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Redebeitrag für die Antikriegstagsveranstaltung am 30. August 2024 in Bonn
- Es gilt das gesprochene Wort! -
Liebe Freundinnen und Freunde,
es gibt eine Reihe von Jahrestagen im Friedenskalender- wir erinnern an Atombombenabwürfe, den Beginn oder das Ende von Kriegen, wichtige Verträge, wie den Atomwaffenverbotsvertrag, wir erinnern an die Unsitte der Rekrutierung von Kindern und Minderjährigen. Bei einigen dieser Feiertage schließt sich die Politik an - mehr aus Opportunität, denn aus Anteilnahme - bei den meisten bleibt sie fern.
lm Augenblick kommen neue Feiertage hinzu, die weniger mit dem Frieden als Thema zu tun haben, denn mit dem Krieg. Veteranentage und solche aus der Traditionspflege der Bundeswehr erhalten ein höheres Gewicht. Hier ist die Politik, sind Politiker vieler Parteien immer öfter dabei. Das ist kein Zufall.
Bei der ersten Lesung des bayerischen Bundeswehrförderungsgesetz - ja das gibt's tatsächlich - überboten sich AfD, CSU, Freie Wähler, SPD und Grüne im bayerischen Landtag mit Schwüren zur Bundeswehr - alles Soldatenparteien. Man kann nur davor warnen, so etwas als „die Bayern wieder” oder als lächerlich abzutun. Es ist Ausdruck eines sicher ändernden neu-deutschen Mindsets - und das ist nicht auf Bayern beschränkt, sondern findet sich auch in anderen Bundesländern. Dieses neue Mindset ist von allumfassender Militarisierung geprägt.
Mlehr noch, die neue politische Sprache der „Zeitenwende“ macht deutlich, dass Politiker*innen scheinbar immer unvoreingenommener, den Krieg, die kriegerische Auseinandersetzung, den Einsatz von Waffen, allen friedlichen Wegen der Konfliktbeseitigung vorziehen. Auch dies fördert Ängste. Wir erleben eine Welle der Militarisierung in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. ln die Sprache unserer Politiker haben Wörter, wie Vernichtung, Zerstörung und ein umfangreiches militärische Vokabular Einzug gehalten.
Hochschulen werden dazu angehalten, verstärkt die militärische Verwendung ihrer Forschung mitzudenken und das „Zivile“ zurück zu stellen. Zivilklauseln, die eine friedliche Ausrichtung der Lehre und Forschung sicherstellen sollten und in einigen Grundordnungen der Universitäten festgeschrieben waren, sollen gestrichen werden - damit soll wieder möglich werden, die Universitäten und Forschenden unmittelbar zur Entwicklung moderner Waffen heranzuziehen.
Schulen sollen dazu verpflichtet werden, der Rekrutierung der Bundeswehr die Türen zu öffnen. Nach dem Willen nicht weniger Politiker, erscheinen lugenoloffiziere bestens dafür geeignet, Sicherheit und internationale Politik in den Schulen zu erklären ob die militärische Sicht auf die Konflikte der Welt dabei hilft, diese friedlich beizulegen, darf bezweifelt werden. Selbst unsere Bürokratie und Wirtschaft sollen in ihren Entscheidungen und ihrem Handeln stromlinienförmig kriegstüchtig - kriegsbereit - werden.
Unser Verteidigungsminister spricht davon, dass wir in fünf Jahren mit einem Angriff Russlands rechnen müssen. Und er kennt nur eine Lösung: Mit dem Schulden-finanzierten Aufrüstungsprogramm von 100 Mrd. für die Bundeswehr und die perspektivische Erhöhung des Bundeswehretats von derzeit 53,3 Mrd. EUR auf über 70 Mrd. EUR steckt dieses Land immer mehr Geld ins Militär- Geld, was an anderer Stelle, im Sozialen, in der Bildung in der Gesundheit fehlen wird.
Zuletzt wurden wir darüber informiert, dass nun auch wieder Mittelstreckenwaffen in Deutschland stationiert werden, über deren Einsatz, so steht zu vermuten, ein ferner US-Präsident entscheidet. Waffensysteme die auch mit Atomwaffen zu bestücken wären - was natürlich niemand vorhat.
Mit diesen Schritten ~ zu denen auch die Debatte über die Wiederbelebung der Wehrpflicht gehört - bewegen wir uns Rückwärts in der Geschichte. Langsam aber sicher werden wir an den Gedanken neuer Kriege gewöhnt. Man kann hier, wie Regierung, eine Unausweichlichkeit erkennen, eine Alternativlosigkeit die einer Aggression anderer, namentlich Russland, geschuldet ist. Man kann hier aber auch eine Spirale immer neuer Aufrüstungs- und Drohszenarien erkennen, die immer mehr unserer Kontrolle entgleitet.
Wenn wir heute an die grausamen Folgen vergangener Kriege erinnern, sollten wir das auch zum Anlass nehmen vor all diesen Tendenzen zu „neuen“ Kriegen zu warnen. Militarisierung ist ein schleichender Prozess - aber ein sichtbarer!
Das Eintreten für den Frieden geschieht auf vielen Ebenen - es kann seinen Ausdruck in Mahnwachen oder Großdemonstrationen finden ... wesentlich ist, auch dies sichtbar zu machen.
Vielen Dank.
Dr. Andreas Seifert ist aktiv bei der DFG-VK Gruppe Bonn-Rhein-Sieg.