1. Die Anfänge
  2. 1. Haager Friedenskonferenz
  3. Der 1. August als Antikriegstag
  4. Internationaler Antikriegstag am 3. Septemberwochenende 1924
  5. "Gedächtnistag für die Opfer des Weltkrieges"
  6. Der Antikriegstag nach dem zweiten Weltkrieg
  7. Der Antikriegstag in den 50er und 60er Jahren
  8. Der Antikriegstag in den 70er Jahren
  9. Der Antikriegstag in den 80er Jahren
  10. Die Entwicklung des Antikriegstags seit Mitte der 80er Jahre
  11. Der Antikriegstag im neuen Jahrtausend Zur Geschichte des Antikriegstages

Die Anfänge

Die Bemühungen um einen Antikriegstag bzw. Friedenstag lassen sich bis 1845 zurückverfolgen. Es waren pazifistisch gesonnene kirchliche Kreise in Großbritannien, denen es dann erst in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts gelang, den letzten Sonntag vor Weihnachten zu einem Friedenssonntag zu machen. In Deutschland gab es um 1900 in Freien evangelischen Gemeinden ähnliche Bestrebungen. Die katholische Geschichte begeht seit 1967 einen "Weltfriedenstag". Der Tag fällt normalerweise auf den 1. Januar und ist mit einer Weltfriedensbotschaft des Papstes verbunden, wird aber in bundesdeutschen Gemeinden inzwischen flexibel innerhalb der ersten 6 Wochen des Jahres begangen. Der Gedanke wurde in jüngerer Zeit auch von christlichen Teilen der Friedensbewegung aufgegriffen.

Ein anderer friedenspolitischer Ansatz ging ebenfalls von Großbritannien aus. Am 22.2.1896 trafen sich im Atelier des Malers Felix Moscheles pazifistische Künstler, u.a. Bernhard Shaw, und einige Minister zu einer Kundgebung für eine internationale Schiedsgerichtsbarkeit, welche Kriege durch rechtzeitige Klärung von Streitfragen verhindern sollte. Diese Kundgebung erregte so große Aufmerksamkeit, daß pazifistische Organisationen sich dafür einsetzten, zukünftig in jedem Jahr an diesem Tag in allen Ländern ähnliche Friedensdemonstrationen abzuhalten. Am 22.02.1906 wurden beispielsweise in etwa 600 Städten gleichzeitig Kundgebungen durchgeführt, auf denen eine Resolution angenommen wurde, die vorher vom Internationalen Friedensbüro festgesetzt worden war. Anklang fand der Tag auch bei staatlichen Stellen.

1. Haager Friedenskonferenz

Am 18.5.1898 wurde die 1. Haager Friedenskonferenz (s.a. Artikel im FriedensForum 1/98 zu den Vorbereitungen für die Haager Friedenskonferenz im Jahr 1999) mit staatlichen Vertretern aus 26 Nationen eröffnet. Die Regierungsvertreter beschlossen zur schiedsgerichtlichen Schlichtung zwischenstaatlicher Konflikte die Errichtung eines internationalen Schiedsgerichtshofes mit Sitz in Den Haag und erfüllten hiermit eine Hauptforderung der internationalen Friedensbewegung. Dieser 18. Mai wurde mehr oder weniger regelmäßig bis 1914 als Friedenstag begangen. In den Niederlanden und den USA, wo die Haager Konferenz als Vorläufer der hier entwickelten Idee des Völkerbundes (ab 1920) und der Vereinten Nationen (1945) stärker beachtet wurde als in anderen Ländern, überlebte er sogar den 1. Weltkrieg, tauchte jedoch 1932 zum letzten Mal auf. Auch der 27. August, der Tag, an dem 1928 in Paris Vertreter von 15 Staaten den Kriegsächtungspakt, der auch als Briand-Kellog-Pakt bekannt wurde, unterzeichnet hatten, geriet als vom Kongreß der Europäischen Union vorgeschlagener Weltfriedenstag schnell wieder in Vergessenheit.

