ungehaltener Redebeitrag für den geplanten Ostermarsch in München am 11. April 2020

 

[Rede als Video siehe hier]

 

Liebe Aktive der Friedensbewegung, Freund*innen,

auf den diesjährigen Ostermarsch hatte ich mich bereist sehr gefreut, gerade weil die Forderung nach Frieden, nach Zusammenhalt, nach Versöhnung dieses Jahr noch einmal wichtiger geworden ist.

Ich weis nicht wie es ihnen die letzten Monate ging, aus meiner Sicht haben die Meldungen über gewalttätige Auseinandersetzungen zu genommen. Als ich angefangen habe für diese Rede Material zu sammeln ist mir Anhand der globalen Situation schwindlig geworden. Eigentlich könnte man leicht 2 Stunden reden, um überhaupt einen Überblick über alle aktuellen Konflikte zu geben, die derzeit stattfinden.

Es wird zudem immer deutlicher, das verschiedenste Formen von Gewalt aus dem Schatten ans Tageslicht treten. Die rechtsextrem motivierten Gewalttaten in Deutschland gegen alle, die für eine offene und tolerante Gesellschaft einstehen. Die schon fast tägliche verbale Gewalt gegen Ausländer und vor allem der wieder aufkeimende Antisemitismus.

Ein besonderes Augenmerk möchte ich noch einmal auf die Gewalt gegen Frauen richten. Ob in Ländern wie Indien Frauen in der Öffentlichkeit vergewaltigt und nicht selten ermordet werden oder Frauen, die in Afghanistan durch das neue Abkommen der USA mit den Taliban der Willkür durch die Taliban wieder schutzlos ausgeliefert sind.

Anfang Januar war ich auf einer Dienstreise in Kalifornien und konnte am 18. Januar am Women-March in San Francisco teilnehmen. Dort wurde von der Bürgermeisterin London Breed berichtet, dass in den letzten Monaten von rechts gerichteten Gruppen viele Frauen, der noch existierenden indigenen Völker Nordamerikas, getötet wurden, um eben diese Völker auszurotten.

Mich erschreckt an all diesen Berichten, dass die Gewalttäter sich immer weniger davor fürchten, ihr Handeln öffentlich zu machen und Gewalt dadurch wieder zur Normalität des gesellschaftlichen und politischen Handelns zu wird. 

Der Ostermarsch 2020 wäre als Zeichen gegen Gewalt in der Gesellschaft mehr als wichtig gewesen.

Mir geht es auch dieses Jahr wieder um eine abstraktere Form der Gewalt, mit langfristigen Folgen für den ganzen Planeten. Vor allem militärische Aktivitäten hinterlassen nicht nur Tote und Verletzte, sie hinterlassen oft schwere Schäden an Natur, Umwelt und Klima, an deren Folgen nicht selten mehrere Generationen leiden.

Die Corona-Pandemie hat zum Glück nicht nur uns einen Strich durch die Rechnung gemacht, sondern auch dem Großmanöver „Defender“. Es ist eine gewisse Genugtuung, dass Defender noch vor dem eigentlichen Manöver wegen Corona abgesagt wurde. 

Das Ziel des „Defender“ Projekts war in erster Linie eine Testlauf für die möglichst schnelle Verlegung großer Mengen militärischen Materials an die Ostgrenze der NATO, spricht die Überprüfung der logistischen Kapazitäten der NATO-Partner. Dieses Ziel wurde von den NATO-Partnern trotz des vorzeitigen Aus noch erreicht.

Übrigens hätte man die logistischen Kapazitäten lieber nutzen können, um den Menschen in den griechischen Flüchtlingslagern zu helfen, um wenigsten etwas Sinnvolles zu tun.

In Zahlen:

Defender ist bzw. war das größte Militärmanöver seit 25 Jahren, für die geplante Mission wurden 37‘000 Soldaten bewegt sowie 35‘000 KfZs, Panzer, Container …. bewegt durch Laster, Bahn, Schiffe und Flugzeuge. 

Allein aus den USA wurden 19‘000 Soldaten nach Europa gebracht samt Ausrüstung. Die restlichen 18‘000 Soldaten stammen aus weiteren 19 NATO-Staaten.

Das Manöver zieht sich über 7 Länder, für die Transportlogistik waren 10 Seehäfen und 14 Flughäfen in Gebrauch.

Detaillierte Informationen wurden bis heute nicht zur Verfügung gestellt, so dass wir nichts Genaues über die Einsatzgebiete wissen. Genannt wurden vor allem Polen und die baltischen Staaten.

