Redebeitrag für die Antikriegstagveranstaltung am 5. September 2020 in Braunschweig

 

- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Liebe Friedensfreunde,

Krieg ist ein Verbrechen - Rüstung ist Verschwendung - darüber sind wir uns einig, deshalb sind wir heute auf die Straße gegangen.

Kriege brechen nicht aus - sie werden gemacht. Und ob Milliarden für Kriegsflugzeuge, Fregatten und Panzer ausgegeben werden oder für Soziales, für Bildung oder ökologischen Umbau der Wirtschaft - darüber entscheiden Menschen, Bundestagsabgeordnete zum Beispiel.

Ein paar Zahlen kann ich Euch nicht ersparen, um das Ausmaß der Geldverschwendung deutlich zu machen:

2018 waren die Militärausgaben weltweit so hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr. 1,8 Billionen Dollar, eine unfassbar hohe Zahl mit 14 Stellen. Was könnte man mit diesem Geld machen? Zum Beispiel ein Viertel der weltweiten Ausgaben für Gesundheit finanzieren. Oder fast ein Drittel des globalen Bildungsbudgets stemmen.

Deutschland hat im letzten Jahr seine Militärausgaben um 10 % erhöht - auf ca. 46 Mrd. Euro. So stark wie kein anderes Land unter den Top 15 der Welt. Und das, obwohl im SPD-Wahlprogramm steht, dass sie die Erhöhung der Ausgaben für die Bundeswehr auf 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts keinesfalls mittragen wollten. Dazu passt, dass die SPD-Außenminister Gabriel und Maas die Unterzeichnung des UN-Vertrages gegen Atomwaffen von Juli 2017 verweigerten.

Damit diese Zahlen etwas anschaulicher werden, ein paar Beispiele:

Für die Entwicklung des Nachfolgepanzers für den Leopard werden 100 Mrd. Euro Entwicklungskosten veranschlagt. Ob der dann weniger Sprit verbraucht als der Leo mit durchschnittlich 400 Liter auf 100 km darf bezweifelt werden.

Ein Eurofighter kostet 100 Mio. € und verbraucht ca. 3500 Liter Treibstoff pro Stunde. 90 neue will die Bundesregierung anschaffen. Dazu neue F-18-Kampfflugzeuge - wegen nuklearer Teilhabe! Die "Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen" (ICAN) und "Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung“ rechnen allein für die Beschaffung von 30 Maschinen vom Typ F-18 "Super Hornet" mit Kosten von mehr als 7 Milliarden Euro. Nicht berücksichtigt sind dabei weitere Kosten, die über die gesamte Nutzungsdauer der Flugzeuge anfallen. Nach ihren Berechnungen könnten damit in einem Jahr 100.000 Intensivbetten, 30.000 Beatmungsgeräte sowie die Gehälter von 60.000 Pflegefachkräften und von 25.000 Ärztinnen und Ärzte finanziert werden.

Letztes Beispiel: Die vier Fregatten - wegen Mängeln mit jahrelanger Verzögerung in Dienst gestellt - haben 3 Milliarden gekostet.

 

Liebe Friedensfreunde,

so wenig, wie wir uns den obszönen Reichtum einiger Weniger noch leisten können, so wenig können wir uns diese Verschwendung von Geld leisten.

In der aktuellen Tarifrunde werden die berechtigten Forderungen der Kolleginnen und Kollegen aus dem Gesundheitswesen, den Bildungseinrichtungen, den Verwaltungen, Feuerwehren, der Justiz und Polizei mit dem Hinweis auf leere Kassen abgewiesen. Dieses Argument muss auf die Rüstungsprojekte angewandt werden, die machen die Kassen leer!

Im Jahr 2022 will der Finanzminister die Schuldenbremse wieder einhalten. Was dann ausgebremst wird, ist eine Frage des politischen Willens, ist abhängig vom politischen Kräfteverhältnis.

Die Erhöhung des Hartz-4-Regelsatzes um 7 Euro verursacht z.B. 829 Mio. € Mehrkosten pro Jahr - so viel wie 8 neue Eurofighter kosten. Zur Erinnerung: von den Dingern sollen 90 Stück angeschafft werden.

Die Anhebung aller Gehälter von Pflegekräften in Deutschland auf ein tarifliches Niveau würde zwischen 1,4 und 5,2 Milliarden jährlich kosten. . . . Der Erhebung zufolge kämen mehrere Modelle infrage. Bei der teuersten Variante würden alle Gehälter an den Tarifvertrag im öffentlichen Dienst angepasst. Eine Pflegefachkraft würde dann bis zu 3.625 Euro brutto/Monat verdienen, eine Pflegehilfskraft 3.186 Euro. Die Mehrkosten würden rund 5,2 Milliarden Euro im Jahr betragen. (- schreibt das Ärzteblatt) Das sind ungefähr die Mehrkosten für die aktuelle Erhöhung des Rüstungshaushaltes.

Ein halbes Jahr Politik unter Corona-Bedingungen hat u.a. folgendes gezeigt: Der Staat, kann mit viel Geld politisch eingreifen.

Wer die Lufthansa mit 9 Mrd. unterstützt,

wer 46 Mrd. fürs Militär hinblättert,

wer auf eine Millionärssteuer verzichtet,

dem glauben wir kein Wort, wenn Forderungen nach Erhöhung des Kurzarbeitergeldes, des Hartz-4-Satzes, der Bildungsausgaben oder des Mindestlohnes mit dem Hinweis auf leere öffentliche Kassen abgelehnt werden.

Kriege werden gemacht, Reichtum wird gemacht, Armut wird gemacht. Wir können es verändern - trauen wir uns!

 

Werner Hensel ist friedenspolitisch in Braunschweig aktiv.