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Krieg in Tschet- schenien - Inhalt


vom:
31.01.2000


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Krieg in Tschetschenien:

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Interview in Die Welt vom 31.1.2000

"Kein Krieg gegen Banditen"

Die Welt

SPD-Politiker Scheer: Es geht vor allem um den Zugriff auf das kaspische Öl

Der Tschetschenien-Konflikt liefert nach Ansicht des SPD-Bundestagsabgeordneten und alternativen Nobelpreisträgers Hermann Scheer einen Vorgeschmack auf brutal eskalierende Ressourcenkriege. Durch steten Ressourcenschwund und ständig steigenden globalen Energieverbrauch würden die Länder zu Überlebenskämpfen gezwungen. Dies bestätige auch die Nato-Strategie, die eine weltweite Sicherung der Energie- und Rohstoffressourcen im Blick habe. Mit Scheer, der im vergangenen Jahr für seinen "unermüdlichen Einsatz zur weltweiten Förderung der Sonnenenergie" in Stockholm ausgezeichnet wur de, sprach Lena Pawlovsky.


DIE WELT: Herr Scheer, Sie sehen den Einsatz russischer Truppen in Tschetschenien weniger als einen Krieg gegen Banditen und Mörder, als um Ressourcen?

Hermann Scheer: Der Tschetschenien-Krieg ist Teil eines zunehmenden Ressourcenkonfliktes. Das war schon im ersten Tschetschenien-Krieg der Fall. Auch damals war es zu vereinfachend, von einem Befreiungskampf eines kleinen Volkes gegen das große zu sprechen. Es ging vor allem um die Frage, wer den Zugriff auf die direkt durch Grosny verlaufende Erdölpipeline und damit eine Beteiligung an den Einnahmen hat.

DIE WELT: Und heute?

Scheer: Was gegenwärtig in Tschetschenien stattfindet, erscheint als Aufflackern des politischen Islamismus. Doch das ist geschürt. Solche Stimmungen sind von Nutzen bei dem Vorhaben, die kaukasischen und transkaukasischen Erdöl- und Erdgasquellen priviligiert zu erschließen - unter Ausgrenzung der russischen Interessen. Jüngstes Beispiel ist der in Gegenwart von US-Präsident Bill Clinton geschlossene Vertrag zwischen der Türkei, Aserbaidschan und Georgien über den Bau einer Pipeline von Baku nach Ceyhan.

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DIE WELT: Kasachstan und Turkmenistan sicherten auf dem OSZE-Gipfel in Istanbul zu, ihr Öl über diese neue Route zu liefern.

Scheer: Wenn Russland völlig aus dem Spiel gebracht wird, weil seine Pipelines nicht mehr benutzt werden und ihm Einnahmen verloren gehen, führt das zu einer Störung das Verhältnisses mit Russland. Dadurch dass Regionen, die früher zur Sowjetunion gehörten, als westliches Interessengebiet definiert werden, weil es dort Ressourcen gibt, verliert man einen konstruktiven Einfluss auf die russische Regierung. Schon jetzt sind die Öl- und Gasförderländer Kaukasiens und Transkaukasiens Nato-Kooperationsländer - mit der Option auf eine spätere Mitgliedschaft. Das treibt Russland in eine sich radikalisierende Position.

DIE WELT: Damit birgt die Region um das Kaspische Meer, in der eines der weltweit größten Erdölvorkommen von rund 200 Milliarden Barrel Öl vermutet wird, erhebliches Konfliktpotenzial?

Scheer: Das zeigten schon die Vorfälle innerhalb Georgiens, zwischen Aserbaidschan und Armenien um die Enklave Berg-Karabach und in Tadschikistan, wo nach außen zwei Clans um die Macht kämpfen. Es geht dort längst um Ressourcen. Es wird so getan, als gäbe es einige irrationale Glaubensführer und ein paar orthodoxe Altkommunisten, die um den politischen Einfluss kämpfen. Hinter all diesen Konflikten steckt - wer auch immer daran partizipiert - der Kampf um die Beteiligung am Ressourcengeschäft, dem größten Geschäft der Welt.

DIE WELT: Wo drohen weitere Gefahren?

Scheer: Der Tschetschenien-Krieg liefert nur einen Vorgeschmack auf künftig eskalierende Ressourcenkonflikte. Die Kurve der abnehmenden Verfügbarkeit fossiler Reserven und jene des steigenden globalen Verbrauchs kreuzen sich aller Voraussicht nach zwischen 2030 und 2040. Das sind die Weltkrisenpunkte. Es muss alles darangesetzt werden, dass wir sie nicht erreichen. Sonst kommt es zu zahllosen lokalen Konflikten, die eine Region nach der anderen ins Chaos stürzen. Auch werden China und Indien, die zusammen mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung stell en und einen riesigen Importbedarf an Energie mit zweistelligen Zuwachsraten haben, nicht zulassen, dass sich die Länder Westeuropas und die USA, die heute schon 75 Prozent der Weltressourcen verbrauchen für 10 Prozent der Weltbevölkerung, auch noch der letzten Ressourcen vor ihrer Haustür bedienen.

DIE WELT: Sondern?

Scheer: China und Indien werden versuchen, dagegen einen Machtfaktor zu bilden zusammen mit Russland. Das sind drei Atommächte, die zusammen 40 Prozent der Weltbevölkerung stellen. Ich befürchte seit einigen Jahren das Entstehen eines Dreierbündnisses. Primakow hat das nun vor wenigen Wochen vorgeschlagen. Logische Konsequenz wäre eine nach Asien verschobene Neuauflage einer Blockkonfrontation zwischen Amerika und Europa einerseits und der eurasischen Region andererseits, die zum Hauptkampfplatz um die zur Neige gehenden Ressourcen werden könnte und zugleich ein Nord-Süd-Konflikt ist.

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