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Redebeitrag für die Antikriegstagsveranstaltung am 1. September 2023 in Lüchow
- Es gilt das gesprochene Wort! -
Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,
gerade in diesen Zeiten ist es wichtig, daß wir uns am Antikriegstag versammeln und Stellung beziehen.
Als Ärztin weiß ich, wie verletzlich Menschen sind. Deshalb bin ich nicht nur betroffen über jegliche Kriegshandlungen, die Menschen gefährden, sondern auch über die zunehmende Militarisierung.
Hier möchte ich den ehemaligen US-Präsidenten Eisenhower zitieren, der als General des zweiten Weltkriegs nicht gerade pazifismus-verdächtig war. Er sagte am Ende seiner Amtszeit Anfang der 1960 iger Jahre:
"Eine Welt unter Waffen verpulvert nicht nur den Schweiß ihrer Arbeiter, den Geist ihrer Wissenschaftler, sie verpulvert auch die Hoffnung ihrer Kinder.“
Heute müssen wir zudem sagen:
Unser Militär verschlingt Unsummen an Geldern, Milliarden, die für Bildung, Gesundheit und Klimaziele besser angelegt wären. Das Militär trägt außerdem mit etwa 6% des CO2-Ausstosses deutlich zum Klimawandel bei.
Ein Panzer mittlerer Bauart verbraucht auf 100 km etwa 500 l Diesel, die modernen Panzer noch mehr, vom Verbrauch eines Kampfjets ganz zu schweigen.
Empörenderweise wird bei der CO2- Bilanz, die die Staaten jährlich entsprechend den Pariser Klimazielen melden, der CO2- Ausstoß nicht einberechnet.
Man mag sich kaum vorstellen, welche Ressourcen erst ein Krieg wie in der Ukraine verursacht.
Schon aus dem Grund können wir uns keine Kriege mehr leisten!
Überhaupt: Krieg ist kein Mittel, um Gerechtigkeit durchzusetzen, und auch nie ein Mittel, komplexe gesellschaftliche Konflikte zu lösen.
Dazu braucht es Verhandlungslösungen durch Diplomatie und Konfliktanalysen, die eigene Konfliktanteile selbstkritisch miteinbeziehen, im Falle des Ukraine-Kriegs nicht nur auf die Aggression Rußlands zu fokussieren, sondern auch die Rolle der NATO zu analysieren mit ihrer Ost-Erweiterung, der massiven Aufrüstung der Ukraine durch die USA und der Nichtberücksichtigung russischer Interessen.
Meiner Meinung nach tragen Waffenlieferungen nicht zur Konfliktlösung bei, sondern verschärfen die Konflikte, hinterlassen Zehntausende von Opfern, zerstörte Städte und eine militarisierte verwundete Gesellschaft.
Gewalt ruft weitere Gewalt hervor und kann zu einer gefährlichen Eskalation führen.
Und das ist die größte Sorge von uns Ärztinnen und Ärzten der IPPNW ( Internationale Ärztinnen und Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges und in sozialer Verantwortung): unsere größte Sorge ist, dass es zu einem Einsatz von Atomwaffen kommen könnte.
Seit Hiroshima wissen wir, welche unmenschlichen und grausamen. Folgen selbst ein begrenzter Atomschlag hat.
Und die modernen Atomwaffen lassen sich auf eine vielfache Sprengkraft der Hiroshima- Bombe einstellen, im Megatonnen-Bereich statt Kilotonnen- Bereich.
Wir sollten uns nicht täuschen lassen: eine kleine Atombombe gibt es nicht, eine Detonation ist immer verheerend!
Selbst ein begrenzter Einsatz von 100 kleineren Atomwaffen – insgesamt haben wir über 13.000 auf der Welt – würde nicht nur Hunderttausenden Menschen das Leben kosten bzw. Verwundungen und nicht therapierbare Verstrahlungen zumuten, sondern auch die Infrastruktur der betroffenen Länder völlig überfordern, eben auch das Gesundheitssystem.
In Hiroshima wurden 90 % der Krankenhaus-Beschäftigten getötet und fast alle Krankenhäuser zerstört.
Deshalb lautete die Warnung der IPPNW immer:
"Wir werden euch nicht helfen können!“
Z.B.: was sollen etwa 40 Betten für schwerst Brandverletzte in D. bewirken bei zu erwartenden Zig-Tausenden von Brandopfern?
