Logo Friedenskooperative


Erstellt:
02.06.1998


 nächster
 Artikel

zu: Zivile Konfliktbearbeitung - Inhalt

Instrumente Ziviler Konfliktintervention

Iris Smidoda

Im folgenden werden einige wichtige Instrumente ziviler Konfliktbearbeitung eingeordnet in die drei Strategien Friedenssicherung, Friedensschaffung und Friedenskonsolidierung, die Kategorisierung ist nicht trennscharf. Die Instrumente werden dem Bereich zugeordnet, in dem sie schwerpunktmäßig vertreten sind. Der Überblick nennt lediglich einige wichtige Instrumente und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.



Friedenssicherung (Peacekeeping):

Dissoziation (Auseinanderhalten) der Konfliktparteien, Gewaltprävention


Aufbau von Frühwarnsystemen

Auf der Grundlage möglichst genauer Daten und durch direkte Beobachtungen vor Ort wird es möglich, vor Ausbruch eines Konfliktes zu warnen und vermittlungsbereiten Regierungen oder NGOs (= Nichtregierungsorganisationen) die Möglichkeit zu geben, in geeigneter Weise einzugreifen. Beispiele: Das Frühwarnsystem der Vereinten Nationen, das Konfliktverhütungszentrum der OSZE in Wien. Auf Nichtregierungsebene verfügen "amnesty international" oder "international alert" über funktionierende Frühwarnsysteme.

Tatsachenermittlung (fact finding)

Unter fact-finding versteht man die Entsendung von ExpertInnen, um Tatsachen über den Konfliktgegenstand, die Anliegen der Konfliktparteien und die Gefahren der Eskalation zu ermitteln. So kann es gelingen, internationale Aufmerksamkeit für einen schwelenden Konflikt zu wecken und Aktivitäten für die Einmischung von außen (durch Staaten, internationale Organisationen oder NGOs) auszulösen. Beim fact-finding tut sich vor allem die OSZE im Rahmen ihrer neuen Langzeitmissionen hervor. Über die reine Tatsachenermittlung hinaus verfügen Langzeitmissionen über ein ausgehandeltes politisches Mandat und ein Initiativrecht, mit dem Handlungen vor Ort durchgeführt werden können. Beispiel: OSZE-Langzeitmission in Moldawien: Hilfe bei der Regelung des Status von Transnistrien, Beratung bei Menschenrechtsfragen, Unterstützung einer politischen Lösung für den Abzug russischer Truppen.

 zum Anfang


Zivile Konfliktbearbeitung - Inhalt
Monitoring (Wahlbeobachtung, Menschenrechtsbeobachtung)

Unter "Monitoring" versteht man die Überwachung und Beobachtung umstrittener Ereignisse in Konfliktregionen, in denen die demokratischen Rechte wie die Einhaltung von Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht gewährleistet sind, oder die Durchführung von demokratischen Wahlen behindert werden soll. Regierungsvertreter und NGOs arbeiten häufig vor Ort zusammen. Beispiel: zu den jährlichen Feierlichkeiten zum kurdischen Neujahrsfest entsenden NGOs, z.B. "medico international", eine internationale Beobachterdelegation, die Behinderungen durch ihre Anwesenheit erschweren oder zumindest für eine internationale Öffentlichkeit dokumentieren soll.

Schutz für gefährdete Personen

Menschen in Krisengebieten, denen aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit oder aufgrund ihres politischen und sozialen Engagements Verfolgung und Repression drohen, wird von NGOs Schutz angeboten. Interveniert wird nicht durch Vermittlung, sondern durch Anwesenheit. Als AugenzeugInnen haben internationale Beobachter vor Ort Gewicht, weil sie Gewaltakte einer internationalen Öffentlichkeit zugänglich machen können. Beispiele: Die Arbeit des "Balkan Peace Teams" in Kroatien. Geschützt werden dort zum Beispiel serbische Familien vor drohenden Wohnungsräumungen durch Militärs, Kriegsdienstverweigerer bei Festnahmen durch die Polizei oder Oppositionelle durch Präsenz bei Gerichtsprozessen. Ein bekanntes Beispiel ist auch der Schutz von MenschenrechtsaktivistInnen in Guatemala durch die "Peace Brigades International".



