Redebeitrag für den dezentralen Aktionstag der Friedensbewegung am 1. Oktober 2022 in Berlin

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,

Von Berlin gingen zwei Weltkriege aus. Hier wurden deutsche Weltmachtträume auf Kosten von 10 Millionen getöteter Menschen im Ersten und 70 Millionen im Zweiten Weltkrieg geplant und von hier aus kommandiert. In beiden Weltkriegen war Russland beziehungsweise die Sowjetunion der Gegner. Und heute?

Wieder Weltmachtträume?

Es gibt Indizien dafür, das anzunehmen. Kanzler Scholz und die Ampel-Koalition haben ihr Füllhorn über die Bundeswehr ausgeschüttet. 100 Milliarden Euro für neue Waffen, im Grundgesetz verankert, sollen dazu dienen, gigantische Rüstungsvorhaben über viele Jahre abzusichern und dazu beitragen, dass zwei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung dauerhaft ins Militär fließt. Das bedeutet einen gewaltigen Anstieg der Ausgaben. Konkret: in der Vergangenheit, also seit 2014 war der Anstieg pro Jahr im Durchschnitt 7,5 Prozent, von jetzt auf 2023 wird der Anstieg doppelt so hoch sein: 15 Prozent. Und in realen Zahlen heißt das: In diesem Jahr sind es 55,6, im nächsten 64 Milliarden Euro. Das wären erst 1,6 Prozent. Kaum bekannt ist, dass die zwei Prozent im Durchschnitt von fünf Jahren erreicht werden sollen. Da man in diesem Jahr und im nächsten da drunter bleibt, muss man in den folgenden Jahren mehr als zwei Prozent ausgeben. Nach einem bisschen Rechnen kommt man drauf: von 2023 auf 2024 ist mit einem Plus von rund 50 Prozent zu rechnen.

Meine Prognose: Wenn die Ampel sich selbst beim Wort nimmt, werden die deutschen Militärausgaben förmlich explodieren und die 100 Milliarden Euro-Grenze in zwei oder drei Jahren durchbrechen.

Diese Ausgabenhöhe würde sich entsprechend des Bruttoinlandsprodukts bis 2030 und weit darüber hinaus fortsetzen. Und damit wird ein langfristiger Plan verfolgt. Wie der aussieht, verkündete Scholz Ende Mai: „Deutschland wird in Europa bald über die größte konventionelle Armee im Rahmen der NATO verfügen.“ Das heißt, Großbritannien und Frankreich sollen mit dem Aufrüstungsprogramm überflügelt werden.

Der Ukrainekrieg liefert das Argument für die Finanzierung der gewaltigen Rüstungsprojekte, die schon seit Jahren aufgelegt sind, für die es aber bisher nur keine Finanzierung gab. Denn, während vor dem Ukraine-Krieg der Plan vorsah, erst in 10 Jahren die Verdopplung der konventionellen Schlagkraft der Bundeswehr erreichen zu wollen, wird dieses Ziel dank des vielen Geldes um Jahre vorgezogen. Erkennen kann man das daran, dass zwei der für 2031 der NATO versprochenen drei Heeres-Divisionen schon vier Jahre früher Gewehr bei Fuß stehen sollen.

Dazu kommen noch 35 Tarnkappenbomber F-35 für die Nukleare Teilhabe der NATO. Die sollen in den USA gekauft werden. Sie können US-Wasserstoffbomben erstmalig speziell gegen verbunkerte Ziele in Russland einsetzen. 15 Eurofighter kommen zur Ausschaltung der russischen Flugabwehr hinzu. Macht zusammen etwa 14 Milliarden Euro.

Die Marine soll auch was kriegen. Ihre Flotte wird drastisch vergrößert: bis 2032 bei Überwasserkampfschiffen um 80 Prozent, bei U-Booten um ein Drittel. Auffallend ist, dass die Kriegsschiffe immer größer werden und zunehmend von See an Land schießen können. Die Flotte soll weltweit dauerhaft einsetzbar werden.

Auffallend ist auch, dass das militärische Ausgreifen in den Pazifik sehr zunimmt, sowohl bei Marine und Luftwaffe als auch beim Heer - durch Teilnahme an Manövern. Generalinspekteur Zorn sagt: „So wollen wir unsere Präsenz in der Region verstetigen.“ Klarer Fall, die Bundeswehr wird auf China ausgerichtet.

