Grußwort für den geplanten Ostermarsch in Limburg am 11. April 2020

 

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Schwestern und Brüder,

was haben Sie vor neun Jahren gemacht? Dem einen fällt es schwer, sich daran zu erinnern, der anderen fällt es sofort ein. Ich bereitete damals die heilig-Rock-Wallfahrt 2012 vor. Kein Gedanke daran, dass ich eines Tages Bischof von Limburg werden würde.

Neun Jahre können wie im Flug vergehen – oder sie werden lang. Es war in diesen Tagen vor neun Jahren, als uns in Europa die ersten Nachrichten über Demonstrationen und Aufstände in Syrien erreichten. Vereinzelt gab es Tote, immer wieder verletzte. Sicherheitskräfte schossen auf Demonstranten, stürmten Gotteshäuser. Wie nah uns diese Konflikte kommen würden, die in den Folgejahren immer weiter eskalierten und zum Bürgerkrieg wurden, war noch nicht abzusehen.

Präsident al-Assad, freie Syrische Armee, IS Russland, Iran, Türkei, USA – die Zahl der Einflussnehmer ist groß. Die Zahl der leidenden auch: Schätzungsweise 500.000 Menschenleben hat der Konflikt bisher gekostet. Noch nicht eingerechnet sind die Menschen, die auf der Flucht gestorben sind. Etwa 5,6 Millionen Syrer sind ins Ausland geflohen, mehr als 6 Millionen Menschen sind im Land auf der Flucht.

Uraltes Kulturerbe wurde zerstört, das Völkerrecht findet keine Beachtung: man hört vom Einsatz von Giftgas und gezielten Angriffen auf Krankenhäuser, die Grenzen zwischen Kombattanten und Zivilisten sind verschwunden. Humanitäre Hilfe erreicht die Notleidenden oft nicht.

Nach neun Jahren liegt das Land zu großen Teilen in Ruinen da. Das Gesundheitssystem ist am Boden, die Menschen entkräftet und hungernd. Das Corona-Virus kann verheerende Wirkung im Land haben, allen Desinfektionsmaßnahmen zum Trotz. Die Weltgesundheitsorganisation warnt davor  dass Syrien – und andere Länder ohne funktionierendes Gesundheitssystem – viele Tote zu beklagen haben werden.

Krieg und seuchen gingen schon immer Hand in Hand. Es ist zu befürchten, dass VoVid-19 nun besonders in den armen und kriegsverwüsteten Ländern dieser Welt wüten wird. Angesichts der Probleme, vor denen selbst die wohlhabenden Industrienationen dieser Welt bei der Eindämmung und Bekämpfung dieser Krankheit stehen, ein erschreckender Gedanke.

Lassen Sie uns an diesem sehr außergewöhnlichen Osterfest auch an die Menschen denken, die unter den Folgen von Krieg und Gewalt leiden, beten wir für sie. Und lassen Sie uns an die Machthaber appellieren: Für humanitäre Hilfe, für Waffenruhe und Frieden.

 

Dr. Georg Bätzing ist Bischof von Limburg.

 

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