Redebeitrag für die Ostermarsch-Mahnwache in Jagel am 10. April 2020

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Kriegsgegnerinnen lieber Kriegsgegner,

bevor ich zu meinem eigentlichen Thema komme möchte ich mir vergegenwärtigen, dass in jedem Jahr 3 Millionen Kinder unter 5 Jahren an den Folgen von Hunger und Unterernährung sterben. Auch heute werden 8.000 Kinder sterben. Sie könnten überleben, wenn die Nahrungsmittel gerecht verteilt würden. Obwohl ich das ständig bedenke habe ich die Arbeit gegen Aufrüstung und Krieg ins Zentrum meines politischen Handelns gestellt, denn es gibt Zusammenhänge zwischen Krieg und Aufrüstung auf der einen und Ressourcenverschwendung und Hunger auf der anderen Seite.

Geärgert habe ich mich über das Foulspiel der Ministerin Kramp Karrenbauer, die im Windschatten der Koronakrise die Anschaffung neuer Atombomber für die Bundeswehr über die Bühne bringen will. Hinterlistig missbraucht sie die Situation in der wir keine großen Demonstrationen dagegen organisieren dürfen. Zu zweit haben wir uns in Oldesloe am vergangenen Sonnabend gegen diese Aufrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen auf die Straße gestellt. Eine Kundgebung war uns untersagt worden. Viel PassantInnen signalisierten uns Zustimmung.

Ich freue mich, dass Ihr nach Jagel gekommen seid. Ihr habt Euch nicht in den Fernseh- oder Computersessel verbannen lassen. Wenn wir die atomare Aufrüstung erfolgreich bekämpfen wollen, müssen wir unsere Aktivitäten aber noch steigern. Wir müssen klar machen, die großen Bösewichte sitzen in Washington und Moskau, die etwas kleineren in Frankreich China, Groß Britannien, Indien, Pakistan, Israel und Nord Korea. Aber auch hier bei uns, in dem Staat für den wir mitverantwortlich sind, sitzen Bösewichte, die sich an der Planung und Vorbereitung von Atomkriegen beteiligen. Alle Bundesregierungen wollten diese Beteiligung an Atomwaffen, die mit dem Tarnbegriff nukleare Teilhabe kaschiert wird. Letztlich waren damit alle Bundesregierungen, auch die Rotgrüne, bereit einen Atomkrieg mit zu führen.

Die nukleare Teilhabe, dieses Relikt aus dem kalten Krieg, ist heute mehr als die 20 Atombomben in Büchel. Dazu gehört etwa die Beteiligung an der nuklearen Planungsgruppe der NATO sowie die Entwicklung eines gemeinsamen deutsch-französischen atomwaffenfähigen Kampfflugzeuges.

Zur Beteiligung am atomaren Rüstungswettlauf gehört aber auch die Zuarbeit durch die Bundeswehr für die in Rumänien und demnächst in Polen stationierten Antiraketenraketen (ABM). Auf allen Fregatten der Bundeswehr sind Sensoren, deren Daten in ein Computernetz eingespeist werden, das diese Antiraketenraketen steuern soll. Ziel dieser sogenannten Abfangraketen ist es, das atomare Pat aufzuheben. – In den wahnsinnigen Vorstellungen der Militärs geht es seit Jahrzehnten darum, einen Atomkrieg führbar und gewinnbar zu machen. Die gegnerischen Raketen sollen abgeschossen werden, die eigenen Treffen.

Dieses System des nuklearen Gleichgewichts ist ein gegenseitiges Geiselsystem. Es gibt leider Menschen, die an dieses System der gegenseitigen Abschreckung, der gegenseitigen Geiselnahme, glauben – sogar in der Friedensszene. Je nach politischer Ausrichtung sind immer die politisch gegnerischen die bösen Atomraketen, die des jeweiligen politischen Bündnispartners die guten. Ich bin nicht gläubig, ich misstraue diesem System. Letztlich wird durch die Existenz der Atomwaffen die gesamte Menschheit als Geisel genommen. Konsequenz: Die Atomwaffen müssen verschrottet werden – alle.

Mehrmals entgingen wir dem atomaren Inferno nur knapp. Selbst wenn ich davon ausgehe, dass weder in den USA noch in Russland Menschen ernsthaft einen Atomkrieg wollen, so ist die Gefahr eines Computerfehlers ständig gegeben. Die Gefahr steigt je komplexer die Systeme und je kürzer die Vorwarnzeiten werden. An der Verkürzung von Vorwarnzeiten arbeiten aber sowohl USA als auch Russland.

Was ein Atomkrieg wirklich bedeutet, gehört nicht zu unserer Erfahrungswelt, wir können es nicht nachempfinden. Wer die Gefahr ansatzweise erkennt, muss sie verdrängen um weiterhin auf dem Vulkan tanzen zu können. Das Tanzen möchte ich niemandem nehmen, ich persönlich tanze sehr gern. – Wir haben hier in Jagel vor dem „Tor zum Tod“ schon mehrmals getanzt. Wir machen bei unseren Mahnwachen auch was uns Spaß macht.

Weil Menschen sich Atomkrieg nicht wirklich vorstellen können, haben wir es schwer einen Widerstand gegen die atomare Aufrüstung zu organisieren. Aber genau das muss uns gelingen.

Wir können die großen Bösewichte in den Regierungen und im Militär in den USA und Russland nicht erreichen. Das müssen unsere Freundinnen, die Kriegsgegnerinnen dort, machen. Wir können und müssen jedoch hier wo wir leben, hier in der BRD, hier in Schleswig-Holstein, in unserer Stadt, aktiv werden.

Ihr wisst es längst aber ich wiederhole es dennoch. Es macht mir Mut dass 122 Staaten den Atomwaffenverbotsvertrag der UN unterzeichnet haben. Die Bundesregierung hat das verweigert. Wir müssen dafür kämpfen dass die BRD den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet. Vier Bundesländer haben beschlossen auf die Bundesregierung einzuwirken, dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten, Bremen, Berlin, Rheinlad-Pfalz Hamburg. Es ist unsere Aufgabe dafür zu sorgen, dass Schleswig-Holstein das auch macht. Arbeitet mit unseren Postkarten, die auf dem Infotisch ausliegen, nehmt welche mit.

89 Kommunen haben in Deutschland den ICAN-Städteappell unterzeichnet, darunter Kiel und Flensburg. Wir müssen unsere Kommunen dazu bewegen, das auch zu tun.

Bitte vertraut nicht auf die Parteien, die handeln erst, wenn sie Druck von der Straße spüren. Jede Einzelne ist wichtig um diesen Druck aufzubauen. Nur wenn Ihr handelt können wir unseren kleinen Teil zur Abschaffung der Atomwaffen auf der Erde beitragen.

Aber – vergesst nicht den Spaß im Leben, lasst Euch das Tanzen nicht vermiesen.

Habt Spaß, tanzt auf dem Vulkan.

Danke fürs Zuhören.

 

Detlef Mielke ist aktiv bei der DFG-VK.

 

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