Die für Deutschland kostspieligsten Projekte aber sind FCAS und MGCS. FCAS ist ein nuklearfähiges futuristisches Luftkampfsystem mit Kampfdrohnen wie den Eurodrohnen und Drohnenschwärmen, wobei Künstliche Intelligenz im Zentrum steht. Ein Riesengeschäft für Airbus, die das gemeinsam mit Dassault bis 2040 entwickeln sollen. Die Militärsparte von Airbus gilt übrigens vor allem als deutscher Konzern, der zwei Drittel des FCAS-Auftragsvolumens beansprucht. Ein Riesencoup also!

FCAS übertrifft an Gigantomanie alles. Mit 100 Milliarden Euro Entwicklungskosten und einem Umsatz von 500 Milliarden Euro wird es fünfmal gigantischer als das bisher größte europäische Projekt Eurofighter. Mit FCAS soll die EU unabhängig von den USA eine strategische Autonomie erringen. Ziel ist, kaum zu glauben, aber wahr, das Erreichen einer globalen Luftüberlegenheit. Scholz verfolgt FCAS ebenso „mit höchster Priorität“, das hat er in seiner Zeitenwende-Rede gesagt, wie das ebenfalls deutsch-französische Panzerprojekt MGCS. Hier will man unter deutscher Führung bis 2035 eine neue Generation von Kampfpanzern entwickeln, mit der dank des Einsatzes von Hochgeschwindigkeitswaffen und Robotik jede Panzerschlacht gewonnen werden soll.

Wieder Weltmachtträume?

Die Welt sollte wirklich aufhorchen. In letzter Zeit wurden vor allem führende Stimmen aus der SPD lauter, die von der EU eine „geopolitische Bedeutung“ einfordern, wie der SPD-Vorsitzende Klingbeil. Aber auch Scholz forderte, die Reihen zum Aufbau einer europäischen Verteidigung bei technologischer Souveränität zu schließen. Zitat Klingbeil: „Deutschland muss den Anspruch einer Führungsmacht haben.“

Die SPD-geführte Bundesregierung formuliert nichts weniger als den Anspruch, die EU mit Deutschland an der Spitze zu einer militärischen Weltmacht zu machen. Ein Jahrhundertprojekt. Leider hat’s bisher kaum jemand gemerkt. Sorgen wir mit dafür, dass diese Machenschaften bekannt werden. Nur so kann man sie noch verhindern.

Doch es kommt noch dicker: Der Hammer kommt von jenseits des Atlantiks. Mit der Stationierung von US-amerikanischen Hyperschallwaffen droht Europa ein Déja-vù. Wie vor 40 Jahren die Pershing II sollen sie nur einem Zweck dienen, die russische Führung mit einem Enthauptungsschlag eliminieren zu können. Dark Eagle hat 12 fache Schallgeschwindigkeit, ist im Flug manövrierfähig, kann nicht abgefangen werden, trifft mit konventionellem Gleitsprengkopf punktgenau. Diese Hyperschallwaffen sollen von Wiesbaden aus kommandiert werden. Die US-Soldaten dafür sind seit November im Land. Übrigens dieselbe Truppe mit ihren Kanonieren, die damals in Grafenwöhr für die Pershing II zuständig waren. Die Flugzeit von Bayern nach Moskau beträgt 10 Minuten. Im nächsten Jahr schon muss mit der Stationierung von Dark Eagle gerechnet werden. Das darf nicht passieren, weil es hochgradig destabilisierend in Europa wirkt und Russland geradezu zu militärischen Präventivmaßnahmen einlädt, die auf Deutschland zielen. Was wären die Folgen davon?

Die Bevölkerung hat von diesen US-Machenschaften bisher keine Ahnung. Es muss vor allem Öffentlichkeit erzeugt werden. Anfang der 80er Jahre war der Krefelder Appell deshalb so erfolgreich, weil er eine Einpunkt-Forderung beinhaltete, und Unterschriftensammlungen zur Mobilisierung führten. Neue Friedensinis entstanden in Stadt und Land, in Betrieben und Gemeinden. Ich finde, wir sollten wieder an dieser Methode anknüpfen.

Danke.

 

Lühr Henken ist aktiv bei der FriKo Berlin.