Der 1. August als Antikriegstag

Nach der "Novemberrevolution" 1918/19 in Deutschland riefen die beiden damaligen bedeutendsten pazifistischen Friedensorganisationen, die von Bertha von Suttner mitgegründete "Deutsche Friedensgesellschaft (DFG)" und der Bund Neues Vaterland (BNV), unter der Parole "Nie wieder Krieg" eine Kampagne ins Leben, deren Ziel es war, die persönlichen Erinnerungen an die Kriegsgreuel durch alljährliche Massenkundgebungen am 1. August, dem Tag des Beginns des 1. Weltkriegs, wachzuhalten und die Menschen für die Durchsetzung einer dauerhaften Friedenspolitik zu aktivieren. In Dänemark und Schweden wurde dieser Tag schon während des Krieges als Antikriegstag begangen.

Bei der Gründung des "Friedensbundes der Kriegsteilnehmer" (FdK) am 02.10.1919 wurde festgelegt, alljährlich am ersten Augustwochenende Massenkundgebungen zur Erinnerung an den Kriegsbeginn 1914 zu organisieren, die den Friedenswillen des deutschen Volkes und die Distanzierung zum kaiserlichen Regime bekunden sollten.

Zur ersten Kundgebung am 01.08.1920 im Berliner Lustgarten riefen Organisationen der Friedensbewegung sowie der Arbeiterjugend und Jungsozialisten auf. Nach unterschiedlichen Quellen nahmen zwischen 15.000 und 18.000 Menschen teil. 1921 traten Vertreter der SPD, USPD und des ADGB dem Nie-wieder-Krieg-Ausschuß bei. Erst dieses pazifistisch-republikanische Bündnis machte aus den Antikriegsaktionen eine Massenbewegung. Am 31.07.1921 beteiligten sich im ganzen Reichsgebiet ca. 500.000 Menschen in etwa 250 Städten an den Kundgebungen.

Doch schon der Antikriegstag 1922 zeigte, daß die Nie-wieder-Kriegs-Bewegung ihren Höhepunkt überschritten hatte. In wiederum ca. 250 Veranstaltungen wurden nur noch 30.000 bis 150.000 Menschen gezählt. Bemerkenswert war jedoch die Ausweitung auf internationaler Ebene. Über die bereits genannten Länder hinaus wurden in der Schweiz, in Österreich, Portugal, Skandinavien und auf dem Balkan Antikriegstage durchgeführt. Dies geschah ohne zentrale Organisation allein durch persönliche Kontakte und Anstrengungen.

Die Parole "Nie wieder Krieg" war zwar unter dem unmittelbaren Eindruck des Krieges eine aufrüttelnde Protestformel, reichte jedoch als Integrationsformel auf die Dauer nicht aus. Die Organisationen im Aktionsbündnis waren sich nur in der Frage der Kriegsgegnerschaft, nicht aber über die Wege der Friedenssicherung, einig. Die Parole entwickelte sich so mit zunehmendem Abstand zum Krieg immer stärker zu einer Kompromißformel, die nur noch die unterschiedlichen Standpunkte verdeckte. Auch erwies sich die Antikriegsbewegung trotz ihrer beachtlichen Mobilisierungserfolge als zu schwach, um die Regierungen in ihrem Sinne beeinflussen zu können. Das zeigte sich schon beim ersten internationalen Konflikt, der französischen Ruhrbesetzung im Januar 1923, der zur Folge hatte, daß die Teilnahme französischer Redner an den Kundgebungen am 29.07. verhindert wurde und die Kundgebungen nur in geschlossenen Räumen stattfinden konnten. Die KPD veranstaltete in diesem wie in den kommenden Jahren in Konkurrenz einen "Antifaschisten-Tag".

Internationaler Antikriegstag am 3. Septemberwochenende 1924

Das Jahr 1924 stand ganz im Zeichen der 10. Wiederkehr des Kriegsbeginns. Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) rief zu diesem Anlaß in Amsterdam im Mai des Jahres zu einem internationalen Antikriegstag am dritten Sonntag im September auf. Das ausgewählte Datum, das 1924 auf den 21. September fiel, bezog sich wahrscheinlich nicht auf ein zurückliegendes Ereignis, sondern zielte auf die zu diesem Zeitpunkt in Genf stattfindende Völkerbundsversammlung. Dort sollten "Beschlüsse über Schiedsgericht, Sicherheit und Abrüstung" gefaßt werden, die - wie der Dortmunder "General Anzeiger" euphorisch schrieb - "Wege zum Weltfrieden" sein könnten. Die Arbeiterorganisationen verlangten einen stärkeren Einfluß auf die Verhandlungen.