Auch, wenn genaue Daten fehlen ist doch eines klar: Für dieses Manöver, wurde in Zeiten der Klimakrise und des Artensterbens enorme Mengen CO2 freigesetzt und, was ich nur vermuten kann, Truppen- und Fahrzeugbewegungen in Regionen geplant, die wertvolle Naturgebiete sind. Es wäre ein massiver Eingriff in die Tier - und Pflanzenwelt dieser Länder gewesen. 

Ich gehe davon aus, dass schwere Fahrzeuge, aber auch der Einsatz von Waffen in den Regionen schwere Schäden hinterlassen hätten Die Natur bräuchte Jahrzehnte, um sich wieder zu erholen.

Nur zum Vergleich, die Folgen des „ersten Weltkrieges“ sind selbst einhundert Jahre danach noch deutlich in der Landschaft zu sehen.

Es heißt, Manöver wie Defender sollen die Bevölkerung schützen. Es ist klar, dass das Verhältnis zwischen der EU und Russland mehr als angespannt ist. Das Verhältnis zwischen den USA und Russland ist seit Trump diffus. Es ist auch bekannt, dass Russland zur gleichen Zeit ein Manöver ähnlichen Ausmaßes an der Westgrenze des Landes abhält, mit ähnlichen gravierenden Folgen für Mensch und Umwelt. Es ist das alte Spiel vom Gleichgewicht der Kräfte.

Es ist wie immer ein makabrer Gedanke uns dadurch schützen zu wollen, indem man das Spiel der Provokation solange spielt, bis es irgendwann schief geht. Nur dieses Mal geht es um mehr, es ist auch immer ein Angriff auf unsere natürlichen Lebensgrundlagen. 

Wenn wir den Klimawandel nicht aufhalten und das Artensterben nicht stoppen und uns nicht gemeinsam auf den Weg machen diese Probleme zu lösen, werden militärische Drohgebärden unser kleinstes Problem sein.

Lassen sie uns noch in einen anderen Teil dieser Welt schauen. 

Es geht um den Jemen. 

Die historische und politische Entwicklung ist in wenigen Jahren derart unübersichtlich geworden, dass es eine detaillierte Darstellung hier den Rahmen sprengen würde. 

Allerdings hat der Jemen Krieg sehr deutlich die Interessen und den Einfluss der deutschen Rüstungsindustrie offenbart. Obwohl es zwischenzeitlich immer wieder Embargos auf Waffenexporte in die Kriegsregion gab, wurden diese geschickt umgangen. 

Der aktuelle Trend besteht darin, die Produktion in andere Länder zu verlagern, in denen keine Beschränkungen für Rüstungsexporte existieren. 

Statt dagegen vorzugehen, wurde von einzelnen Politikern bereits gefordert die Embargos aufzuheben, da uns sonst Arbeitsplätze in Deutschland verloren gehen würden. Menschenleben scheinen hier gleichgültig zu sein.

Der Jemen selbst ist ein Land mit einer äußerst sensiblen Natur, die durch jahrhundertelange Bewirtschaftung und Abholzung entstanden ist. Regionen, die einst dicht bewaldet waren, sind inzwischen zu Savannen, die zunehmend verwüsten. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wasser wir für die Bevölkerung immer schwerer. Die Auswirkungen des Klimawandels beschleunigen diesen Prozess deutlich.

Die kriegerischen Auseinandersetzungen im Jemen sind durch viele Luftangriffe und den Abwurf von Bomben gekennzeichnet. Das noch existierende sensible Ökosystem wird dadurch zunehmen geschädigt oder ganz zerstört. Letztlich wird das Land weitestgehend unbewohnbar und die Menschen zu Flüchtlingen machen. Nur ist eine Flucht auf geographischen Gründen fast unmöglich. Im Norden befindet sich Saudi-Arabien, der aktuelle Hauptgegner und im Süden das Meer. Der östliche Nachbar Oman zählt auch zu den Kriegsparteien und ist somit auch keine Option.

Eine Fortführung des Krieges wird in einer humanitären und ökologischen Katastrophe enden, die nicht mehr zu bewältigen sein wird und das Leben von 28 Millionen Menschen kosten könnte.

 

Liebe Freund*innen,

ich freue mich auf den Karfreitag, an dem wir hier stehen und sagen können, es gibt dieses Jahr nichts zu Berichten.

Dieses Jahr ist es auf jeden Fall nicht. Zu den kriegerischen Auseinandersetzungen auf dieser Welt spüren wir zudem immer deutlicher die Folgen der Zerstörung der natürlichen Lebensräume und die Folgen des Klimawandels. Umwelt- und Klimapolitik ist somit auch zur Friedenspolitik geworden. 

Lasst uns gerade jetzt umso mehr zusammen dafür einstehen, dass dieser Planet zu einem besseren Ort wird.

 

Dr. Thorsten Kellermann ist stellv. Vorsitzender der Münchener Kreisgruppe des BUND für Naturschutz in Bayern e.V. 

 

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