Friedensschaffung (Peacemaking): Problemlösungsansatz, die Bearbeitung des Konfliktes

Stille Diplomatie und gute Dienste (good offices)


Unter "Stiller Diplomatie" versteht man die Bemühungen, durch das Übermitteln von Informationen indirekte Kontakte zwischen den Konfliktparteien zu etablieren. Sie findet geheim und wenig spektakulär statt. "Gute Dienste" sind die Form der geringsten Einflußnahme durch eine dritte Partei. Sie schaffen die logistischen Voraussetzungen für direkte Gepräche, z.B. Übernahme von Reisekosten, Sicherheitsgarantien für DelegationsteilnehmerInnen, Bereitstellen eines Verhandlungsortes u.s.w.. Beispiel: Aktivitäten des ehemaligen norwegischen Außenministers Holst und seiner Frau Marianne Heiberg. Sie machten Reiseplanungen, organisierten einen Treffpunkt und ermöglichten schließlich geheime Verhandlungen zwischen der PLO und Israel.

 zum Anfang


Zivile Konfliktbearbeitung - Inhalt
Schiedsgerichtsbarkeit (arbitration)

Schiedsgerichtsbarkeit ist eine rein juristische Prozedur, bei der sich die Konfliktparteien dem Schiedsspruch eines unabhängigen Gerichtes oder einer Kommission unterwerfen. In der internationalen Politik ist arbitration ein seltener Konfliktlösungsmodus, weil die Staaten ungern Entscheidungsgewalt aus der Hand geben. Internationale Gerichte mit Bedeutung für die friedliche Streitbeilegung sind z.B. der Internationale Gerichtshof in Den Haag (IGH), der Vergleichs- und Schiedsgerichtshof der OSZE und der Internationale Gerichtshof für Menschenrechte. Beispiele friedenspolitisch bedeutsamer Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofes: Nach einer Klage Nicaraguas verurteilte der IGH die USA wegen des Eingreifens in den nicaraguanischen Bürgerkrieg (Verminung nicaraguanischer Häfen). Die USA zogen daraufhin ihre Entscheidung zurück, die Urteile des IGH als obligatorisch anzuerkennen. Ein Beispiel für ein erfolgreich umgesetztes Urteil ist der Grenzkonflikt zwischen Lybien und dem Tschad um den Aouzostreifen des Tibesty-Gebirges. Nach dem Richterspruch aus Den Haag zogen die lybischen Soldaten unter UN-Aufsicht aus dem umstrittenen Grenzgebiet ab.

Positive und negative Sanktionen gegen Konfliktparteien

Mit negativen oder positiven Anreizen wird versucht, das Verhalten der Konfliktparteien zu beeinflussen. Negative Sanktionen sind bespielsweise Ausschluß aus internationalen Organisationen, Abbruch von Beziehungen, Sicherstellung von Vermögen im Ausland oder Wirtschaftssanktionen. Positive Sanktionen können zum Beispiel Wirtschaftshilfen sein, die unter bestimmten Bedingungen gegeben werden, etwa dem Einhalten der Menschenrechte. Beispiel: Wirtschaftssanktionen gegen Südafrika, die mit beigetragen haben, das Apartheidsregime zu beseitigen.

Direkte Verhandlungen (negotiations)

Voraussetzung ist, daß sich die Streitparteien gegenseitig als Verhandlungspartner anerkennen. Negotiations können mit oder ohne die Anwesenheit einer dritten Partei (negotiator) stattfinden. Im Bereich negotiation ist z.B. das "International Negotiation Network" (INN) am "Carter Center" in Atlanta aktiv. Dort beobachtet ein Stab von ehemaligen Staatschefs, Diplomaten und ExpertInnen derzeit rund 30 Kriege und Konflikte. Auf Anfrage treten sie auch als Vermittler auf oder stellen Räumlichkeiten zur Verfügung. Beispiele für Konflikte, die durch direkte Verhandlungen geregelt wurden, sind der Friedensprozeß in Südafrika oder der Konflikt zwischen Israel und der PLO. Das INN war beispielsweise 1989 Gastgeber der Friedensgespräche zwischen der "Eritrean People`s Liberation Front" und der äthiopischen Regierung.

Mediation

Mediation ist ein weiteres Vermittlungsverfahren. Im Unterschied zum "negotiator" formuliert der Mediator auch eigene kostruktive Problemlösungsvorschläge. Beispiele: Der Friedensplan von Vance und Owen im Konflikt um Bosnien-Herzegowina. Erfolgreich ist auch hier das "Carter Center" in Atlanta: Es vermittelte z.B. 1994 im Kernwaffenstreit mit Nordkorea.

 zum Anfang


Zivile Konfliktbearbeitung - Inhalt
Beratung (consultation)

Beratung findet meist in workshops oder an "Runden Tischen" statt. Der "Consultator" bringt keine eigenen Lösungsvorschläge ein, sondern berät die Parteien in bezug auf Konfliktmanagement und Verhandlungstechniken. Repräsentanten der Konfliktparteien sind meist auf der gesellschaftlichen Ebene angesiedelte Gruppen. Beispiel: Im Rahmen eines Projektes des Berghof-Forschungszentrums für konstruktive Konfliktbearbeitung vermittelt eine Gruppe von Mediatoren in Rumänien im Konflikt mit der ungarischen Minderheit. Als Repräsentanten der Konfliktparteien treten Jugendorganisationen auf.

