Redebeitrag bei der Kundgebung zum Inkrafttreten des Atomwaffenverbotsvertrages vor dem Bonner Rathaus am 22. Januar 2021

 

- Sperrfrist: 22.01.2021, 14 Uhr! -
- Es gilt das gesprochen Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

In Büchel – 80 km von Bonn entfernt – wird jedes Jahr der Atomkrieg geübt. Tornado-Piloten der Bundeswehr üben, wie man die massenmörderischen Atombomben ins Ziel des Gegners fliegt. Auch 2020, im Oktober, fand das Atomkriegsmanöver statt. In Büchel und in Nörvenich. Und in Büchel wurde erstmals mit Patriot-Raketen geübt, wie man diesen Atomstandort gegen Angriffe verteidigt. Denn man weiß: Atomraketen sind Magneten. Im Ernstfall versuchen die sich atomar zerstörenden Staaten das Nuklearpotential der Gegenseite möglichst früh zu vernichten.

Soldaten haben eine Taschenkarte mit den völkerrechtlichen Grundlagen für ihren Einsatz. Bis vor einigen Jahren (2008) stand darin wörtlich, dass Bundeswehrsoldaten niemals Atomwaffen einsetzen dürfen. Offensichtlich hatten einige Offiziere auf der Hardthöhe das Völkerrecht verstanden. Denn schon der Internationale Gerichtshof hat 1996 den Einsatz von Atomwaffen als generell verboten gebrandmarkt. Jeder denkbare Einsatz der Atombomben von Büchel ist mit den humanitären Grundsätzen des Völkerrechts unvereinbar! Befehle zum Einsatz von Atombomben sind rechtswidrig und dürfen nicht befolgt werden! Deshalb haben wir die Soldaten in Büchel letztes Jahr aufgerufen, die Beteiligung an Atombombenübungen zu verweigern.

Doch diese Taschenkarte (mit dem Verbot jeglichen Atomwaffeneinsatzes) wurde von der Bundeswehr wohl auf Anordnung der Bundesregierung wieder aus dem Verkehr gezogen.

Zur Beruhigung von Soldaten und Bevölkerung wird seitens der Bundesregierung gelogen.

Die Regierung lügt, wenn sie behauptet, die humanitären Regeln aus den Genfer Konventionen und deren Zusatzprotokollen würden nur für konventionelle Waffen gelten.

Die Regierung lügt, wenn sie behauptet, die Bomben in Büchel seien kein Bruch des Atomwaffensperrvertrags, weil Deutschland ja keine alleinige Verfügungsgewalt habe.

Die Regierung lügt, wenn sie behauptet, der Atomwaffensperrvertrag würde im Ernstfall gar nicht mehr gelten.

In dieser Zeit, in der Verträge zur Begrenzung der Atomrüstungen gekündigt werden, in der neue zielgenauere lenkbare Atombomben gebaut werden, die auch nach Büchel kommen sollen, in der die Bundesregierung für Milliarden neue Atombomber anschaffen will, in dieser Zeit gibt es nur eins: Ein klares und eindeutiges NEIN zu allen atomaren Massenvernichtungswaffen! Das ist nicht nur völkerrechtlich, sondern auch ethisch geboten!

Als pax-christi-Vertreter will ich darauf hinweisen, dass die Kirchen nach langer, ja viel zu langer Duldung der Atomrüstung heute ein klares NEIN zu Atomwaffen sagen und Deutschland zum Beitritt des Verbotsvertrags aufgefordert haben. Papst Franziskus hat diese Waffen schon 2019 in Hiroshima eindeutig verurteilt und in dieser Woche erneut deren vollständige Ächtung und Abschaffung als moralische und humanitäre Pflicht gekennzeichnet. Der Vatikan ist als einer der ersten Staaten dem Verbotsvertrag beigetreten.

Bringen wir die Forderung nach weltweiter Ächtung aller Atomwaffen in den anstehenden Bundestagswahlkampf ein. Fordern wir von den Parteien eindeutige Aussagen.

Fordern wir von der Regierung den Beitritt zum Verbotsvertrag, die Aufkündigung der nuklearen Teilhabe, die in Wahrheit eine nukleare Gefangenschaft bedeutet, und fordern wir den sofortigen Abzug der Atombomben aus Büchel! Dafür lasst uns gemeinsam streiten! Demonstriert auch in diesem Jahr gegen Atombomben - in Büchel selbst und auch beim nächsten Bonner Ostermarsch! Und zeigt Solidarität mit denen, die wegen Aktionen zivilen Ungehorsams strafrechtlich verfolgt werden! - Unterstützt unsere bundesweite Kampagne: Büchel ist überall! - Atomwaffenfrei jetzt!

Vielen Dank!

 

Martin Singe ist aktiv bei der Pax Christi Gruppe Bonn.