6x jährlich erscheint unsere Zeitschrift "FriedensForum" und informiert über Neuigkeiten aus der Friedensbewegung. Gerne schicken wir dir ein kostenfreies Probeheft zu!
Redebeitrag für den Ostermarsch in Strausberg am 9. April 2023
- Sperrfrist: 9. April 2023, 16 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -
Liebe Ostermarschteilnehmer, liebe Friedensfreunde,
zunächst möchte ich mich bei den Organisatoren des Strausberger Ostermarsches bedanken, dass ich die Möglichkeit habe, heute zu euch zu sprechen. Und es ist mir ein ausgesprochenes Bedürfnis, dies auch zu tun.
Ich spreche hier nicht nur als Vorsitzende des Vereins Friedensglockengesellschaft Berlin e.V., als Vorstandsmitglied des Deutschen Friedensrates oder als Mitglied des Ostdeutschen Kuratoriums von Verbänden.
Ich möchte hier sprechen, weil ich auch Mutter von 2 Kindern und 7 Enkelkindern bin, die mit Sorge und Angst verfolgt, wie dicht wir an einem 3. Weltkrieg sind.
Ich spreche hier, weil ich auch in Zukunft in die strahlenden Gesichter meiner Kinder und Enkel schauen möchte. Mein ältester Enkel ist gerade im März 22 Jahre geworden und in Gedanken war ich unmittelbar wieder dabei mir die Frage zu stellen, wie wäre es, wenn er im Krieg sein müsste und wir alle Angst davor hätten, dass er nicht zurück käme, so, wie es derzeit Tausenden Großmüttern und Müttern geht, die ihre Kinder in den vielen Kriegen auf dieser Welt, ob in Äthiopien, Myanmar, Mali, Jemen, in der Ukraine wie im Donbass, in Afghanistan oder Syrien sterben sehen. Die fliehen müssen oder zum Militärdienst gezwungen werden.
Und dabei geht mir dann auch immer der Song von Reinhard Mey nicht aus dem Kopf - Meine Söhne geb ich nicht- !!!
Sie werden nicht in Reih' und Glied marschieren
Nicht durchhalten, nicht kämpfen bis zuletzt
Auf einem gottverlassenen Feld erfrieren
Während ihr euch in weiche Kissen setzt
Die Kinder schützen vor allen Gefahren
Ist doch meine verdammte Vaterpflicht
Und das heißt auch, sie vor euch zu bewahren
Nein, meine Söhne geb' ich nicht
Und ich antworte darauf: Es ist auch meine verdammte Mutterpflicht!
Nein, meine Kinder und Enkel, geb`ich nicht!
Warum betone ich das so? Aktuell steht die Weltuntergangsuhr des renommierten „Bulletin of the Atomic Scientists auf 90 Sekunden vor Zwölf. Die Wissenschaftler warnen: Die Welt ist ihrer atomaren Vernichtung so nahe wie noch nie zuvor!
Denn gerade auch die aktuelle Situation, der Zusammenstoß zwischen Russland und der Ukraine droht aufgrund der Beteiligung der NATO und ihrer Verbündeten einen Dritten Weltkrieg auszulösen, ein atomares Inferno, welches keiner von uns überleben würde.
Ende Januar 2023 haben wir vom US-Friedensrat einen Aufruf erhalten, in dem die amerikanischen Friedensaktivisten mahnen:
Wer jetzt nicht zu Verhandlungen aufruft, versteht nicht die gefährliche Lage, in der sich unser Planet befindet!
