Redebeitrag für den Ostermarsch in Haldensleben am 10. April 2023

 

- Sperrfrist: 10. April 2023, Redebeginn: 12 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens,
liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter!

Kapitalismus, Waffen und Krieg sind das Problem und nicht die Lösung! Dieses Motto des heutigen Ostermarsches bezieht sich auf ein Zitat von Martin Luther-King, in dem er mit Blick auf Amerikas Krieg in Vietnam unter anderem auch sagte:
„Entweder Gewaltlosigkeit oder Nicht-Existenz. An diesem Punkt stehen wir heute!“

Seit dieser Zeit gab und gibt es nicht nur zahlreiche weitere Kriege, sondern der Waffenhandel floriert und es werden gerade jetzt auch Waffen in ein Kriegsgebiet geliefert, weil man damit angeblich Frieden schaffen kann. Dabei gibt es inzwischen sogar noch mehr und noch perfidere Waffen und im Falle eines Weltkrieges wird die Nichtexistenz für die Menschheit immer wahrscheinlicher.

Ich bin Mitglied der BI Offene Heide, die vehement gegen die militärische Nutzung der Colbitz-Letzlinger Heide kämpft, in der auch für Angriffskriege geübt wird, und ich gehöre auch zur Leipziger Friedensbewegung. Wir setzen uns intensiv mit Argumenten für oder gegen Waffenlieferungen auseinander, erleben aber, dass eine sachliche öffentliche Diskussion hierüber nicht möglich ist, denn seit Kanzler Scholz die Zeitenwende ausgerufen hat, tobt ein Informations- und Propagandakrieg, dessen Ausmaße ich mir zuvor nicht hätte vorstellen können. Jede von der offiziellen Linie abweichende Meinung wird geradezu niedergeschrien, erinnert sei beispielhaft an Gabriele Krone-Schmalz oder Ulrike Guerrot.

Und auch wir als Friedensbewegung sind enormem Widerstand ausgesetzt, da WIR uns GEGEN Waffenlieferungen, GEGEN Aufrüstung und GEGEN die Sanktionen wenden, die gegen RL verhängt wurden, denn RL als Atommacht ist MILITÄRISCH nicht zu besiegen, aber auch nicht durch einen WIRTSCHAFTSKRIEG. Dieser schadet jedoch enorm der Bevölkerung Russlands, unserer Bevölkerung und der anderer Länder, v.a. im globalen Süden.

Die ganz große Mehrheit der Friedensbewegung verurteilt Russlands Einmarsch in die Ukraine als völkerrechtswidrig. Aber es ist falsch, dass die Kriegsursachen im wesentlichen auf die Person Putins und seine angeblichen Großmachtphantasien reduziert werden und die Vorgeschichte des Krieges weitgehend ausgeblendet wird.
Denn, wie Jürgen Wagner von der Informationsstelle Militarisierung am 3.3.2022 schrieb: “Nur wer versteht, wie der Weg in die Katastrophe verlief, wird auch einen Weg aus ihr heraus finden.“. Doch unsere Politiker behaupten statt dessen sogar, Russland (RL) bedrohe die NATO - wie absurd das ist, zeigt ein Vergleich der Rüstungsetats und der weltweiten Militärstützpunkte Russlands einerseits und der USA und ihrer NATO-Partner andererseits - um einige Zahlen zu nennen: Rüstungsetats 2021 RL 61,7// USA  778; GB 59,2; DL 52,8 Mdn. US-Dollar; Militärstützpunkte RL ca. 25, USA ca. 1000.

Politiker und staatsnahe Medien werfen uns vor, wir seien gegenüber der Ukraine unsolidarisch, häufig werden wir auch als rechts offen diffamiert, wie ich es besonders in Leipzig erlebe, und man bezichtigt uns des Antiamerikanismus.

