Redebeitrag für die Antikriegstagsveranstaltung am 1. September 2023 in Neumünster

 

- Es gilt das gesprochene Wort! -

 

Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens auf dieser Kundgebung gegen den Krieg!

Ja, DIE WELT BRAUCHT FRIEDEN!; wir haben dieses Motto als Friedensforum gemeinsam mit dem DGB-Stadtverband mit Bedacht gewählt, weil „Frieden nicht alles ist, aber ohne Frieden alles nichts ist“, wie es Willy Brandt einmal formulierte.

Der Krieg beeinträchtigt ja nicht nur die Menschen, die in einem Kriegsland – wie z.B. der Ukraine – leben, sei es in den Schützengräben, an der Front oder sei es in den Städten, die bombardiert werden, sie leiden und sterben, hungern und frieren, werden verletzt und traumatisiert.

Nein, der Krieg hat weltweite Auswirkungen. Er stört die Handelswege, führt zu Verteuerung von Lebensmitteln, von Produkten insgesamt, von energetischen Stoffen vor allem, die für das Leben der Menschen weltweit so nötig sind.

„Gutes Leben für alle, wie es insbesondere die Gewerkschaſten und Sozialverbände fordern, ist nur im Frieden möglich, nicht unter den Bedingungen des Krieges.

Konflikte mit anderen Staaten oder Bündnissen durch Interessenausgleich auf dem Verhandlungswege zu lösen statt mit Waffengewalt durchzusetzen; alles dafür zu tun, dass keine der beiden Seiten zu den Waffen greiſt, darum muss es gehen. „Mehr DIPLOMATIE wagen!“ fordern aktuell friedenspolitisch engagierte Sozialdemokraten und Gewerkschaſter von der Bundesregierung, auch dies eine Reminiszenz an Willy Brandt.

„Die Welt brauch Frieden, um die drängenden Probleme, den Klimawandel sowie Hunger und Armut zu bewältigen“, schrieben wir im Aufruf zu dieser Kundgebung. Das liegt so klar auf der Hand, dass man es eigentlich nicht weiter begründen braucht. Und doch ist dieser Zusammenhang fast ein TABU. Es sind nur wenige Menschen, die darüber öffentlich sprechen, obwohl es die meisten denken oder fast instinktiv fühlen. Eigentlich sind es nur einige wenige Friedensforschungsinstitute und die Friedensbewegung, die z.B. den Zusammenhang aufzeigen und benennen, den Zusammenhang von Auf- und Hochrüstung auf der einen und Sozialabbau, Reallohnsenkung (trotz hart erkämpſter Tarifabschlüsse) und immer weiter auseinanderklaffender Einkommensschere, Spaltung der Gesellschaſt in Arm und Reich auf der anderen Seite aufzeigen und benennen. „Runter mit der Rüstung – mehr Geld für die Bildung“ – wer sagt das heute noch angesichts der gravierenden Bildungsmisere? Eine Kindergrundsicherung, die diesen Namen verdient, statt Entwicklung oder Anschaffung neuer Waffensysteme, wie jetzt gerade das neue Raketenabwehrsystem Arrow 3 für schlappe 4 Milliarden aus diesem „Sondervermögen“, wie diese massive Sonderverschuldung irreführend genannt wird.

Ausnahmslos alle Ministerien wurde von Finanzminister Lindner vor wenigen Monaten aufgefordert, ihre jeweiligen Haushaltsposten um einen gewissen Prozentsatz zu kürzen, Und

alle haben es brav vollzogen, spätestens während der Kabinettsklausur im Schloss Meseberg. Nein, eine Ausnahme gab es natürlich: Verteidigungsminister Boris Pistorius darf – nein muss weiterhin aus dem vollen schöpfen. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gab es solch einen hohen Verteidigungshaushalt von über 50 Milliarden €! Wenn man den Teil des „Sondervermögens“, der 2023 ausgegeben werden soll, dazu rechnet, sind es sogar 70 Milliarden. Eine schwindelerregende Höhe. Geld, das für die Lösung der „drängendsten Probleme“ gebraucht wird, den Klima- und Umweltschutz, die soziale Sicherung, die Bildung unserer Kinder und Jugendlichen, die Integration neue zugewanderter Arbeitskräſte und der Schutzsuchenden aus Ländern, die von Kriegen und Katastrophen heimgesucht wurden, die Sanierung unserer gesamten Infrastruktur, deren maroder Zustand immer offener zu Tage tritt.