Die Entscheidung des IGB für einen Antikriegstag in gewerkschaftlicher Trägerschaft führte keineswegs zu einem klaren Trennstrich zu den Nie-wieder-Krieg-Kundgebungen der Friedensbewegung. Je nach örtlichen Gegebenheiten hielt die Friedensbewegung an ihrem Datum fest oder nahm an den gewerschaftlich organisierten Demonstrationen teil.

Als Einleitung zu einer europäischen Friedenswoche fand am 06. August 1924 in Paris eine Kriegsgedenkfeier internationaler Pazifisten statt, bei der etwa 60 Delegierte aus 20 Ländern, u.a. auch aus Deutschland, teilnahmen.

Der 27. Internationale Bergarbeiterkongreß in Prag widmete den 06. August einer "Kundgebung für den Frieden und gegen den Krieg". Der Kongreß forderte den internationalen Ausschuß einstimmig auf, zum Zeichen des Protestes sobald wie möglich einen geeigneten Tag für einen eintägigen Generalstreik auf allen Gruben der Welt zu wählen, um die Regierungen aller Länder vor einem neuen Kriegsausbruch zu warnen.

"Gedächtnistag für die Opfer des Weltkrieges"

Die Antikriegsfeiern des Jahres 1924 standen, zumindest was die Beachtung in der Presse anging, im Schatten des "Gedächtnistages für die Opfer des Weltkrieges" am 03. August (auch "Opfertag" und "Totensonntag" genannt) und des Verfassungstages am 10. August. Diese Veranstaltungen fanden 1924 erstmals statt und waren stark von nationalen Tönen durchsetzt. Zwar war der "Opfertag" offiziell als Versöhnung der innenpolitischen Gegensätze über den Kriegsgräbern und nicht als Gegenfeier zum Antikriegstag gedacht, mußte aber so wirken. Die PazifistInnen verurteilten ihn als "Sobaldalsmöglich: Wieder Krieg" - Demonstration und Verhöhnung des Antikriegstages. Der Verfassungstag gehörte zu den Gedenktagen, die zwar nicht als Antikriegstag ins Leben gerufen, aber durch Friedensbekundungen geprägt wurden. In diese Reihe gehörte auch der 1. Mai; besonders 1925 waren die Maifeiern die eigentlichen Antikriegskundgebungen.

Nach dem bewegten Jahr 1924 wurde es um so ruhiger um die Antikriegstage. Es waren die politische und wirtschaftliche Stabilisierung im Innern und die außenpolitische Entspannungsphase 1924-28, die von den Organisatoren selbst mit herbeigeführt worden war und ihnen jetzt die Massen entzog. Der Friedensbewegung gelang es nicht mehr, die Nie-wieder-Krieg-Kundgebungen wiederzubeleben. Insgesamt mag die Zahl der örtlichen Aktivitäten immer noch beachtlich gewesen sein, der Wiederaufrüstung Deutschlands, die bereits 1928 offen begann (Panzerkreuzerbau), konnte sie nichts entscheidendes entgegensetzen. Ohnmächtig mußte die Nie-wieder-Krieg-Bewegung auch den Aufstieg der NSDAP und ihrer Organisationen, von denen sie immer wieder diffamiert und terrorisiert worden waren, mitansehen. 1932 verzichtete das Organ der Deutschen Friedensgesellschaft "Das andere Deutschland" schließlich auf seine traditionelle Nie-wieder-Krieg-Sondernummer mit der Begründung, der Krieg sei zu einer Gegenwartserscheinung geworden.

Der Antikriegstag nach dem zweiten Weltkrieg

Am 1. September 1957 wurde in der BRD zum ersten Mal der "Antikriegstag" begangen. Das Datum erinnert an den deutschen Überfall auf Polen 1939. Zu diesem 1. Antikriegstag aufgerufen hatte die "Antimilitaristische Aktion", ein Bündnis der Sozialistischen Jugend - Die Falken, der Solidaritätsjugend, der Naturfreundejugend und der Verband der Wehrdienstverweigerer. Im Juli 1956 war die allgemeine Wehrpflicht beschlossen worden und am 1.4. 1957 zogen die ersten Wehrpflichtigen in die Kasernen der Bundeswehr ein.

