ungehaltener Redebeitrag für den geplanten Bodensee-Ostermarsch in Überlingen am 13. April 2020

 

Nur mit Klimagerechtigkeit schaffen wir Frieden – Solidarität in der Corona-Katastrophe

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Der Ostermarsch 2020 musste abgesagt werden. Wer hätte sich das vorstellen können, dass ein kleiner Virus die ganze Welt lahm legen kann, Kontinent um Kontinent, Land um Land. Unsere Länder und alle umliegenden kämpfen gegen diese Krankheit, die bereits viele Tote gefordert hat. Auch wir leisten unseren Teil, indem wir uns nicht versammeln, sondern zu Hause bleiben. Corona bedroht aber nicht nur uns, sondern auch die Menschen in den Elendslagern auf den griechischen Inseln. Die Hilferufe hören wir schon längst, aber jetzt müssen wir endlich handeln. Die Menschen müssen aus diesen Lagern evakuiert werden, sonst droht eine gesundheitliche Katastrophe. Wir fordern deshalb unsere Regierungen auf, zusammen mit anderen europäischen Staaten, Griechenland in dieser Aufgabe zu unterstützen und zu entlasten, indem sofort MigrantInnen aus Griechenland aufgenommen werden.

Es ist absolut dringend, sonst droht aus der schon länger dauernden humanitären Krise ein enormes Gesundheitsproblem zu werden. Ob dieser akuten Gesundheitskrise ist das drängendste globale Thema, der Klimawandel, aus der Presse fast verschwunden. Aber die Brisanz ist geblieben. Denn die Erde kocht und wir heizen weiter kräftig ein. In der Schweiz, Deutschland oder Österreich verursacht eine Person durch ihren Konsum jedes Jahr zwischen 10.5 und 14 Tonnen klimaschädliches CO2 . Am anderen Ende der Liste sind die Länder des globalen Südens. Eine Person in Guinea oder Ruanda verursacht durch ihren Konsum weniger als 100 kg CO2 pro Jahr. In fast allen Staaten Afrikas liegt der Wert weit unter einer Tonne pro Kopf. Das Problem: Der Klimawandel ist nicht gerecht. Die Industrieländer blasen nicht nur aktuell viel mehr CO2 in die Atmosphäre, sondern auch schon seit über hundert Jahre ununterbrochen.

Den Klimawandel haben wir in den Industrieländern verursacht, den müssen auch wir bekämpfen. Denn der Klimawandel ist nicht gerecht. Wir hier am Bodensee haben jetzt zwar weniger Schnee im Winter und längere Trockenphasen im Sommer. Das Wasser zuhause aus dem Wasserhahn fliesst jedoch wann immer wir es benötigen. Ganz anders sieht es in den Ländern aus, die am wenigsten zur Klimaerhitzung beigetragen haben. Die Ernten verdorren, die Flüsse trocknen aus und die wenigen teilweise weit entfernten Wasserstellen bieten nur noch verschmutztes, abgestandenes Wasser, wenn überhaupt.

Die Klimagerechtigkeit gibt es nicht. An jeder Konferenz werden von den grössten Wirtschaftsblöcken wie USA, China oder der EU schöne Reden gehalten, ohne je konkret zu werden, wie sie ihre Verantwortung wahrnehmen wollen.

Gerechtigkeit sucht man vergebens. Schlimmer noch, die ganze Ausbeutung der Öl- und Gasvor-kommen hat zu einer weiteren Form des Kolonialismus geführt. Die Gewinne aus den Geschäften gehen nach wie vor in den Norden. Zudem herrscht bis heute nicht vollständige Transparenz darüber, wieviel Geld westliche Unternehmen direkt an die staatlichen Stellen zahlen, um Rohstoffe gewinnen und handeln zu können. Oft geht das Geld an korrupte Machthaber, die sich auf diese Weise am Volksvermögen bereichern. Korruption führt zu Unterdrückung, Ausbeutung und Krieg. Die Bevölkerung bleibt in der Armut oder wird vertrieben. Wir fordern deshalb eine totale Transparenz über alle Zahlungen zwischen Unternehmen und staatlichen Stellen, insbesondere die Schweiz hinkt da deutlich hinterher. Das dürfen wir nicht akzeptieren. Wollen wir globale Gerechtigkeit, müssen wir dafür sorgen, dass die Gewinne von heute jetzt bei der Bevölkerung ankommen.

Klimagerechtigkeit heisst auch, dass die Industrieländer die am Pariser Gipfel versprochene finanzielle Unterstützung von jährlich 100 Milliarden Dollar den Entwicklungsländern zur Verfügung stellen. Damit können die Länder Massnahmen ergreifen um selber die Treibhausgase zu vermindern und notwendige Anpassungen an den Klimawandel vorzunehmen. Bereits drückt sich z.B. die Schweiz davor und nimmt die versprochenen Millionen aus der Kasse der Entwicklungshilfe. So war das aber nicht gemeint. Das Geld war versprochen als zusätzliche Unterstützung.

Die Länder des Südens brauchen Unterstützung beim Ausbau von erneuerbaren Energien. Mit Solaranlagen kann rasch auch in entlegenen Gebieten ein Fortschritt erzielt werden. Davon könnten Frauen besonders profitieren, weil der Zugang zu Informationen und Bildung einfacher wird, weil sie strenge Arbeiten durch elektrische Maschinen erledigen können, weil bei elektrischem Licht viele Arbeiten einfacher erledigt werden können.

Die Klimagerechtigkeit kommt nicht von allein. Wenn wir nichts tun, leidet der ärmere Süden deutlich mehr als wir. Wasserknappheit und Ernährungssicherheit werden noch mehr Bedeutung bekommen. Wenn wir uns für die Klimagerechtigkeit einsetzen, dann können wir Verbesserungen erzeugen. Dann können wir dafür sorgen, dass die Kriege um das Öl nicht zu Kriegen um das Wasser werden. Dann können wir dafür sorgen, dass Entwicklung und Sicherheit zunehmen. Dazu braucht es Solidarität zwischen Norden und Süden.

 

Claudia Friedl ist Nationalrätin SP/SG, Mitglied Aussenpolitische Kommission des Schweizer Parlamentes, Umweltwissenschafterin.

 

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