Redebeitrag von Elke Pudszuhn (VdN/BdA) für die Antikriegstagsveranstaltung am 1. September 2017 in Erfurt

 

- Es gilt das gesprochene Wort -
- Sperrfrist: 1.9., Redebeginn: ca. 17 Uhr -

 

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

Heute am Weltfriedenstag, dem 1. September erinnern wir an ein Ereignis, das für ältere Bürger, die Krieg und Faschismus erlebten und zum großen Teil auch Opfer aus der Familie zu beklagen haben, noch in Erinnerung . Für die jüngeren Bürger unserer Städte ist es nur Wissen aus den Geschichtsbüchern oder aus Berichten von den Großeltern. Deshalb ist es wichtig, dass es solche Gedenkstelen gibt. Gedenkstelen sind dann von hohem menschlichem Wert, wenn sich ihr mahnendes Erinnern mit Lehren für heute und für die Zukunft verbindet.

Heute vor 78 Jahren am 1. September begann mit dem Einmarsch der faschistischen deutschen Wehrmacht in Polen der II. Weltkrieg. In folge des räuberischen Krieges holten sie Arbeitskräfte für den Krieg nach Deutschland, über zehn Millionen Frauen und Männer aus 20 Nationen mussten in Deutschland schuften.

Die Älteren und Alten unter uns erinnern sich sorgenvoll an die 12 Jahre Faschismus und Krieg, in denen Menschen ge - und erschlagen, hemmungslos getötet wurden, weil sie anders dachten oder lebten, weil sie Juden oder Sinti und Roma waren.

Der Holocaust beginnt nicht erst mit der Pogromnacht am 9. November 1938, sondern bereits 1933.

Unter den ersten Antifaschisten, die aus meiner Heimatstadt Zella-Mehlis in eines der ersten KZ in Bad Sulza in „Schutzhaft“ genommen wurden, befanden sich auch meine Eltern, Else und Hans Raßmann. Meine Mutter gehörte zu den ersten vier Frauen, die in das KZ kamen.

Die Menschen - gemessen an der Einwohnerzahl eine Minderheit -– die den zur Zwangsarbeit nach Erfurt verschleppten Menschen aus antifaschistischer Solidarität, aus christlicher Nächstenliebe, aus humanistischem Verpflichtet sein ihr Menschenmögliches taten, um das Elend ihrer zwangsdeportierten Mitmenschen zu lindern, mussten mit strenger Bestrafung bis hin zur Todesurteilen rechnen.

Ich zitiere aus einer Bekanntmachung: „Trotz der eindeutigen Bekanntmachung, dass es verboten ist, sich mit Russinnen zu unterhalten oder ihnen etwas zu geben, hat das deutsche Gefolgschaftsmitglied Michael unternommen, sich mit diesen zu unterhalten und in einigen Fällen auch etwas zu geben. Er wurde mit einer Geldbuße von 10.- Reichsmark zugunsten des Kriegswinterhilfswerkes belegt… Es ist uns unverständlich, dass trotz aller klaren Warnungen ein deutscher Mann gegen die Ehrauffassung des deutschen Volkes verstößt.“

Und es gab Menschen, die an den vielen Arbeitsstellen tätigen Arbeitssklaven in Erfurt mit einem Stück Brot, etwas Wäsche oder Schuhen geholfen haben oder Nachrichten übermittelten über den Kriegsverlauf.

Und es gab Widerstand und Sabotage seitens der Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen.

Und es gab trotzdem die Verbindung zwischen Antifaschisten und den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern.

Bei dem Gedanken, wie sich Menschen damals verhalten haben, bin ich bei der Gegenwart, der Verantwortung der heute Lebenden.

Wie verhalte ich mich, wenn in meiner Umgebung, die Menschenwürde anderer verletzt wird? Schaue ich weg, klatsche ich Beifall, werde ich selbst zum Täter,

habe ich Angst einzugreifen, kann ich mich mit dem Opfer identifizieren?

Das nimmt uns alle in Verantwortung, denn ausgehend von den geschichtlichen Erfahrungen, gemeinsam mit humanistisch orientierten Menschen für die Abwendung großer Gefahren für die Demokratie in diesem Land und für ein Denken und Handeln entsprechend dem Artikel 1 des Grundgesetzes zu wirken, der da heißt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar, sie zu achten und zu schätzen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“.

Deshalb denke ich, das uns dieser Tag heute – unabhängig von politischen Überzeugungen, religiösen Bindungen, sexuellen Orientierungen, der Hautfarbe oder ethnischen Zugehörigkeit, gleich welcher sozialen Stellung, Alter oder Herkunft zusammengeführt hat um die Menschenwürde, das friedliche Zusammenleben und die Demokratie zu verteidigen.

Noch immer gibt es Rassismus und Antisemitismus im Alltag in der Bundesrepublik. Menschen werden gejagt und ermordet, jüdische Friedhöfe und antifaschistische Denkmale geschändet.

Hier bedarf es eines breiten gesellschaftlichen Konsens.

Lasst uns gemeinsam Handeln, dass niemand wieder sagen kann, dass haben wir nicht gewollt, dass haben wir nicht gewusst.

Das sind wir allen Opfern von Gewalt schuldig - damals wie heute!

Mit Krieg 1939 begann ein Inferno, das von Deutschland ausging, heute gibt es Kriege, an denen deutsche Soldatinnen und Soldaten beteiligt sind.

Ich bin gegen Krieg und kriegerische Auseinandersetzungen, damit werden keine Probleme gelöst, auch nicht in Syrien und anderswo.

Ich bin für friedliche Lösungen von Konflikten in der Welt.

Deshalb ist der 1. September, der Weltfriedenstag oder Antikriegstag für mich Anlass

den Schwur der 21.000 überlebenden Häftlinge von Buchenwald vom 19. April 1945 als Verpflichtung und Mahnung anzunehmen und für eine Welt des Friedens und der Freiheit einzutreten.

 

Elke Pudszuhn ist Vorsitzende des Thüringer Landesverbandes des VdN/BdA.