Redebeitrag zur Verleihung des Aachener Friedenspreises am 1.9.2019

 

- Sperrfrist: 1.9.2019, Redebeginn: ca 18 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

es ist mir eine große Ehre, für die bundesweite Kampagne "Büchel ist überall – atomwaffenfrei.jetzt!“ den Aachener Friedenspreis entgegen nehmen zu dürfen.

Hinter unserer Kampagne stehen 68 Organisationen, die zusammen den Trägerkreis "Atomwaffen abschaffen – bei uns anfangen!“ bilden. Dieser Trägerkreis wurde am 31. August 1994 gegründet, also gestern vor 25 Jahren.

Der Kampagnenrat des Trägerkreises initiierte im Jahr 2016 die jährlichen Protestwochen in Büchel. Die "20 Wochen gegen 20 Bomben“ fanden in diesem Jahr zum vierten Mal statt.

Büchel wurde im Laufe unserer Arbeit von Jahr zu Jahr bekannter – und ist nun der Symbolort des Widerstandes gegen Atomwaffen in Deutschland!

Ich möchte nun in wenigen Worten sagen, was mich motiviert, mich seit 23 Jahren in Büchel für den Abzug der dortigen US- Atomwaffen einzusetzen.

Als ich 16 Jahre alt war – damals war die Zeit des Kalten Krieges – lernte ich in der Schule, dass die Atomwaffen wie ein Damoklesschwert über unseren Köpfen hängen. Seitdem lebe ich in dem Bewusstsein, dass jede Minute für uns alle die letzte gewesen sein kann.

Der Glaube an die Nukleare Abschreckung führt nicht zu Sicherheit, sondern sie bringt die Welt in große Gefahr! Durch einen Unfall, ein Missverständnis oder militärische Muskelspiele könnte jederzeit ein Atomkrieg beginnen.

In den 1980er Jahren führten unsere Proteste gegen das atomare Wettrüsten letztlich zum INF-Vertrag von 1987. Ein großer Erfolg! Atomare, landgestützte Mittelstreckenraketen wurden aus Europa abgezogen und vernichtet.

Heute gibt es in Deutschland noch etwa 20 US-Atombomben, und zwar in Büchel in der Eifel. Diese Atombomben haben in etwa die 10-fache Sprengkraft der Bombe, die 1945 auf die japanische Stadt Hiroshima abgeworfen wurde.

Die in Büchel stationierten US-Atombomben vom Typ B61 werden derzeit technisch aufgerüstet. Die Produktion des neuen Bombentyps B61-12 ist in den USA für das Jahr 2023 geplant. Diese neue Atombombe wird dann „nur noch“ (in Anführungszeichen!) die 4-fache Sprengkraft der Hiroshimabombe besitzen. Führende US-Strategen wollen mit diesen sogenannten Mini-Nukes einen begrenzten Atomkrieg möglich machen.

Die deutsche Bundesregierung schweigt öffentlich zu den US-Atomwaffen in Büchel. Sie unterstützt die US-Aufrüstungspläne, indem auch sie in der NATO dafür gestimmt haben und zusätzlich: erstens durch den neuen Hochsicherheitszaun, der für 18 Millionen Euro um den Fliegerhorst herum gebaut wird, und zweitens durch die geplante Anschaffung neuer Jagdbomber als Atomwaffenträger.

Und zwar geschieht dies alles gegen den Willen der Bevölkerung, die mehrheitlich gegen Atomwaffen ist. Die jüngste Forsa-Umfrage hat es wieder bestätigt: Etwa 80 % der Deutschen sprechen sich gegen Atomwaffen aus, auch gegen die in Deutschland stationierten US-Atomwaffen und deren technische Aufrüstung.

Außerdem verstößt unsere Regierung gegen geltende internationale Verträge und Gesetze, sowie gegen das Völkerrecht, nachdem die Herstellung, Stationierung und Drohung mit Atomwaffen – generell verboten sind. Auch weigert sie sich den Atomwaffen-Verbotsvertrag zu unterzeichnen.

Um auf die Gefahren hinzuweisen, die von den in Büchel stationierten Atomwaffen ausgeht, führen wir in Büchel auch immer wieder gewaltfreie Aktionen des Zivilen Ungehorsams durch. Dazu gehören zum Beispiel Sitzblockaden und Go-Ins. Aktivist/innen sind immer wieder durch den Zaun bis zu den Atomwaffen-Bunkern und zur Landebahn vorgedrungen.