Der Antikriegstag in den 50er und 60er Jahren

Der 1. September stand in den 50er und 60er Jahren meist im Schatten der Ostermärsche (zu deren Geschichte siehe die gesonderte Infosammlung zur Ostermarsch-Geschichte auf diesem Server) statt, die 1960 von britischen PazifistInnen initiiert wurden und ab 1961 auch in der Bundesrepublik stattfanden. Sie erhielten immer mehr TeilnehmerInnen, 1968 waren es bei allen dezentralen Veranstaltungen zusammengerechnet 300.000 Menschen.

Der Antikriegstag geriet durch den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die CSSR am 21. August 1968 in seine große Krise. Die Bildung der SPD-FDP Regierung 1969 entzog dem Antikriegstag nach Ansicht von SPD- und DGB-Vertetern seine Existenznotwendigkeit, denn zur Friedenspolitik von Willy Brandt gäbe es "keine Alternative" - so die Begründung. Viele gewerkschaftliche Gruppen nahmen nur noch am Volkstrauertag teil.

Der Antikriegstag in den 70er Jahren

Erst die Einsicht, daß mit den Ostverträgen der Frieden keineswegs sicherer geworden war und daß das Wettrüsten nicht beendet wurde, führte zum Umdenken. Es war das neugegründete "Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" (KOFAZ), das Mitte der 70er Jahre mit der Aktionswoche im Mai diese Tradition wiederbelebte. Motor waren u.a. der DKP nahestehende oder ihr angehörige Aktivisten, so daß SPD und DGB mit Abgrenzungsbeschlüssen reagierten, ohne zunächst eigene Aktionen alternativ anzubieten. Die DGB-Jugend sprach sich 1977 für den eigenen Antikriegstag und die KOFAZ-Initiative aus. 1978 war der Antikriegstag zunächst für den Landesverband NRW des DGB wieder zentrales Anliegen mit einer großen Veranstaltung in Essen. Zum 1.9. 1979 rief der DGB Bundesverband unter dem Motto: "Nie wieder Krieg! Abrüstung - Gewinn für uns!" bundesweit zum Antikriegstag auf. Auf der zentralen Veranstaltung in Dortmund sprach der damalige Vorsitzende Heinz Oskar Vetter.

Die sich verschärfende internationale Lage, die zunehmende Abkehr der Supermächte von einer Politik des Friedens und der Verständigung hin zu weltweiter Konfrontation und Hochrüstung, aber auch die Konfliktherde im Nahen Osten, in Mittelamerika und der Nord-Süd-Konflikt lösten innerhalb der Kirchen, der politischen Parteien aber auch bei zahllosen bis dahin kaum engagierten Bürgerinnen und Bürgern Diskussionen aus, an deren Ende die Entstehung einer in der bisherigen Geschichte der Bundesrepublik einmaligen Friedensbewegung stand. Auch der DGB wurde mehr und mehr von ihr beeinflußt.

Der Antikriegstag in den 80er Jahren

Der Antikriegstag 1980 wurde ganz offiziell vom DGB-Bundesvorstand zum "Tag für friedenspolitische Aktionen der Gewerkschaften" deklariert.

1981 erhielten die Aktivitäten des DGB zum Antikriegstag mit der Initiierung einer bundesweiten Unterschriftsaktion gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Europa und gegen die Produktion von Atomwaffen eine neue Qualität. Bis zum Antikriegstag am 1. September 1982 wurde dieser Aufruf von 1,5 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unterschrieben. Die Hinwendung des DGB zu stärkerem friedenspolitischen Engagement vollzog sich allerdings nicht ohne Konflikte aufgrund der unterschiedlichen politischen und weltanschaulichen Positionen innerhalb des DGB, die sich insbesondere zwischen DGB-Jugend und Gesamtorganisation zeigten.