Auch wenn wir uns am heutigen Antikriegstag gegen alle Kriege in der Welt – und davon gibt es – nach wie vor – mehr als genug (Denken wir nur an Syrien, wo unser NATO-Partner Türkei immer wieder in völkerrechtswidriger Weise gegen die dort lebenden Kurden Krieg führt, oder an Äthiopien, an die Staaten der Sahelzone, die am Rande euer Kriege stehen oder den Jemen, wo es durch diplomatische Vermittlung Chinas doch immerhin einen Hoffnungsschimmer für eine friedliche Zukunſt gibt), so beschäſtigt uns – schon alleine wegen der Nähe, v.a. aber wegen der Verwicklung Deutschlands in das Kriegsgeschehen – ganz besonders der Krieg, der seit 18 Monaten in und um die Ukraine tobt.

Unter Bruch des Völkerrechts ist die russische Armee am 24. Februar 2022 in die Ukraine einmarschiert. Wollte Russland diesen Krieg? Gab es nicht bis zum Jahreswechsel 2021/22 diplomatische Bemühungen von Seiten Russlands, den Konflikt mit der immer näher an seine Westgrenze heranrückenden NATO diplomatisch zu lösen, durch Verhandlungen auf Augenhöhe? Wir kennen diese Briefe mit den Verhandlungsangeboten an USA und NATO. Und wir wissen von der Zurückweisung dieses ultimativen Verhandlungsangebotes durch den Adressaten. Nur die Ukraine sei – als souveräner Staat - berechtigt zu entscheiden, ob sie der NATO angehören wolle oder nicht, hieß es seitens des Westens.

Meine Meinung dazu ist die folgende:

(Sicherlich wird das, was ich nun sage, nicht allen hier auf dem Platz gefallen. Aber wo und wann soll ich es sagen, wenn nicht an diesem Antikriegstag!)

So richtig, wie es ist, dass ein NATO-Mitglied Ukraine niemals angegriffen werden wäre, so richtig ist es auch, dass sie ebenfalls nicht angegriffen worden wäre, wenn die NATO ihrerseits verbindlich erklärt hätte, dass sie nicht beabsichtigt, die Ukraine in das Militärbündnis aufzunehmen. So einfach wäre es gewesen, diesen Krieg zu verhindern!

Meinte der Westen, den russischen Truppenaufmarsch entlang der ukrainischen Grenze nicht ernst nehmen zu müssen? Oder war es sogar das Kalkül des Westens, einen Krieg mit Russland von der russischen Seite beginnen zu lassen? Fragen, die man sich stellen kann!

Für uns im Westen jedenfalls stand damit fest: Der Aggressor ist Russland, es handelt sich um einen „russischen Angriffskrieg“! Die Russen hingegen sehen es anders. Sie denken in der militärischen Logik, dass „Angriff die beste Verteidigung“ sei. Und sie haben mehrmals die „Rote Linie“ aufgezeigt, die sie dann als überschritten ansehen, wenn 500 km von der Hauptstadt Moskau entfernt die Mittelstreckenraketen der NATO aufgestellt werden, wenn bei einer Vorwarnzeit von 5 Minuten atomar bestückte Raketen mit einer Reichweite bis zu ihrer Hauptstadt installiert werden könnten.

Für uns als Friedensbewegung gibt es keinerlei Rechtfertigung des Krieges, weder für die eine noch für die andere Seite. „Krieg ist nie die Lösung!“, mit diesem Banner standen wir monatelang Woche für Woche zur Mahnwache auf dem Großflecken. Die Mahnung richtete sich gegen den Bellizismus der russischen Staatsführung, „gegen Putin“, könnte man sagen. Sie richtete sich aber auch gegen unsere eigenen Bellizisten, die den Krieg von Anfang an quasi akzeptiert haben, indem sie die angegriffene Ukraine mit dem für notwendig erklärten Waffen und Kriegsmaterial versorgt haben, also das „Feuer des Krieges“ weiter entfachten statt es sofort durch diplomatische Initiativen, durch Verhandlungen „auszutreten“.

Dabei gab es sogar Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine, die – von der Türkei vermittelt – im März 2022 zu einem unterschriſtsreifen Vertrag über eine sofortige Waffenruhe und langfristige Lösungen für die Krim und die beiden russischen Rebellengebiete führten. Ein Besuch des damaligen britischen Ministerpräsidenten Boris Johnson bei seinem ukrainischen Kollegen verhinderte die Unterzeichnung. Man versprach ihm bzw. der Ukraine die unbegrenzte finanzielle und militärische Unterstützung des Westens, wenn er bzw. sie bereit sei, diesen Krieg für die „westlichen Werte“, für Freiheit und Demokratie fortsetzen und gewinnen wolle. (Dies ist durch Quellen belegt!)