Uns wird weisgemacht, es gehe im Ukrainekrieg um die Interessen des ukrainischen Volkes, um die Souveränität der Ukraine, und es wird sogar behauptet, in der Ukraine
würden unsere westlichen Werte verteidigt (also vor allem ungebremster Konsum und Ausplünderung der Welt), wie zuvor schon am Hindukusch.
                                                                 
In Wirklichkeit geht es aber in der internationalen Politik, und somit auch in Kriegen als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, um die Interessen von Staaten (s. Zitat von Egon Bahr), um die Interessen ihrer Machteliten, in diesem speziellen Fall also um die Interessen des Finanzkapitals und der großen Konzerne der Ukraine, der USA und auch Russlands und Westeuropas, besonders ihrer Rüstungskonzerne. Und deshalb sagen wir als Friedensbewegung:

KRIEG DARF KEIN MITTEL INTERNATIONALER POLITIK SEIN!
Und das gilt für alle Staaten.
                                                  
Besonderer Profiteur dieses Krieges sind die USA. Nicht nur ihre Rüstungskonzerne profitieren, sondern auch ihre Energiekonzerne, in deren Abhängigkeit wir uns in Bezug auf teures und umweltschädliches Frackinggas freiwillig begeben haben. Die USA  profitieren auch in Konkurrenz mit uns als Industriestandort und vor allem verteidigen sie ihre Vormachtstellung in der Welt und haben dabei bereits China im Blick. Hierauf zielen auch ihre Aktivitäten in Taiwan, im südchinesischen Meer und im Indopazifik.
                                                      
Eine Aufnahme der Ukraine in die NATO würde den USA die Stationierung von Raketen, die in 5 min Moskau erreichen, vor RL's Haustür ermöglichen und ihnen damit einen enormen strategischen Vorteil verschaffen.
                                                                  
All diejenigen, die uns als Putinversteher o.ä. diffamieren, frage ich:
Ist es etwa nicht aggressiv und hoch gefährlich, derartige Raketen an der Grenze zu einer Atommacht stationieren zu wollen?
Welche Antworten wollte man denn damit provozieren oder zumindest riskieren? Erneut russische Raketen auf Kuba? Oder eben den Angriff RL's auf die Ukraine? Es geht doch hier nicht um Sympathien oder um moralische Parteinahme für einen der beteiligten imperialistischen Akteure.
Notwendig ist die nüchterne Analyse, wer auf welche Weise den internationalen Frieden bedroht!
                                                                  
Für eben diese macht-strategischen und geopolitischen Interessen der direkt und indirekt beteiligten Staaten werden ukrainische und russische Soldaten und Soldatinnen verheizt, verlieren Familien ihre Söhne, Väter, Brüder, Ehemänner und wird unsägliches Leid über die ukrainische Bevölkerung gebracht.
                                                                  
Für die Ukraine geht es auch keinesfalls um ihre Souveränität. Sie hat ihre Abhängigkeit von RL, die historisch seit langem bestand, eingetauscht gegen eine Abhängigkeit von den USA und von Westeuropa, die sie, selbst, wenn sie diesen Krieg gewinnen KÖNNTE, lediglich zementieren würde.

Führende Militärexperten, wie z.B. US-General Mark Milley oder Ex-General Kujat, sagen jedoch, dass keine der beiden aktiven Kriegsparteien diesen Krieg gewinnen kann. Es wird also nur das Sterben verlängert!                                       

Und deshalb frage ich:
IHR VERFECHTER VON WAFFENLIEFERUNGEN, WIE VIEL MENSCHENLEBEN IST EUCH DIESER KRIEG DENN WERT? WANN IST AUCH EURE SCHMERZGRENZE ERREICHT?

Wir als Friedensbewegung möchten, dass das Sterben aufhört!
Aus Solidarität mit den für fremde Interessen missbrauchten Menschen der aktiv beteiligten Kriegsparteien fordern wir von unserer Regierung:
                                                    

  • ein Stopp der Waffenlieferungen!
  • keine Aufrüstung (statt dessen muss Abrüstung erfolgen)!
  • ein Ende der Wirtschaftssanktionen!
  • Wir fordern von unserer Regierung, dass sie sich für einen Waffenstillstand OHNE Vorbedingungen und für Verhandlungen einsetzt!