Das Jahr 1983, in dem der Nato-Doppelbeschluß in Westeuropa in Kraft gesetzt werden sollte, war für die gesamte Friedensbewegung und damit auch für das friedenspolitische Engagement der Gewerkschaftsjugend bzw. des DGB von besonderer Bedeutung. Der Antikriegstag am 1. September 1983 stand ganz im Zeichen dieser Diskussion. Zahlreiche Veranstaltungen wurden im gesamten Bundesgebiet durchgeführt. Der Bundesvorstand forderte unter amderem:

  • eine konsequente Fortsetzung der Entspannungspolitik,
  • eine Beendigung der Wettrüstens in Ost und West,
  • einen sofortigen Verzicht auf die Entwicklung, Erprobung und Stationierung neuer Nuklearwaffen sowie von Waffen für den Einsatz im Weltraum,
  • ein Verhandlungsergebnis in Genf, das die Stationierung atomarer Kurz- und Mittelstreckenraketen in Europa überflüssig macht.

Am 5. Oktober ruhte in der Zeit von 11:55 bis 12:00 Uhr in vielen Betrieben der Bundesrepublik die Arbeit. Wenige Wochen später, am 22. Oktober 1983, demonstrierten in Stuttgart, Bonn und Hamburg zehntausende gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen die bevorstehende Stationierung. Es handelte sich um gemeinsame Großdemonstrationen von DGB und Friedensbewegung.

Am 22. November 1983 sprach sich der Deutsche Bundestag für die Stationierung von Pershing II und Cruise Missiles in der Bundesrepublik aus. 1983, das Jahr in dem sich zum fünfzigsten Male die nationalsozialistische Machtergreifung in Deutschland jährte, wurde zum Stationierungsjahr. Damit war aber weder für die Friedensbewegung noch für den DGB das friedenspolitische Engagement beendet.

In den sieben Punkten zum Anti-Kriegstag 1984 setzte sich der DGB u.a.

  • für die Entwicklung alternativer Sicherheitsstrategien auf der Basis der Sicherheitspartnerschaft,
  • für die Schaffung von atom- und chemiewaffenfreien Zonen in Mitteleuropa mit dem Ziel eines atomwaffenfreien Europa sowie die Fortsetzung der Rüstungskontroll- und der Abrüstungsverhandlungen ein. Darüber hinaus beachtete der DGB nun stärker sein eigenes Aktionsfeld, die Betriebe: Immer deutlicher wurden seine Forderungen nach Einstellung des Rüstungsexportes, nach der Umstellung von Rüstungs- auf Friedensproduktion. Gerade die Diskussionen um alternative Sicherheitskonzepte, um Rüstungskonversion, aber auch das wachsende Engagement vieler Gewerkschaftlerinnen und Gewerkschaftler für die Sicherung der Menschenrechte besonders in der Dritten Welt gaben den jeweiligen Veranstaltungen zum Anti-Kriegstag in den 80er Jahren immer neue Akzente.

Die Entwicklung des Antikriegstags seit Mitte der 80er Jahre

Mit zunehmender Entspannung zwischen Ost und West wurde es seit Mitte der 80er Jahre für Friedensbewegung und DGB immer schwieriger, für Aktivitäten zum Antikriegstag zu mobilisieren. Insbesondere nach 1989 wurde eine militärische Auseinandersetzung zwischen Ost und West nicht mehr als akut bedrohlich empfunden und die Notwendigkeit öffentlichkeitswirksamer Aktionen am 1. September war einer breiten Öffentlichkeit nicht mehr vermittelbar. Ehrenamtliches Engagement nahm seit Mitte der 80er Jahre in allen Bereichen von sozialen Bewegungen ab, wovon auch der Antikriegstag betroffen war.

Die vergangenen 10 Jahre schienen von einem gesamtgesellschaftlichen Konsens über Abrüstung, Rüstungskonversion und außenpolitischen Entspannung geprägt. Dennoch verschärften sich viele außenpolitischen Konflikte insbesondere im Nord-Süd-Verhältnis aber auch innerhalb von Europa. Im Zuge von Diskussionen über eine sogenannte "Weltinnenpolitik" und "das Erwachsenwerden von deutscher Außenpolitik" fand langsam und nahezu unbemerkt eine schleichende Militarisierung von deutscher Außenpolitik statt.

"Out of area"-Einsätze der Bundeswehr (zu "Out of Area"-Einsätzen der Bundeswehr s.a. Bundeswehreinsätze in aller Welt?) führten seit Anfang der 90er Jahre zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien über die Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit solcher Einsätze. Im Kosov@-Krieg von März-Juni 1999 wurde schließlich die neue NATO-Strategie mit deutscher Beteiligung erprobt - begründet und ideologisch aufgeladen als Interbention für die Menschenrechte. Somit ist eine Beteiligung Deutschlands an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg 50 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs und der Beschwörung der Parole "Nie wieder Krieg" wieder möglich geworden.

