ungehaltener Redebeitrag für den geplanten Ostermarsch in Traunstein am 11. April 2020

 

Liebe Freundinnen und Freunde, 

vor Corona waren weltweit über 70 Millionen Menschen vor den Kriegen in Syrien und Afghanistan, Jemen, Somalia, Südsudan, Mali, vor politischer, ethnischer, sexueller Verfolgung, Hunger und Elend, dem Klimawandel auf der Flucht.

Durch Grenzschließungen nahezu auf der ganzen Welt sitzen diese nun fest, größtenteils in Flüchtlingslagern oder in anderen prekären Situationen (Obdachlosigkeit, abgeschnitten von jeglicher Versorgung).

Europa schottete sich schon lange vor Corona ab, verlagerte die Probleme in die Türkei, nach Libyen und an die europäischen Außengrenzen. Anfang März 2020 wurden die Flüchtlinge an der griechischen Grenze mit militärischer Gewalt (Tränengas, Schläge, Rauchbomben, etc.) von der EU unterstützt durch die Militäreinheit Frontex am Grenzübertritt gehindert. Das Asylrecht wurde schon vorher ausgesetzt durch illegale „Push-Backs“ an der Grenze. Unter menschenunwürdigen Bedingungen vegetieren die Geflüchteten in Lagern, z.B. Moria auf Lesbos in Griechenland; allein in Griechenland leben laut Ärzteblatt 100.000 geflüchtete Menschen in Lagern, davon 40.000 auf den Inseln.

Besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche, die nichts anderes kennen als Krieg, Not, Hunger; siehe hierzu Pro Asyl und Tagesschau, Zeit. Aber auch Frauen, die auf der Flucht dem großen Risiko von Vergewaltigung, Menschenhandel, Prostitution ausgesetzt sind.

Mittlerweile werden wegen Corona Flüchtlingslager in Griechenland, aber auch in Deutschland unter Quarantäne gestellt. Man mag sich nicht vorstellen, wie das zugeht, wenn so viele Menschen (in Moria 20.000) auf engstem Raum unter Quarantäne eingesperrt sind. Deutschland erbarmt sich nun an Ostern sage und schreibe 50 unbegleitete Minderjährige aus griechischen Lagern aufzunehmen. Mehr geht anscheinend nicht. Die EU ist offensichtlich unfähig die Verteilung der Geflüchteten im Rahmen der humanitären Werte, denen sie sich verschrieben hat, zu lösen. Das war schon seit 2015 so. Durch die Corona-Krise wurde mehr als deutlich, dass es nicht einmal innerhalb der EU Solidarität gibt, und dass die EU als Organisation (EU-Kommission) der Staaten überhaupt keinen Plan hat für solche und andere Krisen.

In der Türkei leben laut UNHCR derzeit 4 Millionen Flüchtlinge, siehe Link.

Von den schrecklichen Folterlagern in Libyen wird anscheinend gar nicht mehr berichtet!!!

Ebenso über die Situation im Mittelmeer. Noch mehr Menschen sterben in der Wüste.

Krieg ist das größte Verbrechen! Migration ist kein Verbrechen!

Wir fordern humanitäre Lösungen!

ALLE KRIEGE SOFORT BEENDEN

Bereits hier lebende Geflüchtete leiden jahrelang unter fehlenden Perspektiven und Repressalien.

Geflüchtete aus Afrika dürfen in der Regel überhaupt nicht arbeiten (Ausnahme Eritrea). Jetzt fehlen wegen Corona in Deutschland die Erntehelfer aus den östlichen EU-Staaten und auf einmal will die Bundesregierung hier nun endlich Arbeitserlaubnisse erteilen. Weil kein Deutscher diese schweren Arbeiten verrichten kann oder will.

Viele Geflüchtete müssen seit 01.08.2018 in sogenannten AnkER-Zentren (Ankunft, Entscheidung, Rückführung) ihr Dasein fristen. Die Geflüchteten sollen sich erst gar nicht integrieren und möglichst schnell abgeschoben werden. Der Zugang zu Rechtsberatung wird zumindest erschwert, siehe unten Link Flüchtlingsrat Bayern.

Die bereits bestehenden Repressalien wurden verschärft durch das

„Gesetz zur geordneten Rückführung“ vom August 2019, wonach Sozialleistungen für Menschen, die nicht arbeiten dürfen und keinen Pass besorgen können, weiter gekürzt werden können. Andererseits enthält das Gesetz auch durchaus positive Bestimmungen für Geflüchtete in Arbeit und Ausbildung. Die Hürden für eine Beschäftigungsduldung nach § 60d Aufenthaltsgesetz sind aber derart hoch, dass sie nach meinen Informationen noch niemand erfüllt hat. Ich selbst bin derzeit an einem Fall, der kurz vor der Entscheidung steht (wird seit 3 (!) Monaten bearbeitet....).

Immerhin sind wegen Corona derzeit fast alle Abschiebungen ausgesetzt.

Besonders schlimm sind die monatlich stattfindenden grausamen Abschiebeflüge in das Kriegsland Afghanistan (nach Syrien die höchsten Flüchtlingszahlen weltweit!). Auch gut integrierte, völlig unbescholtene Geflüchtete, die zum Teil seit 3 Jahren und länger in Deutschland leben, werden von der Polizei verhaftet und in Abschiebehaft genommen. Viele leben in ständiger Angst davor. Manche fliehen weiter nach Frankreich, weil Frankreich nicht abschiebt (weiteres Beispiel für die Uneinigkeit der EU). Nicht wenige haben sich deshalb das Leben genommen.

Die Abschiebungen nach Afghanistan finden nach wie vor vor dem Hintergrund statt, dass die Bundesregierung starr und fest behauptet, dass es dort „sichere Gebiete“ geben soll laut einem geheimen Bericht des Auswärtigen Amtes. Es ist das große Geheimnis des Auswärtigen Amtes wo diese Gebiete genau sind.

Entschuldigung, aber eine solche Behauptung ist derart realitätsfern, dass ich am Verstand der Betreffenden zweifeln muss. Auch die Verwaltungsgerichte schließen sich unisono dieser Auffassung an. Im Widerspruch dazu steht die allgemeine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für Reisen nach Afghanistan.

Aus meiner Praxis als ehrenamtliche Helferin vorwiegend afghanischer Geflüchteter kann ich berichten, dass 95% arbeiten, einer bereits eine Ausbildung zum Metzger mit großem Erfolg geschafft hat, ca. 5 eine Ausbildung machen.

Sie arbeiten zum Teil in mittlerweile „systemrelevanten“ Berufen wie Supermarktverkäufer. Trotzdem sind alle von Abschiebung bedroht, bis auf den Metzger.

Ich bin empört!

Wir fordern: Keine Abschiebungen in den Krieg – Afghanistan!

Chancen durch Arbeit und Ausbildung für  Geflüchtete!
 

Sigrid Röhrl von der Initiative für Flüchtlingsrechte im Landkreis Traunstein.

 

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