Ich möchte euch einige Auszüge aus diesem Aufruf nicht vorenthalten:
Seit der Kubakrise war unsere Welt noch nie so nah an einer Katastrophe. Der Krieg in der Ukraine nähert sich seinem ersten Jahrestag und wird von der Regierung Biden und dem „kollektiven Westen“ zunehmend in einen Krieg zwischen der NATO und Russland verwandelt. Die Gefahr, dass er in eine nukleare Konfrontation umschlägt, steht unmittelbar bevor. Und weiter:
Damals gab es eine intern. Friedensbewegung, mit einer starken US-Beteiligung, die der Forderung nach einer friedlichen Welt Nachdruck verlieh. Diese Stimmen sind heute deutlich schwächer geworden. Anders als in der Vergangenheit hat sich kein einziger Demokrat im Kongress für den Frieden ausgesprochen, so dass das ideologische Terrain für den Krieg praktisch unangefochten ist. Besonders bedauerlich sind die Stimmen, einschließlich einiger in der amerikanischen „Linken“, die weiterhin die Kriegstrommel schlagen, indem sie die Fortsetzung des Krieges bis zum Sieg der Ukraine fordern. Das würde nur den Sieg der NATO in einem totalen Krieg mit Russland bedeuten.
Ausgehandelte Friedensvereinbarungen beruhen weniger auf Vertrauen als auf der gegenseitigen Einsicht, dass die Alternative im Interesse beider Seiten liegt. Das Argument einiger „Linken“, dass „Putins Russland nicht vertraut werden kann“, verkennt die Tatsache, dass Verhandlungen zwischen Kriegsparteien noch nie auf Vertrauen beruhten.
Und die amerikanischen Friedensaktivisten unterstreichen in ihrem Appell weiter:
Die unbestreitbare Realität, mit der wir konfrontiert sind, sollte uns allen die Dringlichkeit von Verhandlungen und einer diplomatischen Lösung dieses Krieges bewusst machen.
Der Krieg in der und um die Ukraine muss beendet werden! Darüber sollte es keinen Streit geben. Alle Kriege enden entweder mit Verhandlungen oder mit dem Sieg der einen oder der anderen Seite. Da dieser Krieg nicht nur zwischen Russland und der Ukraine stattfindet, sondern zwischen Russland und einer vom Westen unterstützten Ukraine, ist die erste Option – der Sieg – unmöglich. Weder Russland (eine große Atommacht) noch die westlichen Mächte (von denen viele große Atommächte sind) werden auch nur annähernd eine Niederlage tolerieren.
Und sie beenden ihren Aufruf mit folgenden Worten:
Wenn ein militärischer Sieg nicht möglich ist, dann bleibt nur der Weg über Verhandlungen. Krieg ist keine Lösung. Eine Eskalation dieses Krieges sollte nicht von denen gefördert werden, die an internationaler Zusammenarbeit und echten Frieden glauben.
Diejenigen, die mitten in dieser konfliktreichen Zeit keine Verhandlungen fordern -während der Krieg andauert und seine Auswirkungen eine Krise der Lebenshaltungskosten auf der ganzen Welt verschärfen – verstehen nicht, in welcher gefährlichen Lage sich der Planet befindet!
Liebe Friedensfreunde,
lassen wir nicht zu, dass die USA und ihre Verbündeten das ukrainische Volk als Kanonenfutter benutzen, um ihre Vormachtstellung weiter voranzutreiben und so das Entstehen einer multipolaren Ordnung zu verhindern, die auf der Achtung der Rechtstaatlichkeit und der Souveränität der Nationen beruht.
Einen dritten Weltkrieg abzuwenden, ist die Pflicht aller, denen das Wohl der Menschheit am Herzen liegt. Deshalb ist es wichtig, ein großes internationales Bündnis für Frieden, Solidarität und Völkerverständigung aufzubauen, das die verschiedenen Kräfte im Kampf gegen Militarismus und Imperialismus in all seinen Formen in Bewegung setzt.
Wir haben uns heute auch hier versammelt, weil dieser Prozess der zunehmenden Militarisierung und Aufrüstung an Strausberg auch nicht vorbei gegangen ist. Im Rahmen der EU-Ausbildungsmission wurde bereits im November 2022 ein multinationales Kommando für spezialisierte Ausbildung ukrainischer Streitkräfte eingerichtet.
