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Erstellt:
21.04.1999


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zu: Stop! - Zeitung gegen den Krieg - Inhalt

Slowenien, Kroatien, Bosnien, Kosovo

Es gibt eine deutsche Verantwortung

Clemens Ronnefeldt

Horst Grabert, von 1972-74 Chef des Bundeskanzleramtes, von 1979-84 deutscher Botschafter in Belgrad, ging 1996 der Frage nach, "warum von Deutschland die Auflösung der SFRJ (Sozialistische Förderative Republik Jugoslawien) durch die Anerkennung der Sezessionsstaaten" betrieben wurde und warum Bundeskanzler Helmut Kohl am 1. 7. 1991 die bis dato gemeinsame Haltung der EG und der USA, am Gesamterhalt Jugoslawiens festzuhalten, auflöste. Grabert zitiert den Kanzler nach einem Bericht in "The Guardian" vom 2. 7. 1991: "Wer, wie die Deutschen, auf der Basis der Selbstbestimmung seine nationale Einheit erreicht hat, kann Slowenien und Kroatien das Selbstbestimmungsrecht nicht verweigern. Deutschland soll die EG zur Anerkennung der beiden Republiken veranlassen."

Grabert weiter: "Die politische Energie für diesen Meinungsumschwung kam nun nicht aus der Sorge, den Konflikt zu vermeiden, ganz im Gegenteil. Alte Ressentiments aus den Kreisen des alten Ustascha-Untergrundes, die seit Jahren gute Beziehungen zu rechten Gruppen einiger demokratischer Parteien unterhielten, meldeten sich zu Wort und wollten den 1945 verlorenen Kampf in neuer Form wieder aufleben lassen ... Aus der Sezession Sloweniens und Kroatiens wurde die Auflösung der Föderation gemacht. Widerstand gegen diese Politik wurde zur Aggression erklärt, was publizistisch leicht zu vermitteln war ... Damit war dann auch der Aggressor gefunden ...

Nachdem am 9./10. 12. 91 die Verhandlungen des Europäischen Rates zum EU-Vertrag in Maastricht abgeschlossen waren, ... wollte Deutschland seine angeblich auf die Menschenrechte orientierte Führungsqualität demonstrieren. So wurde dem Rat der Außenminister am 16. 12. 91 schlicht mitgeteilt, daß Deutschland die Republiken Slowenien und Kroatien noch vor Weihnachten anerkennen würde ... Selbst der Versuch einer gesichtswahrenden Kommission wurde von Deutschland zerschlagen, denn Deutschland erkannte an, ohne den Bericht der (von der EU eingesetzten),Banditer-Kommission` abzuwarten ... Am 18. 5. 92 hatte Deutschland einen neuen Außenminister, der kurz nach seiner Amtsübernahme,Serbien in die Knie zwingen` wollte, ansonsten aber hauptsächlich mit der Schadensbegrenzung beschäftigt war, wollten doch die EU-Partner die Erpressung zur Jahreswende nicht einfach vergessen." (Wissenschaft & Frieden 2/96)

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Eindringliche Warnungen vor den Folgen dieser Anerkennungspolitik gab es auch vom damaligen UN-Generalsekretär Perez de Cuellar. Am 10. 12. 91 wandte sich de Cuellar an die 12 EU-Außenminister mit den Worten: "Ich bin tief beunruhigt darüber, daß eine verfrühte, selektive Anerkennung den gegenwärtigen Konflikt ausweiten und eine explosive Situation hervorrufen könnte, besonders in Bosnien-Herzegowina und auch in Makedonien." Hans Dietrich Genscher antwortete am 13. 12. 91: "Die Verweigerung der Anerkennung jener Republiken, die ihre Unabhängigkeit wünschen, müßte zu weiterer Eskalation der Gewaltanwendung durch die Volksarmee führen, weil sie darin eine Bestätigung ihrer Eroberungspolitik sehen würde." Darauf schrieb De Cuellar an den deutschen Außenminister am 14. 12. 91, " ... daß verfrühte selektive Anerkennungen eine Erweiterung des Konfliktes in jenen empfindlichen Regionen nach sich ziehen würden. Solch eine Entwicklung könnte schwerwiegende Folgen für die ganze Balkanregion haben und würde meine eigenen Bemühungen und diejenigen meines persönlichen Gesandten, die notwendigen Bedingungen für die Anwendung von friedenserhaltenden Maßnahmen in Jugoslawien zu sichern, ernstlich gefährden." (Dokumentation des Briefwechsels in Rundbrief 2/96 des Versöhnungsbundes)

Genscher sandte wenige Tage später die Anerkennungsurkunden an Slowenien und Kroatien ab. Hansjörg Eiff, bis 1991 deutscher Botschafter in Belgrad, soll das Auswärtige Amt in Bonn mit ähnlicher Eindringlichkeit vor einer vorschnellen Anerkennung gewarnt und die spätere Eskalation vorausgesagt haben, wie der UNO-Generalsekretär. Doch statt auf die Warnungen Eiffs zu hören, beschloß das Bonner Außenministerium, sich des unliebsamen Mahners Eiff zu entledigen.

Nimmt man die massiven Rüstungsexporte an Kroatien trotz UN-Embargo (allein zwischen April 1992 und April 1994 im Wert von 320 Mio. Dollar, vgl. Der Spiegel, 32/94) sowie die Ausbildung und Ausrüstung der UCK durch BND und MAD hinzu (vgl. FR, 25. 9. 98), ergibt sich ein zwar in sich stimmiges, allerdings auch höchst kriminelles Bild deutscher Balkanpolitik.

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Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des internationalen Versöhnungsbundes



E-Mail:   BuC.Ronnefeldt@t-online.de
Internet: http://www.versöhnungsbund.de





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