Bei dem Szenario von 100 kleineren Atomwaffen- Explosionen würden Millionen Tonnen Ruß die Sonne verdunkeln, die Ozonschicht schwer schädigen, die Temperaturen sinken lassen bis zu einem nuklearen Winter, die Niederschläge verändern und insgesamt zu verheerenden Ernteausfällen führen, von der weltweiten Verstrahlung gar nicht zu reden. Die Folgen in diesem Szenario wären – wie Forscher beschreiben – 1-2 Milliarden Hungertote besonders im globalen Süden.
Wir dürfen uns keinesfalls weismachen lassen, ein begrenzter Atomkrieg sei machbar! Es darf auf gar keinen Fall dazu kommen!
Was kann getan werden?
Unsere Organisation schlägt als erste Schritte vor:
- 1.) ein Abkommen zwischen USA und Rußland über den Verzicht eines atomaren Erstschlags.
- 2.) Atomwaffen aus Alarmbereitschaft zu nehmen,
- 3.) entmilitarisierte Zonen um Kernkraftwerke zu errichten.
Hoffnungsvoll stimmt, dass seit 2021 der Atomwaffenverbotsvertrag - in D. abgekürzt AVV genannt - humanitäres Völkerrecht der UN wurde.
Leider ist der AVV in D. sehr wenig bekannt, wozu auch die Medien ihren Teil beitragen. So haben sie z.B. über die 1. Staatenkonferenz der Mitgliedsstaaten des AVV, die vor einem Jahr in Wien stattfand, so gut wie gar nicht berichtet. - Ich hatte das Glück, mit einer IPPNW- Delegation bei dieser Staaten-Konferenz dabei sein zu dürfen - wie auch andere NGOs.
Der Atomwaffenverbotsvertrag wurde in einer demokratischen Bewegung von unten von NGOs, die sich in einer Organisation namens ICAN zusammenschlossen, mit Staaten des globalen Südens, aber auch anderen wie Österreich in die UNO eingebracht, trat wie gesagt, 2021 in Kraft und wurde inzwischen von fast 100 Staaten – der Mehrheit in der UNO – ratifiziert, allen voran die Pazifik-Staaten, die unter den Atomtests massiv gelitten haben, allen mittelamerikanischen, vielen südamerikanischen und fast allen afrikanischen Ländern..
Sie versuchen, sich damit aus der nuklearen Geiselhaft zu befreien.
In Europa sind dem Atomwaffenverbotsvertrag bis jetzt nur beigetreten:
Österreich, Irland, Malta, der Vatikan, San Marino und Liechtenstein.
Nicht dabei sind erwartungsgemäß die Atommächte und die Staaten mit nuklearer Teilhabe wie D.
Die europäischen NATO- Länder wurden 2016 sogar von der Obama-Regierung unter Druck gesetzt, den AVV nicht zu akzeptieren.
Im Falle, dass D. ihm beiträte, müsste es die 15 bis 20 US-Atomwaffen, die in der Eifel lagern bzw. z. Zt. sogar modernisiert werden, abziehen lassen.
Für 10 Milliarden von den 100 Milliarden Sondervermögen sollen zudem neue Trägerflugzeuge angeschafft werden. Deutsche Piloten werden für diese Flugzeuge ausgebildet, unterstehen aber US-amerikanischem Befehl! Das bedeutet, D. hat keine Entscheidungsgewalt über diese Waffen.
Wir sehen die Atomwaffen in D. eher als eine Gefährdung für die Bevölkerung an, dürften sie doch im Falle eines Angriffs die ersten Ziele sein! Von wegen atomarer Schutzschild!!!
Es wäre in unserem eigenen Interesse, den Abzug dieser Waffen aus unserem Land durchzusetzen.
Immerhin haben sich schon 4 Landesparlamente für den Atomwaffenverbotsvertrag ausgesprochen: Rheinland-Pfalz, Berlin, Hamburg und Bremen, dazu 100 Städte und Kreise.
Helft mit, den AVV bei und bekannter zu machen, verlangt, wenn sich die Möglichkeit bietet, den Beitritt D´s, sprecht eure Abgeordneten darauf an oder kommt zum Protest-Camp, das jeden Sommer in der Nähe des Atomwaffen- Stützpunkts stattfindet!
Vielen Dank.
Dr. Sigrid Klose-Schlesier ist Ärztin und aktiv bei der IPPNW.