Redebeitrag bei der Kundgebung zum Inkrafttreten des Atomwaffenverbotsvertrages vor dem Bonner Rathaus am 22. Januar 2021

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreund*innen,

Wir feiern heute das Inkrafttreten eines Vertrages, der nur durch jahrelanges Engagement der weltweiten Antiatomwaffenbewegung möglich wurde. Ein Vertrag, den es ohne Menschen wie euch, die ihr hier versammelt seid, und die Organisationen, die ihr vertretet, nicht geben würde.

Und ein Vertrag, der ohne Frauen so vielleicht nie zustande gekommen wäre. Denn unter denjenigen, die in den letzten Jahren auf politischer Ebene besonders prominent für den Vertrag gekämpft haben, finden wir auffällig viele Frauen.

So nahmen etwa 2017 in Oslo zwei Frauen den Nobelpreis für ICAN, die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, entgegen: Beatrice Fihn, Direktorin von ICAN und unermüdliche Lobbyistin für den Frieden, und die Hibakusha Setsuko Thurlow, Überlebende des Atombombenabwurfs auf Hiroshima, den sie als erst 13-jähriges Mädchen miterleben musste und der sie zur lebenslangen Aktivistin machte.

Auch hier in Deutschland hat die Antiatomwaffenbewegung etwa mit der langjährigen IPPNW-Geschäftsführerin Xanthe Hall, der DFG-VK-Aktivistin Marion Küpker und der Faktenexpertin Regina Hagen viele weibliche Gesichter, die nicht nur im Hintergrund die Strippen ziehen, sondern auch öffentlich oder in politischen Advocacy-Gesprächen prominent auftreten.

An dieser Stelle möchten wir diesen Frauen, stellvertretend für so viele andere weltweit, deshalb ganz herzlich Danke sagen: Ohne euch wären der Vertrag und wir heute nicht hier.

Atomwaffen werden seit jeher mit Macht und Stärke assoziiert. Attribute, die in einem binären Geschlechtersystem traditionell männlich besetzt sind. Deshalb wird auch der Besitz von Atomwaffen gerade von männlichen Politikern immer wieder als Zeichen von Macht und Stärke hervorgehoben, und zwar nicht nur von staatlicher Macht, sondern auch von persönlicher Stärke – oder, um noch konkreter zu werden – von persönlicher Potenz:

Vor fast genau drei Jahren, am 03. Januar 2018, twitterte der damalige US-Präsident Trump, gerichtet an den nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un: „I too have a Nuclear Button, but it is [a] much bigger and more powerful than his“. Auf Deutsch: „Auch ich habe einen Atomwaffenknopf, aber meiner ist größer und mächtiger als seiner.“ --- Meiner ist größer als seiner – der Atomwaffenvergleich als Penisvergleich der internationalen Politik.

Die Forderung nach Abrüstung dieser Waffen wird parallel dazu von ihren Gegner*innen mit weiblich assoziierten Eigenschaften beschrieben: Nukleare Abrüstung sei politisch naiv, träumerisch und überhaupt ein Zeichen von Schwäche. Eigenschaften, mit denen sich niemand gern, vor allem kein männlicher Politiker, assoziieren lassen.

Wir alle hier sind jedoch davon überzeugt: Es ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Zeichen von Stärke, sich der Aufrüstungsspirale entgegenzustellen und aktiv aus ihr auszusteigen. Es ist nicht naiv, sondern eine bittere Notwendigkeit, sich mit den humanitären und ökologischen Folgen eines möglichen Atomwaffeneinsatzes auseinanderzusetzen und diese in politischen Debatten auch immer wieder einzubringen. Und es war nie träumerisch, ein Verbot dieser schrecklichen Waffen zu fordern: denn seit heute ist es da, seit heute sind Atomwaffen verboten, und der Traum, der vielmehr immer ein konkretes, festes, klares politisches Ziel war, ist völkerrechtlich verbriefte Realität geworden.

Von den Mitgliedern der deutschen Bundesregierung und von allen demokratischen Parteien fordern wird: Zeigt auch ihr Stärke! Nicht die vermeintliche Stärke der Aufrüstung. Sondern die Stärke, den Abzug der US-amerikanischen Atomwaffen in Büchel endlich einzufordern, so wie es bereits 2010 einstimmig im Bundestag beschlossen wurde. Die Stärke, den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen, obwohl die meisten eurer westlichen Bündnispartner dagegen sind. Die Stärke, die Unterzeichnung auch von ihnen zu fordern. Und schließlich die Stärke, auch grundsätzlich Nein zu sagen zum Einsatz von militärischer Gewalt. Denn Militär und Waffen machen unsere Welt nicht sicherer.

Das Motto des Frauennetzwerk für Frieden lautet: „Kriege werden von Menschen gemacht. Frieden auch.“ Dieser Vertrag des Friedens, der heute offiziell Völkerrecht wird, wurde von so vielen Menschen gemacht. Und wir sind froh, dass wir sein Inkrafttreten mit einigen von diesen Menschen heute hier feiern können.

Vielen Dank.

 

Kira Lizza ist aktiv beim Frauennetzwerk für Frieden in Bonn.