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Ostermär-
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vom:
16.04.2001
Update: 06.06.2001


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Rede der israelischen Rechtsanwältin und Trägerin des Alternativen Nobelpreises auf dem Ostermarsch 2001 in Stuttgart

Solidarität ist die schönste Blume der Menschheit!

Felicia Langer

Liebe Freunde!

Die USA und die Welt haben jetzt den Präsidenten George Bush, den das Schicksal unseres Planeten "nichts angeht", weil das Entscheidende für ihn die "American economy" ist. Wir, die Israelis in Nahost, haben Scharon, einen berüchtigten Kriegstreiber, mit einer düsteren Vergangenheit. Unsere Friedensbewegten haben die Regierung als "für die Zukunft des Landes gefährliche Regierung" bezeichnet, "in welcher ungeschminkte Rassisten Seite an Seite mit schamlosen Opportunisten und prinzipienlosen Abenteurern Ministersessel innehaben".

Wir haben auch einen Außenminister Schimon Peres als Feigenblatt; er macht schon jetzt P.R.-Arbeit für die aggressive Politik Scharons. Eine Schande für den Friedensnobelpreis! In den von Israel besetzten Gebieten tobt seit 6 Monaten ein Volksaufstand, eine neue Intifada gegen die israelische Besatzung und Annexion, die seit 34 Jahren andauern. So ein Aufstand gegen Fremdherrschaft und Unterdrückung ist vor dem Völkerrecht gerechtfertigt.

Der Funke für den Aufstand war der provokative Besuch Scharons auf dem Tempelberg am 28. September 2000, aber nur der Funke. Das Pulverfaß war voll geladen mit allgemeinem Frust und Enttäuschung der Palästinenser, die 9 Jahre vergeblich auf die Früchte des Friedens gewartet haben. Permanente und massive, völkerrechtswidrige israelische Besiedlung der Gebiete, Landenteignung, Wasserknappheit, wobei Israel 83% des Wassers in den besetzten Gebieten kontrolliert und davon 80% für sich nimmt, Erniedrigung und Schikanen an Strassensperren, zerstückelte, Bantustan-ähnliche Gebiete, die die Palästinenser zurückbekommen haben, Häuserzerstörungen, totale ökonomische Abhängigkeit, Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Diese Apartheid-ähnliche Situation hat die Explosion verursacht.

Der Friedensprozeß hat seinen Namen nicht verdient, er hat vielmehr Israel gedient als Deckmantel für die Schaffung vollendeter Tatsachen wie Landraub und Siedlungsbau, als ständige Provokation für die Palästinenser! Anstatt die klare Botschaft der Intifada wahrzunehmen und die besetzten Gebiete zu räumen, völkerrechts- und UNO-Resolutionen-entsprechend, hat Israel mit aller Macht und mit exzessiver Gewalt reagiert, hat Hunderte Palästinenser, darunter Hunderte Kinder, vorsätzlich getötet und viele Tausende verletzt, Städte und Ortschaften mit ihrer zivilen Bevölkerung mit Raketen beschossen und tut das alles auch weiterhin.

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Der UNO-Sicherheitsrat und die Generalversammlung ebenso wie die UNO-Menschenrechtskommission haben die exzessive Gewaltanwendung Israels gegen die Palästinenser verurteilt. Der UNO-Sicherheitsrat hat Israel aufgefordert, als Besatzungsmacht allen Zivilisten Schutz zu bieten, der Genfer Konvention entsprechend.

Ich möchte betonen, dass jede Gleichsetzung der beiden Seiten total fehl am Platze ist. Israel ist die stärkste Militärmacht der Region und die andere Seite, die seit 34 Jahren unter Besatzung lebt, ist mit Steinen und einigen Hundert Gewehren ausgerüstet. Die schrecklichen Zahlen sprechen für sich: mehr als 400 getötete Palästinenser, 65 tote Israelis. Jeder Tote ist ein Toter zuviel und ich verurteile aufs Schärfste die Terroranschläge in Israel. Aber ein Ritual von Verurteilungen wird garnichts ändern, weil Israel mit seiner Politik den Boden für Gewalt bereitet hat und dies jetzt noch heftiger tut. Die palästinensischen Gebiete werden belagert, voneinander isoliert und ghettoisiert. Verwundete, Kranke und schwangere Frauen in den belagerten Dörfern haben keine Möglichkeit, in Krankenhäuser zu gelangen. Menschen sind bereits an Straßensperren gestorben, als Soldaten ihnen die Passage verweigerten. Killer-kommandos richten Palästinenser, die sie als Terroristen bezeichnen, regelrecht hin, manchmal durch Hubschrauberangriffe. Die Israelis machen sich zu Richtern und Vollstreckern in einer Person. Einer der Hingerichteten, Dr. Thabet el-Thabet aus Tulkarem, war ein bekannter Friedensaktivist, der mit unseren Friedenskräften kooperiert hat. Er wurde am 31. Dezember 2000 exekutiert.

Israel.bombardiert als Vergeltung für Anschläge oder Schüsse gegen die Siedlungen in den besetzten Gebieten Wohngebiete der Palästinenser, wobei Menschen sterben, zerstört Häuser und Fabriken, entwurzelt Tausende von Obst- und Olivenbäumen, zerstört die Infrastruktur, die mühsam entstanden ist. Es herrschen Armut und Elend wie nie zuvor. Unsere Friedensgruppen, nur die konsequenten unter ihnen, Wehrdienstverweigerer, Frauenorganisationen setzen sich gegen diese verbrecherische Politik ein. Sie sind unsere Hoffnung auf Frieden, sie sind das andere Gesicht Israels.

Die israelische Politik, die ich geschildert habe, könnte nicht ausgübt werden ohne die kolossale militärische und politische Unterstützung der USA, die immer bereit sind, ihr Veto in der UNO einzulegen, wenn Israel es verlangt. Deshalb ist Israel imstande, die UNO-Resolutionen mit Arroganz zu ignorieren. Deshalb ist die europäische Einmischung so wichtig und Solidarität mit den Palästinensern und mit denjenigen bei uns, die sich für Frieden mit Gerechtigkeit einsetzen. Solidarität muß fordern: ein Ende der Besatzung und der Apartheid, Selbstbestimmung für das palästinensische Volk, einen lebensfähigen palästinensischen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt, Anerkennung des Rechts der Flüchtlinge auf Rückkehr, dem Völkerrecht entsprechend. Dies ist keine antisemitische Solidarität, dies ist eine Solidarität für Frieden Antiisraelisch ist die Politik der Regierung, die zu einer Spirale der Gewalt führt, bei der auch unsere Mütter und Väter ihre Söhne begraben.

Auch von Deutschland ist Einmischung erbeten, weil die Menschenrechte und das Völkerrecht universal sind und auch für Israel Geltung haben. Schweigen angesichts von Unrecht, wenn man den Opfern helfen könnte, hat einen Beigeschmack von Mittäterschaft. Kritische Freundschaft mit Israel ist gefragt, andernfalls ist sie Betrug. Man muß Rechtsradikalismus, Rassismus, Antisemitismus bekämpfen, aber angesichts von Israels Taten darf man nicht schweigen. Unsere Friedensbewegten wünschen sich diese Einmischung! Sie wird ein Segen für sie sein! Ich appelliere an Euch um Solidarität im Sinne der besten Traditionen der Friedensbewegung, die gegen Vietnamkrieg und Appartheid ihre Macht gezeigt hat.

Solidarität ist die schönste Blume der Menschheit! Und Frieden ist das grundlegende Menschenrecht!


Internet: http://www.visionn2000.de/langer/langer.htm
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