Die „Eindringlinge“ verschiedener Prozessgruppen (Atomwaffen auf die Anklagebank, Wider§pruch, etc. ) machen dies mit dem Ziel, geltendes Recht durchzusetzen: Das Internationale Recht ist unserem Recht übergeordnet – es muss nur von den Gerichten auch angewendet werden. Schon mehrfach hat es das Bundesverfassungsgericht abgelehnt, sich dieses Themas anzunehmen, da es angeblich nicht im öffentlichem Interesse läge. Einige werden deshalb beim nächsten Mal – falls nötig – auch zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen!

Wir werden das Ziel, eine WELT OHNE ATOMWAFFEN, mit all diesen Mitteln weiter verfolgen!

Die internationale US-Rechtsexpertin, Anabell L. Dwyer, hat hierfür im Januar 2019 für das Berufungsverfahren von Gerd Büntzly, der im Jahr 2017 zusammen mit vier US-AmerikanerInnen einen Atomwaffen-Bunker besetzt hat, ihre Rechtserklärung abgegeben.

Ihre Schlussfolgerung sagt: „Die selbstzerstörerische Leugnung der katastrophalen Wirkungen von Kernwaffen hat Militärinstitutionen und Regierungen dazu geführt, grundsätzliche humanitäre Gesetze und die Prinzipien von Nürnberg nicht mehr zu beachten. Und dies, obwohl diese Gesetze und Prinzipien die Grundlage ihrer Legitimität … sind. Stattdessen dienen die USA und die NATO nun Konzernen, die fortdauernden Profit für nicht einsetzbare, nicht haltbare und gesetzwidrige Atomwaffen verlangen.

Die allgegenwärtige Fähigkeit von Atomwaffen zu regionalen und globalen Katastrophen sowie der Drohung damit verlangt, dass wir die Herrschaft des Gesetzes verstehen: Verwirklicht durch Übereinkunft, nicht erzwungen durch immer größere Macht. Wir können das tun, indem wir in gutem Glauben vollständige atomare Abrüstung erreichen.

Die Rolle der Gerichte, insbesondere bei der Lösung dieses zentralen Problems unserer Zeit, kann nicht überbewertet werden.“

Zum Schluss möchte ich noch allen Kampagnenrats-Mitgliedern danken, ohne die die bundesweite Kampagne „Büchel ist überall – atomwaffenfrei.jetzt!“ nicht möglich wäre:

  • Regina Hagen, die Redakteurin der Zeitschrift Wissenschaft & Frieden
  • Wolfgang Schlupp-Hauck und Arailym Kubayeva von der Friedens- und Begegnungsstätte Mutlangen,
  • Xanthe Hall und Ernst-Ludwig Iskenius von der „Internationalen Organisation der Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges“
  • Kristian Golla, Philipp Ingenleuf, Marvin Mendyka und Andreas Buschmann vom Netzwerke Friedenskooperative,
  • Heidemarie Dann vom Friedensbündnis Hannover,
  • Martin Otto von der Gewaltfreien Aktion Atomwaffen Abschaffen (GAAA),
  • Reiner Braun und Bernd Hahnfeld von der Internationalen Vereinigung der Juristen gegen Atomwaffen (IALANA),
  • Heidi Kassei von der buddhistischen Gemeinschaft Sôka Gakkai,
  • Den beiden Pfarrern Rainer Schmid und Matthias Engelke vom Internationalen Versöhnungsbund,
  • Roland Blach, unser Kampagnenkoordinator, von der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegenerInnen (DFG-VK),
  • Elke Koller vom Initiativkreis gegen Atomwaffen,
  • Horst-Peter Rauguth von Pax Christi,
  • Simon Bödecker von Ohne Rüstung Leben,
  • Hildegard Slabik-Münter von der Friedens-Initiative Daun,
  • Ulrich Suppus von der Friedensinitiative Hunsrück,
  • sowie unser Kampagnenleiter Ulrich Wohland von der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion

Ich danke auch allen Menschen, die unsere Selbstverpflichtungserklärung unterschrieben haben, dass sie mindestens einmal im Jahr zum Protestieren und Mahnen nach Büchel kommen; sowie den Menschen, die sich öffentlich mit diesen Protesten und Mahnwachen solidarisch erklärt haben.

Nun möchte ich mit einem Zitat von Mahatma Gandhi enden:

Erst ignorieren sie uns
Dann lachen sie über uns
Dann bekämpfen sie uns
Und dann haben wir gewonnen!

Vielen Dank!

 

Marion Küpker ist Koordinatorin und (Co-)Sprecherin der der Kampagne atomwaffen.jetzt und Trägerin des Aachener Friedenspreis 2019.