Redebeitrag für die Antikriegstagsveranstaltung am 1. September 2022 in Bremen

 

- Es gilt das gesprochene Wort! -

 

Hallo,

ich bin Ariane Müller, politisch aktiv seit 1968. Ich bin Krankenschwester und arbeite seit über 48 Jahren im Krankenhaus. In Bremen bin ich im Klinikum Bremen Mitte seit 1981. Seit April bin ich freigestellte Betriebsrätin, arbeite aber noch weiterhin an zwei Tagen im Monat auf der Intensivstation, aktives ver.di Mitglied sowie Sprecherin des Bremer Bündnisses für mehr Personal im Krankenhaus und von uns reicht`s, eine unabhängige Betriebsgruppe im KBM seit 2005. Bei den Betriebsratswahlen im März hatte unsere Liste die meisten Stimmen bekommen.

Das Profitstreben nach möglichst hoher Gewinnausschüttung für die Großaktionäre ist mit der Einführung der Fallpauschalen (DRG`s) in 2003 bittere Realität geworden. Viele Krankenhäuser wurden von Großkonzernen aufgekauft, die sich möglichst viele „goldene Rosinen“ (z.B. durch gewinnorientierte Op`s) herauspicken. Die Krankheit verkommt zur Ware.

Die verbleibenden öffentlichen Krankenhäuser sind dann für die Maximalversorgung und andere teure und langjährige Behandlungen rund um die Uhr zuständig. Auch durch strukturelle Unterfinanzierungen durch den Bund, Land und Kassen und durch eine mangelhafte Bereitstellung von Landesinvestitionen schreiben vor allem die öffentlichen Krankenhäuser rote Zahlen. Diese Investitionen werden in den nächsten Jahren noch weiter rapide zurückgehen.

Diese Summen werden einfach mal so umgeschichtet, werden u.a. benötigt für die 100 Milliarden für die Aufrüstung und den Kriegshaushalt. Die Bundesregierung betreibt aktive Kriegspolitik wie auch schon im Jugoslawienkrieg unter dem Grünen Außenminister Joseph Fischer.

Auch weitere Krankenhäuser sollen und werden in den nächsten Jahren geschlossen. Der Abbau der stationären Gesundheitsversorgung, eine flächendeckende Vollversorgung durch die Krankenhäuser, durch die jetzige Regierung ist ein weiterer Schritt der sozial zerstörerischen Offensive gegen die Bevölkerung. Es findet ein sozialer Krieg hier statt.

Die Ambulante Versorgung in den Krankenhäusern wird dagegen weiterausgebaut, weil diese Art der Behandlung in den Tagesliegestationen mehr Einnahmen bei kürzerer Versorgung generiert.

Wie sieht es konkret in Bremen aus? In Bremen gibt es u.a. kommunale Krankenhäuser, es ist die Gesundheit Nord mit vier Kliniken (KBM, KBN, KBO, LDW). Auch hier ist inzwischen ein Investitionsstau von über weit über 700 Millionen Euro entstanden. Neubauten wurden auf Kosten der Beschäftigten finanziert, z.B. wie der Teilneubau des KBM`s. Das KBM mit etwas über 800 aufgestellten Betten ist das größte Bremer Krankenhaus. Es ist eine Klinik der Maximalversorgung. Durch Personalmangel vor allem in der Pflege sind seit Monaten maximal nur rund die Hälfte der Betten belegbar.

Zwei GeNo-Krankenhäuser (LDW, KBO) sind als Akutkrankenhäuser von der Schließung betroffen.

Die Geschäftsführung der Gesundheit Nord hat 2021 den Auftrag des Aufsichtsrates erhalten, aktiv nach Möglichkeiten zu suchen, wie die Krankenhäuser Gelder einsparen können. Bestimmte sog. patientenferne Bereiche (Speisenversorgung, Patient*innenbegleitdienst, Hauswirtschaft, Logistik, Empfang/Telefon, Bettenaufbereitung, Reinigung in Gestellung an die GND) sollen in die GND ausgegliedert werden. Über 500 Kolleg*innen sind davon betroffen. In diesen Bereichen arbeiten überwiegend Frauen in Teilzeitarbeit im Niedriglohnsektor. Diese werden dann nicht mehr nach TVÖD bezahlt werden, sondern nach dem Haustarifvertrag der GND. Diese Kolleg*innen werden dann rund 1/3 weniger an Lohn bekommen. Es ist staatlicher Lohnraub. Die Inflationsrate steigt kontinuierlich. Und auch die VBL (Betriebsrente) fällt dann ins Wasser. Die Altersarmut ist dann jetzt schon vorprogrammiert. Und jede, jeder spürt inzwischen selbst, wie die Kosten für Energie, Mieten, Essen usw. täglich steigen.

