Veranstaltung zum Inkrafttreten des Atomwaffenverbotsvertrags am 22.Januar 2021 in Würzburg

 

Atomwaffenverbotsvertrag und Atomwaffenfreie Zone

 

- Sperrfrist: 22.01.2021, 14 Uhr! -
- Es gilt das gesprochen Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Am 7. Juli 2017 haben 122 Staaten auf der United Nations Conference to Negotiate a Legally Binding Instrument to Prohibit Nuclear Weapons den Atomwaffenverbotsvertrag verabschiedet. In der entsprechenden Erklärung heißt es ausdrücklich, die Vereinbarung solle zur vollständigen Beseitigung dieser Waffen führen. Ich selber würde nicht so sehr von Waffen sprechen, sondern von Mitteln der Zerstörung in der atomaren Erpressungswelt, die sich selbst zum Zweck erheben und mit ihrer Logik die Menschheit niederdrücken. In seinem Philosophieren nach Auschwitz und Hiroshima gibt der Philosoph und Pädagoge Georg Picht zu bedenken, denkenden Menschen sei Hiroshima ein Signal für jene Katastrophen, die durch ahnungslosen Umgang mit den Machtmitteln ausgelöst werden, die Wissenschaft und Technik uns in die Hand gegeben haben. Picht fährt fort, selbst wenn es gelingen sollte, den Atomkrieg zu vermeiden, würden durch die blinde Expansion von Wissenschaft und Technik und die Rüstungsdynamik destruktive Prozesse in Gang gesetzt, die das Überleben der Gattung Mensch bedrohen. ( 1 ) In seinem vor vier Jahrzehnten erschienenen Buch fügt Picht gleich an, die ökologische Krise zeige uns im Spiegel, wie es hinter dem Rücken der modernen Wissenschaft und ihres Bewusstseins aussehe.

Dem „Triumph des radikal Bösen“ wollte schon früher Theodor W. Adorno, dessen „atonaler Philosophie“ Picht in einer anderen Abhandlung gedenkt, in die Parade fahren. Picht versucht das in seiner Abhandlung „Weltordnung ohne Krieg – eine Herausforderung an die Friedensforschung“, in der es heißt, durch neue Formen von Herrschaft über die Natur habe die Menschheit eine negative Verfügungsgewalt über die Totalität ihres eigenen geschichtlichen Daseins gewonnen: sie habe die Macht erlangt, die Bedingungen menschlichen Lebens auf diesem von uns bewohnten Planeten zu zerstören. ( 2 ) Picht widersprach dem „Trieb zur Selbstdestruktion“ und stimmte Carl Friedrich von Weizsäckers Gedanken zu, die Weltordnung ohne Krieg sei die Lebensbedingung der Gesamtverfassung der technischen Welt, die Drohung mit Krieg und Gewalt widerspreche zentralen menschlichen Werten.

Ich bin zu Pichts Philosophieren gelangt, weil er – wie Albert Einstein – sah, dass der technische Fortschritt sich dort am furchtbarsten auswirkt, wo er die Mittel zur Vernichtung von Menschenleben liefert, und mit ihm bekundete, ein Verbot der Atomwaffen müsse mit der Ächtung des Kriegs verbunden werden. ( 3 ) Zudem nahm er intensiv die ökologische Krise wahr in dem Kontext seiner Suche nach einer Weltfriedens-Ordnung. An dieser Stelle kann ich anfügen, dass der Internationale Gerichtshof in seinem Nuklearwaffen-Gutachten aus dem Jahr 1996 auch das Schutzgut Umwelt anerkannt hat. In diesem Gutachten, dessen Bedeutung für den Verbotsvertrag nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, heißt es deshalb:

„The Court also recognizes that the environment is not an abstraction but represents the living space, the quality of life and the very health of human beings, including generations unborn. The existence of the general obligation of States to ensure that activities within their jurisdiction and control respect the environment of other States or of areas beyond national control is now part of the corpus of international law relating to the environment.“ ( 4 )

Der Verbotsvertrag hat zu tun mit einer Stärkung des sogenannten Umweltvölkerrechts, des globalen Umweltschutzes. Bekanntlich hat die Konferenz von Rio de Janeiro von 1992 das Konzept der nachhaltigen Entwicklung etabliert.

Bei dieser Andeutung muss ich es heute belassen. In einem zweiten Teil komme ich auf atomwaffenfreie Zonen zu sprechen. Der Atomwaffenverbotsvertrag erhebt die Forderung nach einem sogenannten Global Zero, einer Welt ohne Nuklearwaffen. Ich erinnere daran, dass in dem Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland vom 12. September 1990 ( 5 ) in dem Kontext der 2 + 4-Verhandlungen vereinbart worden ist, dass die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik ihren Verzicht auf Herstellung und Besitz von und auf Verfügungsgewalt über atomare, biologische und chemische Waffen bekräftigen (Art. 3 Abs. 1 Satz 1; Art. 5 Abs. 3 „Zwei-plus-Vier-Vertrag“). Ausdrücklich wurde erklärt, dass auch das vereinte Deutschland sich an diese Verpflichtungen halten werde.