Stärkung der Konfliktbearbeitungs-kompetenz der Konfliktparteien

Hierzu gibt es die verschiedensten Ansätze auf unterschiedlichen Ebenen. Beispiel: Friedensgruppen im ehemaligen Jugoslawien bieten Veranstaltungen an, in denen AktivistInnen Techniken der gewaltfreien Konfliktbearbeitung wie Mediation, aktives Zuhören oder verschiedene Formen des Dialogs erlernen können.



Friedenskonsolidierung (Peacebuilding): Bewahrung des nach dem Konflikt erreichten Friedens

Aufbauhilfe, Entwicklungshilfe, Flüchtlingshilfe, humanitäre Hilfe

Finanzielle, wirtschaftliche und soziale Hilfeleistungen können entscheidend zur Stabilisierung des Friedens beitragen. Dazu gehört die Vergabe von Krediten oder die Entsendung von Fachkräften für den Wiederaufbau, Rückführprogramme oder Wiedereingliederungshilfen für Kriegsflüchtlinge etc. Beispiel: Reintegrationsprogramm für ehemalige Kämpfer in Eritrea. Für sie wurde ein spezielles Kreditprogramm zur Gründung von Kleinunternehmen eröffnet, Fortbildungsprogramme angeboten oder die Einbeziehung in Ansiedlungsprojekte.

Hilfe beim Aufbau demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen

Staatliche Hilfe konzentriert sich hier auf institutionelle Reformen wie die Förderung allgemeiner politischer Beteiligungsrechte, die Aufnahme kollektiver Minderheitenrechte und Antidiskriminierungsklauseln in Verfassungen, die Einrichtung von Beratungsgremien für Minderheitenbelange oder den Aufbau föderalistischer Strukturen. Nichtregierungsorganisation konzentrieren sich meist auf die Stärkung der sogenannten zivilgesellschaftlichen Ebene, beispielsweise durch "Empowerment" von Basisgruppen. Das umfaßt ein breites Spektrum an Aktivitäten, etwa die Vermittlung von Kenntnissen zum Einsatz moderner Medien, Organisationsmanagement oder Unterstützung beim Aufbau demokratischer Organisationsstrukturen. Beispiel: Die Aktivitäten des Hohen Kommissars für Minderheiten der OSZE im Baltikum. Gesetzestexte machten dort die Gewährung der Staatsbürgerschaft von estischen und lettischen Sprachkenntnissen abhängig und schlossen so die russische Bevölkerung von der Staatsbürgerschaft aus. Der Hohe Kommissar schlug vor, ältere Menschen von dieser Bedingung zu befreien und mehrere Jahre Zeit zum Erlernen der Sprache einzuräumen.

 zum Anfang


Zivile Konfliktbearbeitung - Inhalt
Quellen: Barbara Müller, Christian Büttner: Optimierungschancen von Peacekeeping, Peacemaking und Peacebuilding, Wahlenau 1995.

Uli Jäger: Softpower. Wege ziviler Konfliktbearbeitung, Tübingen 1996.

Rexan Dehdashti, Thania Pfaffenholz: Zivile Konfliktbearbeitung im internationalen System, in: EAK (Hg.): Konflikte gewaltfrei bewältigen, Bremen 1995.




Iris Smidoda ist Koordinatorin des Arbeitskreises MIR bei ORL

E-Mail:   akmir_orl@gaia.cl.sub.de





 nächster
 Artikel

Übergeordnetes Thema:

Krisen und Konflikte
Krisen und Konflikte

Einige weitere Texte (per Zufallsauswahl) zum Thema

Zivile Konfliktbearbeitung (ZKB):
Zivile Konfliktbearbeitung
FriedensForum 4/97 - zum Schwerpunkt
Historischer Rückenwind für Zivile Konfliktbearbeitung
FF4/98 - Ein weiter Schritt...
FF2/99 - Rot-Grüne Außenpolitik
FriedensForum 4/97 - Friede ist der Ernstfall

BereiC="../gifs/icon5.gif" WIDTH="50" BORDER=0>    
 Netzwerk FriedensForum   Termine   Ex-Jugo-Hilfe  Aktuelles  
asisgruppen. Das umfaßt ein breites Spektrum an Aktivitäten, etwa die Vermittlung von Kenntnissen zum Einsatz moderner Medien, Organisationsmanagement oder Unterstützung beim Aufbau demokratischer Organisationsstrukturen. Beispiel: Die Aktivitäten des Hohen Kommissars für Minderheiten der OSZE im Baltikum. Gesetzestexte machten dort die Gewährung der Staatsbürgerschaft von estischen und lettischen Sprachkenntnissen abhängig und schlossen so die russische Bevölkerung von der Staatsb&uuge. Beispiele: Der Friedensplan von Vance und Owen im Konflikt um Bosnien-Herzegowina. Erfolgreich ist auch hier das "Carter Center" in Atlanta: Es vermittelte z.B. 1994 im Kernwaffenstreit mit Nordkorea.