Damit wird eine Grauzone deutscher Kriegsbeteiligung betreten, machen wir uns zur Kriegspartei, machen wir uns aber auch zum Angriffsziel.
Was wir brauchen sind nicht noch mehr Investitionen in die Bundeswehr, sondern Investitionen in die Zukunft unserer Kinder, in Bildung, Gesundheit, soziale Fürsorge, in Ökologie, Umwelt und Klima.
Kriege und Aufrüstung treiben die Energie- und Lebensmittelpreise weltweit in die Höhe und treffen so besonders die Armen im globalen Süden, aber liebe Friedensfreunde, sie treffen auch uns!
Wir verlangen von unserer Bundesregierung Abrüstung statt dieser wahnsinnigen Aufrüstung mit einem Verteidigungshaushalt von angestrebten 70 Mia (2% Ziel) und zusätzliche Sondervermögen/Sonderverschuldung von 100 Mia. Rüstung.
Das sind Gelder, die viel dringender und sinnvoller für Gesundheit, Bildung, Klima und Umweltschutz, Wohnungen, zivile Konfliktbearbeitung und Entwicklungszusammenarbeit benötigen werden.
Deshalb ist es weiter notwendig, dass wir, wenn es um Klima und Umweltschutz geht, wenn es um mehr soziale Gerechtigkeit geht, gemeinsam auf die Straße gehen, gemeinsam mit der Friedens- Umwelt- Klimabewegung, gemeinsam mit Gewerkschaftern, Handwerkern.
Was wir brauchen sind gemeinsame Bündnisse über alle parteipolitischen und gesellschaftspolitischen Grenzen hinweg, wenn es um das Thema Frieden geht, anders haben wir keine Chance!
Antje Vollmer, ehemalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages , verstorben am 16.03.2023,unterstrich in ihrem „Vermächtnis einer Pazifistin: Was ich noch zu sagen hätte“ in diesem Zusammenhang:
„Meine Hoffnung besteht darin, dass sich aus all dem eine neue Blockfreienbewegung ergeben wird, die nach der Zeit der vielen Völkerrechtsbrüche wieder am alleinigen Recht der UNO arbeiten wird, dem Frieden und dem Überleben des ganzen Planeten zu dienen.“
Und weiter:
Meine ganz persönliche Niederlage wird mich in die letzten Tage begleiten. Gerade die Grünen, meine Partei, hatte einmal alle Schlüssel in der Hand zu einer wirklich neuen Ordnung einer gerechteren Welt…
Wir waren nicht eingebunden in die machtpolitische Blocklogik des Kalten Krieges. Wir waren per se Dissidenten.
Wir waren gleichermaßen gegen die Aufrüstung in Ost wie West, wir sahen die Gefährdung des Planeten durch ungebremstes Wirtschaftswachstum und Konsumismus. Wer die Welt retten wollte, musste ein festes Bündnis zwischen Friedens- und Umweltbewegung anstreben, das war eine klare historische Notwendigkeit, die wir lebten.
Wir hatten dieses Zukunftsbündnis greifbar in den Händen.
Was hat die Grünen verführt, all das aufzugeben für das bloße Ziel, mitzuspielen beim großen geopolitischen Machtpoker, und dabei ihre wertvollen Wurzeln als lautstarke Antipazifisten verächtlich zu machen?
Und abschließend schrieb sie:
Der Hass und die Bereitschaft zum Krieg und zur Feindbildproduktion ist tief verwurzelt in der Menschheit, gerade in Zeiten großer Krisen und existentieller Ängste. Heute aber gilt: Wer die Welt wirklich retten will, diesen kostbaren wunderbaren Planeten, der muss den Hass und den Krieg gründlich verlernen.
Wir haben nur diese eine Zukunftsoption.
Liebe Friedensfreunde,
ich denke, dem ist nichts hinzuzufügen.
Danke
Anja Mewes ist Vorsitzende der Friedensglockengesellschaft Berlin e.V..