Redebeitrag für den dezentralen Aktionstag der Friedensbewegung am 1. Oktober 2022 in Stuttgart

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

In der Gefahr braucht man Gefährtinnen und Gefährten, daher:

Liebe Gefährtinnen und Gefährten,

Wie ist dieser Krieg zu stoppen, gegen den wir auf der Straße sind? Russland hat den Krieg begonnen und Präsident Putin ist dafür verantwortlich. Der Krieg verstößt gegen Völkerrecht. Wie alle Kriege tötet er Menschen, zerreißt Familien und zerstört die Zukunft junger Menschen, die in den Krieg ziehen müssen. Er hat die Hoffnung auf Frieden in Europa vorerst zunichte gemacht. Die geplante Annexion der besetzten Gebiete und die Teilmobilisierung in Russland bedeuten eine neue Stufe der Eskalation.

Wie gebietet man einem Angreifer Einhalt, der Krieg für gerechtfertigt hält? Wie stellt man sich zum Ruf der Angegriffenen nach Hilfe?

Wie man sich entscheidet: Man bleibt nicht unschuldig.

Wir demonstrieren gegen Waffenlieferung und Aufrüstung, für einen zukünftigen Frieden, für die Zukunft unserer Gesellschaft, in Europa und in der Welt! Weil die Zukunft der Menschheit bedroht ist, widersprechen wir der Politik unserer Regierung im Bündnis mit den USA. Krieg darf nicht die Antwort auf die Situation in Europa bleiben! Verhandeln statt schießen! Lasst uns der Logik des Krieges widerstehen!

Ich spreche für eine Initiative innerhalb der Evangelische Landeskirche in Württemberg. „Christ*innen sagen Nein zu Waffenlieferungen und Aufrüstung!“ so unsere Stellungnahme. Die Ev. Arbeitsgemeinschaft Kriegsdienstverweigerung und Frieden in Württemberg, sowie bisher 46 Pfarrerinnen und Pfarrer unserer Kirche haben sie unterzeichnet.

Wir sagen: Waffenlieferungen befeuern und verlängern einen grausamen Krieg. Er hat schon viel zu viele Opfer gekostet, und er wird noch unabsehbare Opfer kosten. Er ist auch ein Krieg um unsere Köpfe und Herzen. Seit Olaf Scholz mit seiner Rede von der „Zeitenwende“ am 27. Februar im Bundestag die Politik der militärischen Antwort auf den russischen Angriffskrieg für Deutschland, zusammen mit den USA und Europa, eingeleitet hat, sind wir in eine Eskalation der Gewalt geraten. Sie birgt von Anfang an das hohe Risiko atomarer Katastrophen.

Wir sagen daher: Krieg ist keine Option! Gerade deutsche Außenpolitik darf die Option von Verhandlungen niemals aus dem Blick verlieren. Es ist verantwortungslos, wie unsere Außenministerin davon spricht, Russland militärisch besiegen zu wollen und wirtschaftlich zu ruinieren.

Zusammen mit dem Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Friedrich Kramer aus Magdeburg sind wir gegen Rüstungsexporte in das Kriegsgebiert, und gegen die 100 Milliarden für Aufrüstung – sie werden keinen Frieden schaffen, so unsere christlich begründete Überzeugung. Jesus steht für den Frieden und nicht für Waffen. Die können auf Dauer keinen Frieden schaffen – sie dienen vor allem der Rüstungsindustrie und ihrer Lobby, und sie töten Menschen.

Bischof Friedrich Kramer sagt zu deutschen Rüstungsexporten – gegen die sich auch die württembergische Landeskirche in einer Stellungnahme von 2017 klar positioniert hat: Dass wir jetzt Waffen liefern und wieder auf den Feldern, wo durch deutsche Schuld Millionen von Russen, Ukrainern, Weißrussen, Usbeken verblutet sind, dass jetzt da wieder Waffen deutscher Herstellung im Einsatz sind, wieder russisches und ukrainisches Blut in die Erde fließt. Das finde ich unerträglich.

Wir anerkennen in diesem Konflikt auch die Mitverantwortung des Westens. Die deutsche Wiedervereinigung sollte eingebettet sein in ein gemeinsames Sicherheitskonzept in Europa. Das 1990 Gorbatschow gegebene Versprechen, die NATO nicht nach Osten zu erweitern, wurde vom Westen gebrochen.

In den Kirchen sprechen sich im Moment noch viele für den Einsatz von Waffen aus, um Russland Einhalt zu gebieten. Wir sagen: Es ist Aufgabe der Kirchen, die Konzepte ziviler Verteidigung und des gewaltfreien Widerstandes einzubringen und zu stärken. Sie sind erprobt und auch gut erforscht. Sie kosten um ein vielfaches weniger Opfer als der Krieg!

Zusätzlich zu den Toten auf den Schlachtfeldern sind die Opfer dieses Krieges unübersehbar: In den Hungersnöten in der Welt, in steigender Armut auch bei uns, in Milliarden für Rüstung statt für Bildung, Gesundheit, Wohnen, Sozial- und Klimapolitik, wo sie dringend benötig werden.Wir sagen: Dieser Preis ist zu hoch!

Krieg vernichtet und zerstört. Auch Natur und Ressourcen. Wir werden die für unsere Zukunft not-wendige Wende in der Klimapolitik auf diesem Kontinent langfristig nur gemeinsam mit Russland schaffen, wie sie weltweit nur gemeinsam geht! Das klingt momentan utopisch.

Für Christ*innen ist der Beweggrund jedoch genau ein utopischer Grund, die große Vision, ohne die wir nicht leben und um Zukunft kämpfen können: Dass wir als Menschenfamilie zu Solidarität und einer geteilten Zukunft gerufen sind. Unser Leben ist ein Geschenk. Wir dürfen nicht töten. Der andere, die andere ist mein Bruder, meine Schwester.

Das Gebot „Du sollst nicht töten“ bleibt für uns unaufhebbar. Nicht die Drohung mit der Atombombe ist unser Friede – Der gewaltlose Friede Jesu ist Grundlage und Vision unseres Handelns als Christinnen und Christen. – Ich danke Euch für Eure Aufmerksamkeit.

 

Susanne Büttner ist Ev. Pfarrerin und Dekanin im Justizvollzug Baden-Württemberg.