Die zwei Parolen "Nie wieder Krieg" und "Nie wieder Ausschwitz" (Scharping, Fischer; "Neue Ausschwitzlüge") wurden im Kosovo Krieg so verbunden, dass eine Akzeptanz bzw. Tolerierung des Krieges "als kleineres Übel" in breiten Bevölkerungskreisen erreicht wurde.

Eine Mobilisierung von in den Medien sichtbaren "Massen" gegen diesen Krieg ist der deutschen Friedensbewegung während des Krieges nicht gelungen (vgl. z.B. diverse Artikel im FriedensForum 4/99). Dennoch gab und gibt es zahlreiche Diskussionen und Antikriegsaktivitäten in der gesamten Republik, in denen intensiv über die "Lehren aus diesem Krieg" nachgedacht und z.T. auch gestritten wird.

Der Antikriegstag 1999 stand im Zeichen des NATO Einsatzes in Jugoslawien, der dem Kosovo nicht die gewünschte Ruhe brachte. Trotz des offensichtlichen Scheiterns des militärischen Eingreifens, das die Flüchtlingskatastrophe im Kosovo erst auslöste setzen Bundesregierung und NATO weiterhin auf militärische Interventionen. Statt verstärkt auf zivile Konfliktlösung zu setzen baut die Bundeswehr die Krisenreaktionskräfte aus und setzt somit die Militarisierung der deutschen Außenpolitik fort.

Der Antikriegstag im neuen Jahrtausend

Am 01.09.2000, 61 Jahre nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Polen wird die rot-grüne Militär- und Rüstungspolitik kritisiert. Die Folgen des Jugoslawienkrieges auf die gesamte Region waren immer noch spürbar und führten zu Spannungen auf dem gesamten Gebiet der ehemaligen Jugoslawischen Föderation. Zusätzlich treibt die rot-grüne Bundesregierung (,Deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik") den Umbau der Bundeswehr weiterhin voran, um die Fähigkeit für Auslandseinsätze zu verbessern und erlaubt umfangreiche Rüstungsexporte in die Türkei, und Russland, beides Länder die für ihre schlechte Menschenrechtslage bekannt sind.

Außerdem treibt die US Administration durch die Pläne eines Raketenabwehrprogramms (National Missile Defense; NMD) das weltweite Wettrüsten wieder an, um einer angeblichen nuklearen Bedrohung durch "Schurkenstaaten" begegnen zu können.

Anlässlich des Antikriegstages 2001 forderten Gewerkschaften und Friedensgruppen zivile Konfliktbearbeitung anstatt von EU Militarisierung und Eingreiftruppen. Der Bürgerkrieg in Mazedonien, ausgelöst durch den Angriffskrieg der NATO auf Serbien zeigte einmal mehr das Versagen der militärischen Konfliktlösung. Anstatt UNO und OSZE zu stärken und den Weg für zivile Konfliktbearbeitung frei zu machen setzt die EU immer stärker auf Eingreiftruppen und militärische, kurzsichtige Lösungsansätze.

Themenschwerpunkte des Antikriegstages 2001 bildete der NATO Einsatz in Mazedonien und die vielen anderen militärisch nicht lösbaren Konflikte, wie Israel/Palästina, Tschetschenien, Türkei und viele andere, an die in vielen Veranstaltungen hingewiesen wurde. Zugleich kündigte die Bush Administration den ABM Vertrag mit Russland und treibt die Pläne eines Raketenabwehrprogramms weiter voran und heizt somit die Rüstungsspirale aufs neue an.

Im Mittelpunkt der Veranstaltungen 2002 standen die Proteste gegen den weltweiten Krieg gegen den Terror. Die massiven Bombardierungen Afghanistans und die massive Waffenhilfe für die Nordallianz führte schließlich zum Sturz der Taliban in Kabul. Während dieses Einsatzes setzten die US Truppen wiederum, wie in Jugoslawien völkerrechtlich geächtete Waffen wie Clusterbomben, und Uranmunition ein. Die Friedensbewegung forderte einen Ausstieg aus der Gewaltspirale und die Anwendung von friedlicher Konfliktlösung ohne Bomben. Zugleich wurde Protest gegen den drohenden Irakkrieg angekündigt.

