ungehaltener Redebeitrag für den geplanten Ostermarsch Rhein-Ruhr in Dortmund am 13. April 2020

 

Wenn der Zeiger wieder schneller dreht – gemeinsam gegen nukleare Aufrüstung und für ein Atomwaffenverbot!

 

Liebe Menschen,

im Namen von ICAN, der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, und der DFG-VK, der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, wollen wir uns gemeinsam mit euch für den Weltfrieden stark machen. Die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass wir nicht, wie gewohnt, an Ostern für den Frieden spazieren können. Dennoch wollen wir den Osterspaziergang nicht ausfallen lassen, denn die jüngsten Entwicklungen sind erschreckend und bedauerlicherweise müssen wir feststellen, dass sich die Uhr wieder zurückdreht – nein besser gesagt – dass sie sich noch schneller dreht. 2020 steht die Atomkriegsuhr auf bedrohlichen 100 Sekunden vor zwölf. Die Atomkriegsuhr steht symbolisch für das derzeitige Risiko eines Atomkrieges. Im Vergleich dazu: während des Kalten Krieges im Jahr 1953 stand die Uhr auf zwei vor zwölf. Was wir damit sagen wollen ist, dass die Gefahr eines atomaren Krieges größer ist als je zuvor.

Zuerst kündigen die USA im Jahr 2018 einseitig das Atomabkommen mit dem Iran auf. Danach treten die USA am 2. August 2019 aus dem INF-Vertrag aus (Intermediate Range Nuclear Forces Treaty), der einer der bedeutendsten Abrüstungsverträge der Welt zur Beendigung des Kalten Krieges darstellt. Auslöser dafür war, dass von seitens Russlands entwickelte atomwaffenfähige SSC-8-Raketensystem. Russland und die USA setzen mehr denn je auf die Modernisierung ihrer Atomabwehrstreitkräfte. Mit dem Verweis auf eine Rede im Pentagon des Vizepräsidenten der USA Mike Pence am 17. Januar 2019: “[…] National Security Strategy that puts America first, pursued the modernization of our nuclear arsenal. And President Trump has taken decisive action to extend American dominance on land, at sea, in air, and in cyberspace […].“ (https://www.whitehouse.gov/briefings-statements/remarks-president-trump-...)

Diese Sicherheitsstrategie der USA zeigt sich auch im geplanten NATO-Manöver „Defender Europe 2020“ – das aufgrund der Corona-Pandemie vorläufig gestoppt wurde – dieses Verteidigungsbündnis zwischen den USA und den NATO-Staaten umfasst ein Truppenkontingent von rund 37.000 SoldatInnen aus 17 Nationen, die Verlagerung von Streitkräften – die Hälfte davon sind US-amerikanische SoldatInnen –nach Osteuropa an die Grenzen zu Russland und die Zusagen und Anstrengungen der NATO-Staaten, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukt für die Landesverteidigung bereit zu stellen. Auslöser dieser NATO-Strategie war die Annektierung der Krim durch Russland 2014. Neben Russlands nuklearer Aufrüstung investieren auch die USA schon seit längerem in sogenannte taktische Atomwaffen, und auch Großbritannien setzt weiterhin auf nukleare Abschreckung, indem es seit 2016 die Modernisierung ihrer Atom-U-Boote vorantreiben. Die nukleare Abschreckungsdoktrin wird wieder zur Realität und zum wesentlichen Bestandteil der Verteidigungsstrategie – was passiert hier gerade? Stehen wir kurz vor einem „Neuen Kalten Krieg“, findet ein neues Wettrüsten zwischen Russland und den USA statt? Die Gefahr eines Atomkrieges ist so groß, wie seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes, nicht mehr. Was ist mit den Anstrengungen des Atomwaffenverbotsvertrages? Wo sind die Abrüstungsziele geblieben? Die Situation, in der wir uns momentan befinden ist bedrohlicher denn je. Das Wettrüsten ist in vollem Gange und auch wenn es durch die Corona-Pandemie erst einmal ruht, stehen alle Zeichen auf Sturm. Denn kommt es zu einem Atomkrieg würde das die Auslöschung Europas bedeuten. Allein in Europa sind schätzungsweise 180 Atomwaffen stationiert. Davon lagern zwanzig in Deutschland im Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz. Statt abzurüsten, klammert sich auch die Bundesregierung an der nuklearen Teilhabe und befürwortet Modernisierungsprogramme von den in Büchel gelagerten US-Atombomben, obwohl sich die Bevölkerung für den Abzug von Atomwaffen ausspricht. Die aktuelle Position der Bundesregierung zu Atomwaffen ist Teil einer weitergehenden Aufrüstungspolitik. Am 11.09.2019 verkündigt die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer den Verteidigungsetat des kommenden Jahres 2020 um 45 Milliarden Euro zu erhöhen. Dem kommt noch hinzu, dass seit diesem Jahr SoldatInnen kostenlos mit der Bahn fahren dürfen – häufig in Uniform - was zu einer Militarisierung des öffentlichen Raumes führt. (https://www.bmvg.de/de/aktuelles/ministerin-rede-verteidigungsetat-2020-...)

Die Modernisierung von Atomwaffen und die Zunahme bewaffneter Konflikte auf der ganzen Welt zeigen unseres Erachtens eine gegenläufige Entwicklung auf. Mit Rückblick und Nachdruck auf die enorme Zerstörungskraft von Nuklearwaffen in Nagasaki und Hiroshima, sowas darf nie wieder geschehen und muss gestoppt werden!!! Am 7. Juli 2017 wurde der Vertrag zum Verbot von Atomwaffen freigegeben, der das Testen, das Entwickeln, das Produzieren und das Besitzen von Atomwaffen verbietet. Dieser Vertrag ist der erste Schritt zur nuklearen Abrüstung. Damit er in Kraft tritt, müssen 50 Staaten diesen Vertrag ratifizieren. Die aktuelle Situation macht die Ratifizierung dieses Vertrages umso dringlicher und deshalb richten wir uns heute im Namen von ICAN und der DFG-VK an euch, um darauf aufmerksam zu machen, welche Dringlichkeit und Wichtigkeit für diesen Vertrag besteht. Wir ächten Atomwaffen wegen ihrer verheerenden und katastrophalen humanitären und ökologischen Folgen. Wir dürfen nicht damit aufhören uns für Menschenrechte und für den Weltfrieden einzusetzen, egal ob im Öffentlichen oder Digitalen. Die Corona-Pandemie hindert uns nicht daran, uns für ein Ende von Gewalt und damit gegen Rüstungsexporte, gegen die Militarisierung von Grenzen und dem öffentlichen Raum und gegen eine nukleare Verteidigungsstrategie auszusprechen. Jegliche Kriegsformen, vor allem Atomkrieg sind nicht nur ein Verbrechen an der Menschheit, sondern die Vernichtung der Menschheit.

Laila Weiß ist aktiv bei der ICAN Hochschulgruppe Marburg und bei der DFG-VK.

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