaghafte Forderung Fischers, die NATO solle auf die Drohung mit dem Ersteinsatz von Atomwaffen verzichten, wurde abgeschmettert - obwohl der Internationale Gerichtshof in Den Haag schon am 8. Juli 1996 diese Drohung als völkerrechtswidrig verurteilt hat.

Der Kosovo-Krieg ist auch der Präzedenzfall für die neue NATO-Strategie.

Ein Eingreifen von NATO-Truppen soll nicht durch die Forderung nach einem UN-Mandat behindert werden.

Dieser Kurs muss auf unseren entschiedenen Widerstand stoßen.

Wenn schon ein Eingreifen mit militärischen Mitteln als letztes Mittel unausweichlich ist, dann kann das nur über ein Mandat durch den UN-Sicherheitsrat erfolgen!

Die NATO darf sich nicht zum selbsternannten Weltpolizisten aufschwingen.

Wir brauchen kein NATO-Faustrecht, schon gar nicht zur Durchsetzung wirtschaftlicher und hegemonialer Interessen der USA, sondern eine Stärkung der UNO und der OSZE sowie des internationalen Rechts!

Wir brauchen eine international koordinierte Friedenspolitik, bei der der Einsatz militärischer Mittel die absolute Ausnahme ist.

An die Stelle des Rechts des Stärkeren muss die Stärke des Rechts der internationalen Völkergemeinschaft treten!

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,

wir protestieren dagegen, dass der Auftrag und das Einsatzgebiet der Bundeswehr Schritt für Schritt ausgeweitet wird.

Wir protestieren dagegen, dass aus der Bundeswehr, deren Auftrag die Landesverteidigung ist, nun eine Interventionsstreitmacht mit weltweitem Aktionsradius wird.

Statt aber weiter abzurüsten, definiert die Bundesregierung für die Bundeswehr neue militärische Aufgaben.

Sie soll kleiner, dabei moderner und schlagfertiger werden.

Deshalb werden Standorte geschlossen.

So sollen Mittel für den Umbau der Bundeswehr freigemacht werden, um das damit verbundene gigantische Beschaffungsprogramm zu finanzieren.

Wir begrüßen die Verkleinerung der Bundeswehr. Das eingesparte Geld soll jedoch, statt in neue und noch tödlichere Waffen, in einen Marshallplan zum Aufbau des Balkans gesteckt werden.

Das verstehen wir unter aktiver Friedenspolitik, liebe Freundinnen und Freunde!

Verteidigungsminister Scharping hat in den letzten Wochen viel Wind gemacht, um seinen Haushalt noch weiter aufzublähen.

Ich sage dagegen: Wir brauchen diese Gelder für Rentnerinnen und Rentner, für Familien und Kinder, für Arbeitslose, für den Abbau der Staatsverschuldung, für den Kampf gegen Armut und Hunger und für internationale Solidarität und Entwicklung.

Wir als DGB haben aber auch eine Verantwortung gegenüber denjenigen, die durch die Schließung von Arbeitslosigkeit bedroht sind.

Die Schließung von Standorten muss sozialverträglich vonstatten gehen und mit einer Politik der Konversion, also der Schaffung von alternativen Arbeitsplätzen am Standort verbunden sein.

Schließlich geht es dabei um bundesweit über 40.000 Arbeitsplätze, viele davon im zivilen Bereich.

Ich sage nochmals: Wir sind für die Verkleinerung der Bundeswehr - und zwar über das bisherige Ziel hinaus.

Ich hätte auch schon für Herrn Scharping einen Vorschlag für die nächsten Standortschließungen:

Machen Sie die Kaserne in Calw dicht, in denen das Kommando Spezialkräfte trainiert wird und schließen Sie die Standorte, an denen die Einsatzkräfte für die geplante Interventionsstreitmacht von 150.000 Soldaten stationiert werden.

Wir müssen aus der militärischen Logik ausbrechen und dafür unser ganzes politisches Gewicht in die Waagschale werfen.

Dies gilt ebenso für das von Präsident Bush geplante Raketenabwehrsystem NMD im Weltall.

Gernot Erler, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag, bezeichnete kürzlich in der ZEIT das ganze Gerede von der potenziellen Unverwundbarkeit als "riesengroßen Quatsch" und warnte vor den politischen Risiken und Nebenwirkungen. Die Europäer müssten aus den bisherigen Erfahrungen im Umgang mit den von den USA sogenannten "Schurkenstaaten" andere, zivile, Konsequenzen ziehen.

Selbst der CDU-Abgeordnete Lamers fragte sich, ob ein Raketenabwehrsystem denn die militärisch geeignete Antwort wäre auf die Bedrohung durch Terroristen, die atomare Sprengköpfe oder Giftgas in einer Aktentasche bei sich tragen. Seit Achilles mit seiner sprichwörtlichen Ferse, so Lamers, sei bekannt, dass Unverwundbarkeit eine Illusion ist.

Das Raketenabwehrsystem verschlingt immense Kosten.

Das Geld dafür ist zum Fenster hinausgeschmissen - von den Profiten der Rüstungsindustrie einmal abgesehen. Immerhin geht es um eine Investition von geschätzten 60 Milliarden Dollar.

Das Projekt ist außerdem sicherheitspolitisch unsinnig und eine Gefahr für die Rüstungskontrolle.

Deshalb sage ich ganz deutlich: Wir lehnen dieses Raketenabwehrsystem ab!

Und wir verlangen dies auch von der Bundesregierung.

Es ist Unsinn, zu glauben, wenn wir es schon nicht verhindern können, dann könnten wir durch Mitmachen die Interessen der USA beeinflussen oder gar technologisch und wirtschaftlich davon profitieren.

Wir brauchen keine teure Umwegfinanzierung über die Militärtechnologie. Die Gelder sind bei zivilen Entwicklungen besser aufgehoben!

Im übrigen gilt: Teilhabe an rüstungspolitischem Unsinn ist am Ende auch Mitverantwortung für diesen Unsinn!

Es ist Aufgabe der Friedensbewegung, ihre Stimme laut zu erheben, wenn andere zu leise sind.

Leider scheint - nach dem Golfkrieg und nach Jugoslawien - die alte Logik wieder an Boden zu gewinnen:,,Wenn du den Frieden willst, musst du den Krieg vorbereiten". Diese Logik müssen wir endlich durchbrechen!

Der Krieg ist für uns nicht die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, sondern die Kapitulation der Politik. Verhelfen wir der Politik wieder zu ihrem Recht!

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,

im DGB-Grundsatzprogramm heißt es: "Soziale, ökonomische und ökologische Konflikte müssen auf zivilem Wege ohne militärische Gewalt gelöst werden." Dem ist nichts hinzuzufügen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!



E-Mail:   info@dgb-bw.de
Internet: http://www.dgb-bw.de
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