Es ist vielen nicht bekannt, dass seit dem Ende der 1950er Jahre eine Reihe von Verträgen abgeschlossen worden ist, in denen der kernwaffenfreie Status für staatsfreie Räume oder für die Hoheitsgebiete mehrerer Staaten einer bestimmten Weltregion aufgenommen wurde. In Art. VII des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (1. Juli 1968) wurde das Recht von Staatengruppen zum Abschluss von Verträgen zur Sicherstellung der völligen Kernwaffenfreiheit ihrer Territorien ausdrücklich bekräftigt. Der UN-Sicherheitsrat hat in seiner Resolution 1887 (2009) vom 24. September 2009 betont, dass die Schaffung von kernwaffenfreien Zonen einen Beitrag für Sicherheit und Frieden auf regionaler und globaler Ebene, zur Stärkung des Nichtverbreitungsregimes für Nuklearwaffen und zu deren Abrüstung leistet. ( 6 ) Die UN-Generalversammlung hat in ihrer Resolution vom 11. Dezember 1975 wesentliche Merkmale einer nuklearwaffenfreien Zone definiert, die ich hier nicht zusammenfassen muss.

Mir geht es darum, Ihre Aufmerksamkeit darauf zu richten, dass hinsichtlich staatsfreier Räume in mehreren Verträgen die Nuklearwaffenfreiheit dieser Gebiete festgelegt wurde. Ich erwähne hier nur Art. V des Antarktisvertrags vom 1. Dezember 1959, Art. IV des Weltraumvertrags vom 27. Januar 1976. Hinsichtlich staatlicher Räume ist zu verweisen auf den Vertrag von Tlatelolco vom 14. Februar 1976, mit dem eine kernwaffenfreie Zone für Lateinamerika und die Karibik errichtet wurde. Mit dem Vertrag von Rarotonga vom 17. August wurde eine kernwaffenfreie Zone für den Südpazifik geschaffen. Im südostasiatischen Raum wurde mit dem Vertrag von Bangkok vom 15. Dezember 1995 eine kernwaffenfreie Zone errichtet, mit dem Vertrag von Pelindaba vom 11. April 1996 eine solche für den ganzen afrikanischen Kontinent. ( 7 ) Dass der frühere polnische Außenminister Adam

Rapacki vor der UN-Generalversammlung einen Plan zu einer begrenzten Demilitarisierung Mitteleuropas, der die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone beinhaltete, die Polen und die beiden deutschen Staaten umfassen sollte, im Jahr 1957 präsentierte, habe ich als Jugendlicher nicht übersehen.

Nuklear bewaffnete Staaten sind an Garantiezusagen gebunden wie die Achtung der Kernwaffenfreiheit und die Nichtanwendung von Kernwaffen gegen die Zone. In einem Schreiben vom 23. November 2020 habe ich gegenüber der Friedensgruppe „Ohne Rüstung leben“ angeregt, Verhandlungen zu einem Vertrag über eine kernwaffenfreie (atomwaffenfreie) Zone zu initiieren. Diese Zone sollte Mitteleuropa bzw. einen Teil Mitteleuropas umspannen (z.B. Schweden, Dänemark, Polen, die Niederlande, Österreich und Deutschland). Nach meinen Vorstellungen sollten verschiedene Friedensgruppen sich zusammenschließen und einen Vorschlag ausarbeiten, öffentlich diskutieren und verbreiten, dem Bundestag und der Bundesregierung zuleiten.

Auch bei dieser Ausarbeitung des Konzepts einer Atomwaffenfreien Zone Mitteleuropa ist der Zusammenhalt der verschiedenen Friedensgruppen unabdingbar, wie er sich auch heute zeigt.

Nachwort:

In seinem Buch „Die Atombombe und die Zukunft des Menschen“ stellt der Arzt und Philosoph Karl Jaspers fest, dass zwar der Grundvorgang des Unheils auf den ersten Blick der Fortschrittsprozess der Technik sei; doch die Technik, durch den Menschen hervorgebracht, bedrohe ihn durch sich selbst, nicht an sich. Von daher lautet der Appell an die umgreifende Vernunft, der Mensch selbst solle (und könne) anders werden. (München 1958, S. 258)

Vielen Dank!

 

Anmerkungen:

( 1 ) Georg Picht, Vorwort, in: Hier und Jetzt. Philosophieren nach Auschwitz und Hiroshima I, Stuttgart 1980, S. 9. – Unbestreitbar besteht eine signifikante Affinität zwischen dem Industrialismus, seiner Expansionslogik und der militärischen Hochrüstung. Das herrschende (aggressive) Verteidigungskonzept nicht nur der NATO ist denkbar nur auf der Basis einer dynamisch expandierenden Großtechnik und Großindustrie. (Johano Strasser / Klaus Traube, Die Zukunft des Fortschritts. Der Sozialismus und die Krise des Industrialismus, Bonn 1981, S. 347)

( 2 ) Picht, „Weltordnung ohne Krieg“, in: ders., Hier und Jetzt. Philosophieren nach Auschwitz und Hiroshima II, Stuttgart 1981, S. 179

( 3 ) Arnold Köpcke-Duttler, Atomwaffenverbot und Ächtung des Kriegs. Drei Lehrer der Menschlichkeit: Einstein – Gandhi – Jaspers. Blog der deutschen Sektion der internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges –Ärzte in sozialer Verantwortung, veröffentlicht am 21/09/2020

( 4 ) ICJ, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, Gutachten vom 8.7.1996, ICJ Rep. 1996, 226 (241 f.), zitiert nach Knut Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl. München 2018, S. 1076

( 5 ) Bundesgesetzblatt 1990 II, S. 1318

( 6 ) Ipsen, Völkerrecht, a.a.O. S. 1217; Thielicke, in: Vereinte Nationen 2010, S. 175 – 180

( 7 ) ebd. S. 1217 ff.

 

Prof. Dr. Arnold Köpcke-Duttler isr Rechtsanwalt und Diplom-Pädagoge.