Und seitdem heißt es nur noch: „Die Ukraine muss siegen“ und „Welche Waffen müssen wir liefern“, damit kein Verhandlungsfrieden nötig wird, sondern ein Siegfrieden der Ukraine (damit des Westens) zustande kommt. Auch aus Deutschland werden seitdem immer mehr und immer schwerere Waffen geliefert; inzwischen sind wir bei Kampfjets und bei Mittelstreckenraketen (Taurus) angelangt, mit denen die russische Hauptstadt mühelos zu erreichen ist. Das Personal für die westlichen Waffen wird in Deutschland ausgebildet: Panzerfahrer, Raketenlenker, Piloten – gar nicht weit von hier in Putlos an der Ostsee und Munster in der Lüneburger Heide. Deutschland ist damit endgültig zur Kriegspartei geworden! Und es soll ja sogar eine deutsche Spitzenpolitikerin geben, die auf internationalem Parkett dem russischen Nachbarn den Krieg erklärt haben.

Wir stellen die Frage: Wohin soll das noch führen? Was wird die nächste Eskalationsstufe sein? Wann müssen wir auch unsere eigenen Bundeswehrsoldaten in die Ukraine schicken, erneut an die „Ostfront“? Es ist schließlich kein Geheimnis, dass der Ukrainischen Armee das Personal ausgeht, dass seit Monaten die letzten wehrfähigen Männer „von der Straße weggefangen“ werden.

Welche Seite wird zuerst Atomwaffen, die sog. „Mini-Nukes“ einsetzen? Lässt sich ein Atomkrieg dann noch begrenzen oder stehen wir dann endgültig an der Schwelle zum 3. Weltkrieg?

Eine schreckliche Vision!

Müssen wir uns damit abfinden?

Gibt es keinen Ausweg mehr?

Wir wissen doch: Verhandlungen sind möglich. Sie finden auch schon statt, zwar nur über Detailfragen, aber doch auch mit Erfolg.

Jetzt muss es um einen sofortigen Waffenstillstand gegen!

Das Töten muss ein Ende haben!

Die Waffen müssen schweigen!

Der Krieg muss zunächst „eingefroren“ werden, um die weitere Eskalation zu stoppen! Dann müssen Verhandlungen über die Zukunſt der russisch-sprachigen Regionen der Ukraine geführt werden, über einen Autonomiestatus innerhalb einer föderalen Ukraine. Kann für die Krim, auf der fast ausschließlich Russen leben, ein Sonderstatus erreicht werden, mit dem weitere Vertreibungen oder auch blutige Racheaktionen vermieden werden? Könnten nicht – unter internationaler Kontrolle seitens der UN und der OSZE – Volksabstimmungen durchgeführt werden, bei denen die Menschen selbst entscheiden, wie sie leben wollen? Wäre das nicht Demokratie – ein „westlicher Wert“?

Wir kennen doch genug historische Beispiele, wo diese Wege erfolgreich beschritten wurden, gerade auch hier in Schleswig-Holstein, wo der Streit zwischen Dänemark und dem preußischen Deutschland nach blutigen Kriegen friedlich beendet werden konnten. Fast alle Kriege der Geschichte wurden schließlich auf dem Verhandlungswege beendet. Aber muss dieser Krieg erst 30 Jahre andauern, bis es zum Interessensausgleich auf dem Verhandlungswege kommt?

Wir, die Friedensbewegung in Deutschland, fordern unsere Regierung auf,

  • ab sofort alles zu unterlassen, was den Krieg in der Ukraine weiter verschärfen und verlängern würde,
  • und stattdessen alle Hebel in Bewegung zu setzen, die zu Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine führen.

An den Verhandlungen müssen die Großmächte USA und China beteiligt werden, weil sie alleine über die macht verfügen, als Garantiemächte für einen ausgehandelten Frieden zu fungieren.

Wir wissen uns darin einig mit vielen Staaten des Globalen Südens, wie an verschiedenen internationalen Konferenzen im Rahmen der UN oder auch der BRICS-Staaten zu erkennen ist.

Die Waffen nieder!

Beendet das Töten!

Verhandeln statt schießen!

Krieg ist nie die Lösung!

Das ist unsere Botschaſt am heutigen Antikriegstag.

 

Christof Ostheimer ist aktiv beim Friedensforum Neumünster.