Im Jahre 2003 reklamieren die Gruppen der Friedensbewegung friedliche Konfliktbearbeitung und globale Gerechtigkeit. Kritisiert wurden die militärische Interventionen und Militarisierung der EU und gefordert wurde zivile Konfliktbearbeitung und eine globale Politik des Ausgleichs zwischen Arm und Reich als Grundlage für friedliche Entwicklung. Auch wurden die Pläne des Bundeswehreinsatzes in Kundus kritisiert, der nicht am Bedarf vor Ort und den Interessen der bisher dort tätigen Hilfsorganisationen orientiert ist. Angesichts des Sozialabbaus in Europa und der gleichzeitigen Stärkung des militärischen Pfeilers der EU fanden viele Veranstaltungen unter dem Motto "Abrüstung statt Sozialabbau" statt.

2004 standen wiederum die Forderungen nach einer Senkung der Weltweiten Militärausgaben, der Kritik der militärischen Komponente der EU, der Interventionsdoktrinen von USA und NATO im Vordergrund. Anstatt auf friedliche Konfliktlösung zu setzen wird durch den Krieg gegen den Terror immer weiter an der Gewaltspirale gedreht. Obwohl die Situation im Irak alles andere Stabil ist, die als Kriegsgrund angegebenen Massenvernichtungswaffen nicht aufgetaucht sind hält die US Regierung immer noch an ihrer Militärpolitik fest.

2005 wendeten sich die Friedensgruppen und Gewerkschaften gegen die Beteiligung der Bundeswehr an Kriegen in aller Welt, warnen vor einer gefährlichen Eskalation im Atom-Konflikt mit Iran und fordern die Profilierung der Europäischen Union als Bündnis für Zivile Konfliktbearbeitung.

Anlässlich des Antikriegstags 2006 forderten die Gruppen der Friedensbewegung nach dem (fragilen) Waffenstillstand umfassende humanitäre und Wiederaufbauhilfe für den Libanon und eine dauerhafte Friedenslösung im Nahen und Mittleren Osten. Dazu müssen neben Israel und Libanon die Nachbarstaaten, gerade auch Syrien, aber auch Iran eingebunden werden, ebenso die PLO, Hamas und die Hisbollah. Eine Beteiligung deutscher Truppen lehnen die Friedensinitiativen ab, während große Anstrengungen im zivilen, diplomatischen, politischen und Wirtschaftlichen Bereich gefordert werden. Zahlreiche Veranstaltungen zum Beginn des 2. Weltkriegs vor 67 Jahren wenden sich gegen die Beteiligung der Bundeswehr an Kriegen in aller Welt, warnen vor einer gefährlichen Eskalation im Atom-Konflikt mit Iran und fordern die Profilierung der Europäischen Union als Bündnis für Zivile Konfliktbearbeitung.

Der Antikriegstag 2007 stand im Zeichen des Protest gegen die Beteiligung der Bundeswehr an Kriegen in aller Welt.
Gegen die für Anfang Oktober 2007 im Bundestag vorgesehene Verlängerung der Mandate für "Operation Enduring Freedom" (OEF), die ISAF-Mission unter NATO-Führung und die Tornado-Einsätze der Luftwaffe in Afghanistan wenden sich viele Gruppen der Friedensbewegung u.a. mit der Demonstration in Berlin am 15. September 2007 (siehe http://www.afghanistandemo.de. Statt einer Mandatsverlängerung für die Bundeswehreinsätze werden ein konkreter Abzugsplan (Exit-Strategie), Friedensverhandlungen und ziviler Wiederaufbau gefordert.

Die zahlreichen Veranstaltungen des Antikriegstags 2008 wendeten sich gegen die Beteiligung der Bundeswehr an Kriegen in aller Welt und erneute Verlängerung und Ausweitung des Afghanistan-Mandats der Bundeswehr. Zum Afghanistan-Krieg fanden am 20. September 2008 auch zwei miteinander verbundene Demonstrationen in Berlin und Stuttgart statt (siehe http://www.afghanistandemo.de).

