11.9.2001 erste Reaktionen vom: 16.09.2001 vorheriger nächster Artikel | Terroranschläge 11.9. - erste Reaktionen: Stellungnahmen / Aufrufe Gedanken zu den Terroranschlägen in den USA Pro Dialog, Dr. Mohammad Heidari Köln, 14.09.2001 Für mich als ein Mensch iranisch-muslimsicher Herkunft, der seit über 20 Jahren in Deutschland lebt, sich für ein solidarisches und gewaltfreies Zusammenleben einsetzt und interkulturelle Bildungs- und Verständigungsarbeit beruflich betreibt, war der 11. September ein schwarzer Tag. Ich hatte an diesem Tag den Eindruck, ich hätte meine Sprache verloren. Das Gefühl der totalen Ohnmacht packte mich. Für einen Moment dachte ich sogar, dass meine mühsame sich in kleinen Schritten vollziehende Arbeit für interkulturelle Verständigung und konstruktive Konfliktbearbeitung sinnlos wäre. Keine monotheistische Religion, egal ob Christentum, Islam oder Judentum, rechtfertigt so eine abscheuliche Tat, dachte ich ständig. Insbesondere im Islam muss eigentlich jeder wissen, dass Selbstmord und Mord an unschuldigen Menschen die größten Sünden überhaupt sind. Nach islamischem Glauben, kann sogar die Seele einer Person, die sich und/oder unschuldige Menschen umbringt, und keinen Respekt vor der Schöpfung hat, keine Ruhe finden. Unter diesen hoch emotionalisierten Umständen frage ich mich, wie ich mich weiterhin um Verständigung zwischen Deutschen und Migrant/innen aus muslimischen Herkunftsländern bemühen soll und auf vor allem massive strukturelle Benachteiligung dieser Migrant/innen im Alltag hinweisen kann? Diese Fragen quälten und lähmten mich. Hinzu kam die psychologische Kriegsvorbreitung in den Medien und durch die Politik, die mich noch mehr beängstigen, insbesondere die verbalen Frontenbildungen "Muslime gegen zivilisierte Welt" oder "unzivilisiertes Morgenland gegen zivilisiertes Abendland", etc. Ich versuche in meiner Arbeit mit jungen Menschen, egal welcher Herkunft, sie von der Sinnlosigkeit der Gewalt als Mittel der Konfliktlösung zu überzeugen. Ich vertrete die Ansicht, dass die Friedensarbeit sich auf die konstruktive Bearbeitung von interkulturellen Konflikten und ihre Nutzbarmachung für das Zusammenleben der Völker konzentrieren soll. Für mein Leben und meine Arbeit - insbesondere im interkulturellen Kontext - ist der folgende Gedanke von zentraler Bedeutung: "Wenn wir den Frieden wollen, dann müssen wir uns auf den Frieden vorbreiten, und nicht auf den Krieg. Krieg kann keine Sicherheit und keinen Frieden schaffen". |
zum Anfang 11.9.2001 erste Reaktionen | Trotz dieser Überzeugungen saß ich nach dieser schrecklichen Tat wie versteinert da und dachte, ich habe keine Kraft mehr. Die Mächte des Terrors und des Krieges sind zu groß. In dieser Situation bekam ich von einem deutschen Freund einen Brief, indem er seine Gedanken zu diesem Tag zum Ausdruckt bringt, vor allem aber seinen Appell, dass Irrationalität nicht siegen und die Kulturkampftheorie Huntingtons nicht zur Leitmaxime der politischen Handlungen werden möge. Diese klaren Worte machten mich wieder wach und halfen mir, meinen Lähmungszustand und meine vorrübergehende Sprachlosigkeit zu überwinden. Ich dachte, wir dürfen nicht aufgeben. Wenn wir Frieden und Sicherheit wollen, dann müssen wir uns noch intensiver auf den Frieden und auf die Gerechtigkeit vorbereiten. Es gibt keine andere Alternative! Gerade jetzt dürfen wir -alle Menschen, egal welcher religiösen und/oder ethnischen Herkunft, die den Frieden wollen- vor Terror nicht kapitulieren, auch nicht vor den abendländischen Mainstreamdenkern, die um die Vorrangstellung der "zivilisierten Welt" gegenüber den "bösen Unzivilisierten" Kriege führen möchten. Gerade jetzt ist es wichtig, dass die Friedensarbeit ihre Kräfte bündelt und auf die Ausweglosigkeit der weit verbreiteten Irrmeinung hinweist, die davon ausgeht, dass man sich auf den Krieg vorbereiten müsse, wenn man Sicherheit wolle. Und aus diesem Grunde möchte ich mich persönlich und im Namen der "Interkulturellen Bildungsinitiative für Migrationsarbeit Pro Dialog" der Erklärung von Friedensorganisationen vom 13.09.2001 "Brücken bauen, Gewalteskalation verhindern!" anschließen. Kontakt: Pro Dialog, Dr. Mohammad Heidari, Postfach 60 0165, 50733 Köln, Tel./Fax: 0221- 7325119 E-Mail: dr.heidari.koeln@t-online.de | ||
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