Wer Vorbedingungen fordert, fordert Kapitulation, aber keine Verhandlungen. Und das bedeutet, dass das Töten weitergeht!

Wir sehen auch deutlich die Gefahr der Ausweitung des Krieges auf Europa und ganz besonders auf Deutschland (DL) als Standort wesentlicher Militärstützpunkte der USA,
wie Fliegerhorst Büchel, wo US-amerikanische Atomraketen stationiert sind, und Airbase Ramstein, von wo aus die USA mit Unterstützung des BND Drohneneinsätze steuern.
Ein solcher 3. Weltkrieg wäre höchstwahrscheinlich mit dem Einsatz von Atomwaffen verbunden.
 
Die Friedensbewegung muss alles dafür tun, solch ein Szenario zu verhindern! Denn Frieden ist Lebensschutz!
                                                                  
Mit großer Sorge beobachten wir einen erstarkenden Militarismus in DL und anderen NATO-Ländern, verbunden mit einem Rechtsruck, v.a. in der Außenpolitik. Während unsere Regierung von Solidarität mit der Ukraine redet, werden die Grenzen für Flüchtlinge aus anderen Regionen erbarmungslos geschlossen und vom Krieg gebeutelte Länder, wie z.B. Syrien, mit Sanktionen belegt. Das ist eindeutig auch ein Ausdruck von Rassismus!

Wir müssen auch erkennen, dass durchaus die reale Gefahr besteht, dass sich bei uns wieder FASCHISMUS etablieren könnte, oder besser gesagt, etabliert werden könnte. Diese Gefahr droht, wenn die Mittel der bürgerlichen Demokratie nicht mehr ausreichen, um die Ziele des Finanzkapitals gegenüber uns, der Bevölkerung, durchzusetzen.
                                                                  
Es wird immer wieder versucht, den Unterschied zwischen linkem und rechtem Protest zu verwischen und die Friedensbewegung der Nähe zur AFD zu bezichtigen.

Die AFD als Partei am rechten Rand mit völkischem Flügel und teilweise neonazistischem Gedankengut vertritt jedoch v.a. die Interessen deutscher und allenfalls europäischer Konzerne. Da diesen ein militärischer und Wirtschaftskrieg in Europa besonders schaden würde, wendet sich die AFD gegen diesen Krieg und auch gegen die Wirtschaftssanktionen. Dass sie damit vorgaukelt, sie sei antimilitaristisch, würde linke Positionen vertreten und dass sie sich damit als Kämpfer für Frieden und soziale Gerechtigkeit inszenieren kann, stellt eine Win-Win-Situation für sie dar. Hiermit verunsichert sie auch Sympathisanten linker Politik und zieht sie auf ihre Seite. Dabei wird übersehen, dass es der AFD nicht um einen internationalen Frieden über Europa hinaus geht, sondern dass sie in ihrem Wesen nationalstaatlich, militaristisch und gewaltbereit ist.

So erklärt sich auch, dass DL einerseits Vasall der USA ist, unterstützt durch die Transatlantiker unter unseren Politikern als Lobbyisten multinationaler und z.T. US-dominierter Konzerne (dazu gehört übrigens auch Rheinmetall), und trotzdem der deutsche Imperialismus durchaus auch eigene Interessen verfolgt, die sich nicht immer mit den US-amerikanischen decken. Besonders strebt er die Vormachtstellung in Europa an, vor allem militärisch. Die nach außen zur Schau gestellte Einigkeit der NATO-Staaten entspricht nicht den Tatsachen.

Wir als Friedensbewegung stehen vor der schwierigen Aufgabe, dies den Menschen, auch den Wählern und Sympathisanten der AFD, die wir nicht aufgeben dürfen, zu vermitteln, uns aber trotzdem von rechts abzugrenzen!
Wir dürfen uns dabei nicht durch Diffamierungen, wir seien rechts offen, verunsichern lassen - und DAS durch eine Politik, die es zulässt, dass Nazis demonstrieren dürfen, wie z.B. jedes Jahr am 16. Januar in Magdeburg, wo eine Partei, wie die AFD, in den Bundestag gewählt werden konnte und wo es nicht wenige Rechtsextreme in der Bundeswehr gibt!

