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Bombodrom Wittstock/
FREIe HEIDe


vom:
Dezember 2000


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Bombodrom Wittstock/FREIe HEIDe:

  Pressestimmen

Bundesverwaltungsgericht lehnt Revisionsantrag des Verteidigungsminsterium ab

Urteil: Wichtiger Schritt zur bombenFREIen HEIDe

Neues Deutschland

Von Tom Kirschey

Am Donnerstag hat das Bundesverwaltungsgericht dem Militär in der Wittstock-Ruppiner Heide eine uneindeutige Absage erteilt.

Damit entschied das Gericht als höchste Instanz einen seit Jahren währenden Rechtsstreit der Anliegergemeinden Rossow und Schweinrich im nordbrandenburgischen Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Zugunsten der Gemeinden. Die Rechtsfolgen des Urteils sind unklar, könnte das Verteidigungsministenum doch ein neues und diesmal rechtlich einwandfreies Verfahren zur Wiederaufnahme des Militärbetriebs anstoßen, um an seinem Truppenübungsplatzkonzept festzuhalten. Das Bombodrom war mit etwa 13.000 jährlichen Einsätzen jahrzehntelang einer der am intensivsten unter Dauerbeschuss stehenden Plätze der Erde. 1957 hatte die DDR den Platz, auf dem die Sowjetarmee übte, mit einer militärischen Zweckbindung belegt. Diese Zweckbindung wurde 1961 mit dem Verteidigungsgesetz der DDR zu einem für die gestrige Gerichtsentscheidung relevanten Verwaltungsakt.

Die vom Übungsbetrieb betroffenen Gemeinden waren sich sicher, der Platz würde in zivile Nutzung überführt werden. Doch bereits 1992 sah das Truppenübungsplatzkonzept des Ministeriums eine militärische Fortnutzung vor. Die Gemeinden, in ihrer kommunalen Planungshoheit eingeschränkt, klagten gegen die Entscheidung. Als 1994 Rudolf Scharping als Kanzlerkandidat auf Wahlkampftour die Prignitz besuchte, glänzte der heutige Verteidigungsminister mit dem Wahlversprechen, der Platz würde in einer SPD-regierten Republik nicht weiter militärisch genutzt. Im März 1999 untersagte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Frankfurt (Oder) den Militärbetrieb mit dem Argument, ein ordentliches Verfahren mit Anhörung der Betroffenen und einer Interessensabwägung habe nicht stattgefunden. Dagegen hatte das Verteidigungsministerium Berufung eingelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat nun das Urteil des OVG bestätigt. Allerdings vertrat das Gericht die Auffassung, dass die Artikel 8, 19 und 21 des Einigungsvertrages eine ausreichende rechtliche Grundlage für eine militärische Fortnutzung des Geländes seien, weil Vermögen und Verwaltungsakte der DDR auf die BRD übergegangen seien. Dies bedeute aber nicht, dass eine damals nicht rechtmäßige Aneignung des Gebietes nachträglich zu Recht gemacht werden könne. Will die Bundeswehr also trotz des Urteils das Bombodrom nutzen, muss sie ein neues Verfahren anstreben, in dem es eine Anhörung der Gemeinden geben muss und die "Standortgegebenheiten" planungs- und nachbarschaftsrechtlicher Betroffenheiten festzustellen sind.

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Bombodrom Wittstock/
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Dies kann Jahre in Anspruch nehmen, es ergeben sich erneut Klagebefugnisse. Die Bewertung des Urteils fiel naturgemäß unterschiedlich aus. Die "Initiative pro Bundeswehr Wittstock und Umgebung" - eine Interessengemeinschaft vorwiegend klein- und mittelständischer Gewerbetreibender - bedauerte die Entscheidung. Truppenübungsplatz und Garnison Wittstock seien für die Region mit 1.200 Soldaten und somit 27 Millionen Mark jährlich eine beträchtliche Wirtschaftskraft, so ihre Sprecherin Rosemarie Priebus. Die unkonkreten Konversionsideen der Bürgerinitiative FREIe HEIDe und der Gemeinden könne Priebus nicht nachvollziehen.

"Das Militär muss jetzt gehen," sagte der Anwalt der Gemeinden Reiner Geulen, der nach der Urteilsverkündung in seine Berliner Kanzlei einlud, um mit Vertretern des Kreises und der betroffenen Bürger über die postmilitärische Ära des Platzes zu sprechen. "Das Bundesverteidigungsministerium hat eine gerichtliche Schelte für seine Arroganz der Macht erhalten," sagte Wolfgang Gehrcke, stellvertretender Vorsitzender der PDS-Bundestagsfraktion, dessen Wahlkreis in der Übungsregion liegt. Gehrcke forderte SPD- und Grünenfraktion auf, den lange angekündigten gemeinsamen Gruppenantrag zur zivilen Nutzung des Luft-Boden-Schießplatzes endlich in den Bundestag zu bringen, da diesen Antrag anderenfalls die PDS im Januar selbst einbringen werde.

Gehrcke schätzt das Interesse der Bundeswehr am Bombodrom weiterhin als sehr groß ein. Am Montag hatte die Fraktion auf eine von ihr gestellte Kleine Anfrage im Bundestag Antwort erhalten. Demnach plant das Verteidigungsministenum in der Heide Großes. Unter anderem ist der "Einsatz von Panzern, Artillerie, Hubschraubern und Flugabwehrraketenverbänden ohne scharfen Schuss" vorgesehen, wie auch die gemeinsame Nutzung mit anderen NATO-Partnern.

Hin und her um Wittstock

 Im Oktober 1990 wurde das Deutsch-Sowjetische Truppenvertragsgesetz beschlossen. Es regelte den Abzug der sowjetischen Streitkräfte, nicht die militärische Zweckbindung ihrer Übungsflächen.

 Am 30. Juni 1992 hat das Bundesverteidigungsministerium dem Verteidigungsausschuss des Bundestag sein Truppenübungsplatzkonzept vorgestellt, es enthält detaillierte Vorstellungen über die Fortnutzung als Luft-Boden-Schießplatz. Die Protokolle sind geheim. Die Gemeinden wurden nicht förmlich angehört, es fanden aber im Jahr 1993 Informationsveranstaltungen der Bundeswehr, nach Einschätzung von Richtern "Werbeveranstaltungen", statt.

 Die Gemeinden Schweinrich und Rossow entschieden sich für Klage, scheiterten in der ersten Instanz, gingen jedoch in Revision.

 Am 24. März 1999 entscheidet das OVG Frankfurt (Oder) den Rechtsstreit vorläufig, indem es den militärischen Nutzungsbetrieb für unrechtmäßig erklärte. Der Bund ging darauf in Revision. Gestern wurde sie verworfen.

aus: Neues Deutschland 15.12.2000

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