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Krieg in Tschet- schenien - Inhalt


vom:
07.10.1999


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Krieg in Tschetschenien:

  Echo/Presse

Russlands Premier genügt der Norden Tschetscheniens wohl nicht und sein Vorgänger warnt vor einer Sackgasse

Pläne für Grosnys Eroberung gibt es angeblich schon

Frankfurter Rundschau, Florian Hassel (Moskau)

Nach russischen Presseberichten plant der Kreml in naher Zukunft die Erstürmung der tschetschenischen Hauptstadt Grosny. Politische Beobachter in Moskau warnen unterdessen vor einer Ausweitung des Krieges im Kaukasus.


Als Wladimir Putin erstmals seine Tschetschenien-Pläne erläuterte, klang es, als wolle Russlands Premier die rebellische Republik im Süden zur neuen Schweiz des Kaukausus machen. Jedenfalls den Teil, den Moskau angeblich bereits kontrolliert: den Norden bis zum quer von West nach Ost verlaufenden Fluss Terek, 30 Kilometer nördlich der Hauptstadt Grosny - ein Gebiet, das rund ein Drittel Tschetscheniens ausmacht. Hier sollen eine neue Verwaltung, Polizei und Militär, Schulen und Krankenhäuser aufgebaut und Löhne, Renten und Kindergeld ohne Verzögerung ausgezahlt werden.

Dies erklärte Putin einer Runde aus Parlamentsführern und ehemaligen Premierministern. Die geballten Wohltaten sollen 125000 Tschetschenen, die in die Nachbarrepublik Inguschetien geflohen sind, zur Rückkehr bewegen.

Um die Etablierung der russischen Herrschaft soll sich offiziell die für Soziales zuständige Vize-Premier Walentina Matwijenko kümmern. Woher Matwijenko, die die Löhne und Renten schon im Rest Russlands nur verspätet oder gar nicht auszahlt, das Geld für den teuren Neuaufbau nehmen soll, sagte Putin allerdings nicht. Ebenso wenig äußerte sich der Premier dazu, warum die Flüchtlinge sich ausgerechnet unter Obhut eben jenes russischen Militärs wohlfühlen sollen, das in den vergangenen Wochen ihre Heimathäuser zerbombt und sie in die Flucht getrieben hat.

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Ein Bericht der Tageszeitung Wremja deutet an, dass nicht zivile, sondern militärische Gesichtspunkte dominieren: Danach will Putin die wahre Macht in Nord-Tschetschenien einem neuen Vize-Premier anvertrauen, der ein Militär sein müsse und mit unbeschränkten Vollmachten ausgestattet werden solle.

Russlands Premier will sich dem Bericht zufolge zudem mit dem Nord-Protektorat und der Einrichtung einer "Sicherheitszone" rund um Tschetschenien nicht zufriedengeben. "Das endgültige Ziel ist, die Terroristen und ihre Basen auf dem gesamten tschetschenischen Gebiet zu zerstören", sagte Putin. Die Tageszeitung
Segodnja meldete, der russische Generalstab habe einen Plan für die Erstürmung Grosnys ausgearbeitet. Verteidigungsminister Igor Sergejew schloss nicht aus, dass Moskaus Truppen den Terek-Fluss überqueren.

Der Analyst Andrej Piontkowskij ist überzeugt, "dass die föderalen Truppen weiter vorrücken und versuchen, bis zum Winter Grosny einzunehmen". Piontkowskij glaubt, dass die Verluste unter Militärs und Zivilisten "enorm sein werden und die ganze russische Kampagne bis zum Dezember in einer Katastrophe endet". Schon bei den Kämpfen in Dagestan hätten die russischen Verluste ein Fünftel der 5000 eingesetzten Soldaten betragen: 250 Tote und 850 Verletzte.

Ex-Premier Sergej Stepaschin stimmt mit dem Liberalen Grigorij Jawlinskij und Kommunistenführer Genadij Sjuganow überein, "dass es im Nordkaukasus und in Tschetschenien keine schnellen Siege gibt und man die Suppe, die man sich dort einbrockt, jahrzehntelang auslöffeln muss".

In der Sendung
Geroj Dnja des russischen TV-Kanals NTW stellte Stepaschin die Frage in den Raum, "wie dieser Krieg endet und wer dann mit uns Verhandlungen führt". Während Premier Putin Tschetscheniens Präsidenten Aslan Maschadow zur illegitimen Macht erklärte, bot sich dagegen Stepaschin als Unterhändler zwischen Putin und Maschadow an. "Wir haben ihn als legitimen Präsidenten anerkannt. Maschadow ist in einer delikaten Lage. Man darf Leute nicht in die Ecke treiben und dann versuchen, sich mit ihnen zu einigen", sagte Stepaschin.

Aslan Maschadow und sein Verwaltungschef Apti Batalow sagten der
Frankfurter Rundschau bereits in der vergangenen Woche, sie würden "den Krieg nach einem russischen Angriff weiter nach Russland hineintragen" und etwa russische Einrichtungen in Dagestan oder Südrussland angreifen. Damit bekäme Moskau genau das, was es angeblich bekämpfen will: neue Terroranschläge im eigenen Land.

aus: FR vom 07.10.1999, S. 2



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