Wir sind auch nicht antiamerikanisch. Wir wenden uns zwar gegen die militaristische und kriegstreiberische Politik der USA, denn wer kann ernsthaft die Regimechangepolitik und die zahlreichen Kriege der USA leugnen, aber wir fühlen uns verbunden mit der amerikanischen Bevölkerung, so wie mit der der Ukraine, Russlands und aller anderen Nationen, denn: WIR VERTRETEN EINE INTERNATIONALISTISCHE POSITION!
Und wir müssen den Austausch mit den Friedensbewegungen anderer Länder suchen.
                                                    
Als Friedensbewegung brauchen wir ein breites Bündnis. Nur so können wir die Beendigung des Ukrainekrieges erzwingen und einen 3. Weltkrieg sicher verhindern. Deshalb vereinigen wir uns unter dem kleinsten gemeinsamen Nenner:
Keine Waffenlieferungen, Abrüstung statt Aufrüstung, keine Sanktionen.

Das Friedensmanifest und die Friedenskundgebung von Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer waren ein Auftakt, der Hoffnung gibt. Die hasserfüllte Hetze in den Medien ist ein Zeichen für ihren Erfolg. Denn sie haben Angst, unsere Machthaber, Angst vor Massenprotesten. Und darum dürfen wir nicht locker lassen!!
Statt des Vorwurfs an Wagenknecht und Schwarzer, dass vereinzelt AFD-Politiker ihr Friedensmanifest unterschrieben haben und auf ihrer Kundgebung erschienen sind, sollte man dies brandmarken als das, was es ist: Eine bewusste Aktion der AFD, als Trittbrettfahrer den Unterschied zwischen linkem und rechtem Protest zu verwischen!
                                                                 
Wir müssen auch auf Gewerkschaften und Streikbewegungen zugehen und unsere Friedenslosungen dort hineintragen, denn die soziale Frage muss mit der Friedensfrage gekoppelt werden!

Das gleiche gilt für die Umweltbewegung, auch wenn fff von den Grünen dominiert und in DL von Luisa Neubauer, einer Grünen, die leidenschaftlich für Waffenlieferungen eintritt und Doppelmoral rechtfertigt, angeführt wird.

Wir linken Kräfte in der Friedensbewegung wissen, dass es keinen friedlichen Kapitalismus gibt, genauso wenig, wie einen grünen!
           
Sozialismus und Kommunismus sind nicht für immer gescheitert, sondern lediglich der Versuch, eine solche Gesellschaft zu errichten, scheiterte aufgrund äußerer Bedingungen und eigener Fehler. Sozialismus und Kommunismus sind alternativlos, denn sie entsprechen der Sehnsucht der Menschen nach einer friedlichen Gesellschaft mit sozialer Gerechtigkeit und gleichen Entwicklungschancen für alle, in der nicht Profit, sondern der Mensch im Mittelpunkt steht!

Das müssen wir wieder laut und selbstbewusst aussprechen!

Und so bin ich wieder beim Motto unseres diesjährigen Ostermarsches:

Kapitalismus, Waffen und Krieg sind das Problem und nicht die Lösung!

Enden möchte ich mit einem Gedicht, dass ich aufgrund der drohenden Gefahr eines 3. Weltkrieges für diesen Ostermarsch geschrieben habe:

Als die Angst umging, schien die Sonne so hell
und das Eichkätzchen sprang im Geäst.
Als die Angst umging, ach, da liefen sie schnell
und erfüllten ganz still ihre Pflicht.
Als die Angst umging, da marschierten sie laut,
ihre Stiefel, sie glänzten so rein.
Als die Angst umging, nickten zu viele stumm
und ganz einsam verhallte ein „Nein“.

Als die Angst umging, ja, da gab es sie noch,
heute gibt’s nicht mal mehr Sonnenschein.

Das, liebe Freunde, dürfen wir nicht zulassen!

 

 

 

Sabine Zimmerhäkel ist aktive BI Offene Heide.