Auch wenn diese Pläne erst mal aus wahltaktischen Gründen wegen der Landtagswahl im Mai 2023 ruhen. Aber die Geschäftsführung prüft gerade das Vorhaben, eine Zentralküche für die vier GeNo-Kliniken auf dem Gelände des KBO`s zu bauen, um dann diese komplett an eine Fremdfirma zu übergeben. 40 Kolleg*innen würden in diesem Falle auf die Straße gesetzt. Nicht nur, dass wir mit voller Entschlossenheit gegen die weiteren Ausgliederungen vorgehen müssen. Im Gegenteil, wir alle müssen dafür kämpfen, dass die GND wieder aufgelöst wird, Die Kolleg*innen müssen wieder nach TVÖD bezahlt werden. Es kann und darf keine zwei Klassengesellschaft unter uns Kolleg*innen geben. Wir alle sind ein Team.

Die Arbeitsbedingungen unter der Pflegekräften auf den Stationen und Abteilungen sind teilweise unerträglich und unmenschlich, sie machen die Kolleg*innen krank. Es wird von Tag zu Tag schlimmer. Viele gehen mit Angst zur Arbeit. Sie sehen kein Licht am Horizont. Entweder die Kolleg*innen flüchten regelrecht aus dem Krankenhaus, hören ganz auf in ihrem Beruf zu arbeiten und wechseln zu Zeitarbeitsfirmen, wo sie dann bessere Arbeitsbedingungen und mehr teilweise mehr Gehalt haben. Andere wiederrum reduzieren ihre wöchentliche Arbeitszeit, auch schon frisch examinierte Pflegekräfte stellen solche Anträge. wie oft sollen wir denn noch unsere beschissene Lage in der Öffentlichkeit kundtun? Das Wort Wertschätzung ist ein Fremdwort. Im Prinzip sagen wir alle, also die Pflegekräfte, es ist ein schöner Beruf, den wir gerne ausüben. Aber nicht unter diesen Arbeitsbedingungen. Es geht nur noch ums Geld. Profite pflegen keine Menschen!

Nein zu den 100 Milliarden für Aufrüstung und Kriegshaushalt „100 Mrd.“ für die Gesundheitsversorgung, Kitas, Schulen und Unis, für die Verteidigung des Reallohns, für bezahlbare Wohnungen, für den Erhalt des gesetzlichen solidarischen Rentensystems, für kommunale öffentliche Dienste!

„Der Ausweg liegt in der Fähigkeit der Arbeiter und Völker ganz Europas ihre Kräfte zu vereinen, um die Politik der NATO, der EU und des Kapitals zu stoppen, um die Kriegsmaschine, Militärhaushalte und imperialistischen Interventionen zu blockieren und zu erzwingen, dass diese gigantischen Geldsummen umgeschichtet werden für das Gesundheits- und Bildungswesen und die sozialen Aufgaben.“

Denn panische Furcht erfasst die Regierung vor dem sog. „heißen Herbst“, vor einer heranreifenden sozialen Explosion.

So der Bundeskanzler Scholz am 11.8. in Berlin:

Niemand wird alleine gelassen. Unruhen könne es nicht geben. Denn Deutschland sei ein Sozialstaat. Natürlich glaubt Scholz selbst nicht daran. Der Bundeskanzler, der mit seiner Regierung gerade eine neue zerstörerische Offensive gegen die historischen Errungenschaften des Sozialstaates organisiert. Was für ein Zynismus dieser Regierung!

Die unabhängige Betriebsgruppe uns reichts hält weiterhin an u.a. an folgenden politischen und tariflichen Forderungen fest, auch im Hinblick auf die kommende TVöD-Tarifrunde:

  • die 30 Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich
  • eine Lohnforderung von 15 Prozent
  • eine Laufzeit von einem Jahr
  • für eine Inflationsklausel, die weitere Preissteigerungsraten bis zu 10 Prozent ausgleichen, bei einer höheren Inflationsrate muss es ein Sonderkündigungsrecht geben
  • kostenlose Job-Tickets
  • eine bedarfsgerechte Personalbemessung, die nur die Pflegekräfte auf den jeweiligen Stationen, Abteilungen bestimmen können
  • Abschaffung der Fallpauschalen
  • das Gesundheitswesen gehört in die öffentliche Hand

Vielen Dank, dass ich hier sprechen konnte!

 

Ariane Müller ist Krankenschweter und Betriebsrätin des Klinikum Bremen Mitte.