Praktikumsbericht von Alexander
So war das eben
So war das eben

Gerade befinde ich mich im Bachelorstudium der Politik an der Freien Universität Berlin. Nach fünf Semestern von denen nur das allererste nicht durch Corona beeinträchtigt wurde war ich ein bisschen nervös und verunsichert, noch kein Praktikum absolviert zu haben. Ich wollte es unbedingt in Präsenz machen, um in den Genuss der stressigen und monotonen Büroarbeit zu kommen. Der russische Angriff auf die Ukraine war ein böses Erwachen aus der Corona-Starre, ein Praktikum in einer Friedensorganisation bot sich als im Grunde einzige Option an.

In erster Linie deswegen, weil ich selbst aus Russland komme und dadurch mit dem Kremlregime sowie dem russischen Tyrannen besser vertraut bin als manch einer hierzulande. Also schaute ich mich nach entsprechenden Organisationen um, bei der Friedenskooperative gab es ab April einen vakanten Praktikumsplatz. In einem hochneurotischem Zustand schickte ich Anfang März meine Bewerbung ab, drei Wochen später trat ich im geschichtsträchtigen Bundesdorf mein Praktikum an.

Anfang April liefen die Vorbereitungen für die bundesweit stattfindenden Ostermärsche auf Hochtouren. Es gab eine Menge einzutüten, zu versenden, zu verkleben etc.. Emsig im „Maschinenraum der Friedensbewegung“ mitzuarbeiten, wie es deren Veteran Kristian ausdrückte, erfüllte mich trotz der zuerst anstrengenden, immerhin aber abwechslungsreichen Büroaufgaben mit Sinnhaftigkeit. Das war der Beginn jenes praktischen Teils meiner Arbeit, welches nach dem Ende der Ostermärsche am 18. April wellenartig ab- und zunahm, ohne jedoch das Niveau der ersten zwei Wochen zu erreichen.

Dafür ging mein Praktikumsprojekt an den Start: Die Blogserie mit dem etwas pathetischen Namen „Putins Krieg mit den Augen eines Deutschrussen“. Ich war bestrebt, die Perspektive eines mit Russland bestens vertrauten Menschen zu präsentieren, welcher die gegenwärtigen Geschehnisse ein Stückchen tiefer durchschauen bzw. einige Zusammenhänge in Bezug auf den von Putin entfesselten Krieg in der Lage zu erklären sein dürfte. Rückblickend würde ich sagen, dass das Hauptziel dieses Unterfangens gelungen ist: Ich konnte alle wesentlichen Gedanken zu Putins Krieg artikulieren, die es für mich zu artikulieren gab. Manche davon waren nicht trivial, sie kommen in den hiesigen Medien entweder zu kurz oder gar nicht vor. Die unnötigen Emotionalisierung und Skandalisierung galt es zu vermeiden, doch konnte und wollte ich die persönliche Ebene nicht gänzlich weglassen.

Am besten eingeschlagen ist der erste und vielleicht der wichtigste Text, in dem es um die Beweggründe Putins geht. Die Rückmeldungen, die ich daraufhin bekam, bestätigten mich in der Annahme, dass ich damit den Nerv mancher sogenannter Putin-Versteher*innen traf, die Putin für einen „fähigen Staatsmann“, meine Wenigkeit wiederum für ein Propagandaopfer und sogar einen „CIA-Krieger“ hielten. Ein besonderer Dank gebührt meinem Praktikumsbetreuer Marvin, der mir totale Redefreiheit selbst bei den heikelsten Themen gewährleistete. Damit habe ich in Anbetracht dessen, dass dem Netzwerk durch die Lektüre meiner Texte einige Putin-freundliche Fördermitglieder zwangsläufig abhandenkommen mussten, nicht gerechnet. Die wunderbaren Rückmeldungen höflich zu beantworten, war eine Aufgabe, die für das künftige Berufsleben recht wichtig ist (Stichwort: Krisenkommunikation). Ist mir leider nicht immer gelungen.

Das CIA-Agentendasein lässt sich überraschend gut mit dem des Laufburschen vereinbaren: Täglich radelte ich zur nahen Postfiliale, wo ich die sich variierende Briefmenge abgab. Ansonsten glich kein Tag dem anderen. Mal kamen Recherchenaufgaben auf mich zu, mal musste ich die Unterschriftenlisten abtippen oder bei der Buchhaltung mithelfen. Bei all den Aufgaben erfreute ich mich daran, dass ich im Gegenteil zu meinem Blog etwas sehr Konkretes und Praktisches mache. Langweilig wurde es natürlich nie, den Nachschub gab es immer: Man brauchte nur nachzufragen und da war die nächste Aufgabe.

Es freute mich sehr, die Arbeit einer unabhängigen und größtenteils durch Spenden betriebenen Friedensorganisation näher kennenzulernen. Jenseits der eigenen Aufgaben bekommt man verschiedene interne Abläufe mit, was einem wertvolle Einblicke in die Tätigkeit einer Nichtregierungsorganisation erlaubt. In einer größeren NGO bekäme man ein komplettes Bild womöglich nicht, weil die Hierarchie und Arbeitsaufteilung komplett anders sind. Apropos Hierarchie: Man hat kein Gefühl den Vorgesetzten untergeordnet zu sein und ist als Praktikan*in weitgehend gleichberechtigter Teil des Teams. Die Kolleg*innen sind alle zuvorkommend und hilfsbereit. Im neuen Büro – obschon ich das alte in der Römerstraße nie zu sehen bekam – ist der Platz reichlich vorhanden, man arbeitet mit hohem Komfort. Allen, die sich mit der Arbeit einer kleinen NGO vertraut machen möchten, kann ich ein Praktikum hier nur herzlich empfehlen.