Am Antikriegstag 2009 protestierten die Gruppen der Friedensbewegung gegen die Beteiligung der Bundeswehr an Kriegen in aller Welt und forderten "Truppen raus aus Afghanistan!". Dazu ist ein gemeinsamer Flyer erschienen, der bei der Friedenskooperative bestellt werden kann, wie auch ein aktualisierter Reader zu Afghanistan.

Im Zentrum der Proteste stand 2010 die Beteiligung der Bundeswehr an Kriegen in aller Welt und die Forderung "Truppen raus aus Afghanistan!".

Die Aktionen im Rahmen des Antikriegstag 2011 wendeten sich gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr und forderten "Truppen raus aus Afghanistan", einen Verhandlungsprozess und zivile Hilfe.
Vor allem auch gegen die deutschen Rüstungsexporte und die Lieferung von 200 Kampfpanzern Leopard 2 an das saudi-arabische Regime wurde protestiert. Der Sturz des Gaddafi-Regimes durch einen NATO-Krieg zeigt wirtschaftliche Interessen unter dem Deckmantel humanitärer Intervention. Viele der örtlichen Veranstaltungen befassten sich mit den Veränderungen in Nordafrika und den arabischen Ländern und kritisieren die Doppelmoral der westlichen Staaten und deren weitere Stützung "befreundeter" Despoten.

Auch 2012 wendete sich die Friedensbewegung die Auslandseinsätze der Bundeswehr und forderten "Truppen raus aus Afghanistan", einen Verhandlungsprozess und zivile Hilfe (vgl. auch http://www.afghanistanprotest.de). Zudem standen erneut die deutschen Rüstungsexporte und die Lieferung von ca. 280 Kampfpanzern Leopard 2 (oder mittlerweile 600-800) an das saudi-arabische Regime in der Kritik. Vor einer militärischen Intervention und der weiteren Anheizung des Bürgerkrieges durch Waffenlieferungen wird gewarnt. Die Veränderungen in Nordafrika in den arabischen Staaten und die Doppelmoral der westlichen Staaten und deren weitere Stützung "befreundeter" Despoten wurden weiterhin kritisiert.

Die Veranstaltungen zum Antikriegstag 2013 wendeten sich im unmittelbaren Vorfeld der Bundestagswahl vor allem gegen den deutschen Waffenhandel, z.B. die geplanten Lieferungen von Kampfpanzern Leo 2 nach Saudi-Arabien und Katar sowie gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr und forderten "Truppen raus aus Afghanistan", einen Verhandlungsprozess und zivile Hilfe (vgl. auch http://www.afghanistanprotest.de).
Vor einer militärischen Intervention und der weiteren Anheizung des Bürgerkrieges in Syrien durch Waffenlieferungen wurde gewarnt. Viele der örtlichen Veranstaltungen zum Antikriegstag solidarisierten sich mit den Protestaktionen in der Türkei und verlangten die Aussetzung der Polizeizusammenarbeit mit dem repressiven Erdogan-Regime.

Am Antikriegstag 2014 wendeten sich die zahlreichen Veranstaltungen gegen  die u.a. von Bundespräsident Gauck gepredigte "Normalisierung" der deutschen Außenpolitik und der Propagierung "deutscher Verantwortung" im Sinne der Akzeptanz kriegerischer Intervention. Für die Friedensbewegung ist der weitgehende Rückfall in die Kalter-Kriegs-Rhetorik in der Ukraine-Krise ein Alarmzeichen. Im Verhältnis zu Russland hier wie auch in einer konstruktiven Konfliktbearbeitung der Kriege in Syrien, Irak und der Konflikte der gesamten Nahost-Region ist Zusammenarbeit und Interessensausgleich statt Konfrontation nötig.

 

Autor*innen: Barbara Petersen, Ingmar Kreisl, Mani Stenner und Kristian Golla unter Verwendung der Quellen:

  • VVN/BdA: Antifaschistische Bochumer Blätter. - Bochum, [ca. 1998], 4 S.
  • DGB Bundesvorstand, Abt. Gesellschaftspol.; Abt. Gewerkschaftl. Bildung; Abt. Jugend (Hrsg.): Nie wieder Krieg - Kurze Geschichte des Antikriegstages. - Friedens- und Sicherheitspolitik: Materialien zur gewerkschaftlichen Bildungsarbeit. Düsseldorf, [ca. 1985], 36 S.