Redebeitrag für die Antikriegstagsveranstaltung am 1. September 2024 in Stuttgart

 

- Es gilt das gesprochene Wort! -

 

Liebe Kolleg*innen, liebe Friedensfreund*innen,

am heutigen Antikriegstag wollen wir gemeinsam ein Zeichen für Frieden und Abrüstung setzen. Heute vor 85 Jahren begann der Angriffskrieg der deutschen Armee gegen Polen. Das Grauen des Zweiten Weltkriegs ist noch nicht vergessen, die historischen Wunden noch nicht verheilt. Zahllose Kriege danach haben noch mehr Tote, noch mehr Leid, noch mehr Angst und noch mehr Terror über die Welt gebracht.

Wir befinden uns in einer Zeit, in der Krieg immer mehr zum „Normalzustand“ wird“.

Weltweit nehmen militärische Konflikte und Krisen zu, weltweit steigt die Zahl einsatzbereiter Atomwaffen.

Krieg darf doch niemals „Normalzustand“ sein.

Deshalb sagen wir „NEIN“ zu Militarisierung von Schule und Gesellschaft!

In Deutschland wird allerdings diskutiert, wie wir „kriegstüchtig“ werden. Ein Blick nach Bayern zeigt, was das heißen kann: das neue, bundesweit erste Bundeswehrförderungsgesetz, das der bayrische Landtag im Juli beschlossen hat, führt künftig zu einer engeren Kooperation bayrischer Schulen, Hochschulen, Unis und Forschungseinrichtungen mit der Bundeswehr. Für Schulen heißt das konkret, sie sollen von nun an im Rahmen der politischen Bildung zu „Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ eng mit „Jugendoffizier*innen“ zusammenarbeiten. Die GEW Baden-Württemberg unterstützt die GEW Bayern in ihrer Ablehnung dieses Gesetzes.

Wie sieht das bei uns in BW aus: 2009 gab es die erste Kooperationsvereinbarungen zwischen Bundeswehr und Kultusministerium. Schulen bekamen dadurch die Möglichkeit, Jugendoffizier*innen einzuladen um, Zitat: „SuS über deutsche Sicherheitspolitik zu informieren und mit ihnen über Fragen der Friedenssicherung zu diskutieren. Sie dient ausdrücklich nicht dazu, für Tätigkeiten innerhalb der Bundeswehr zu werben.“ 2014 wurde eine neue Vereinbarung geschlossen, im Vorfeld fanden Gespräche mit Vertretungen der Bundeswehr und von Friedensorganisationen. Nach den Prinzipien des Beutelsbacher Konsenses muss, was in der Gesellschaft kontrovers diskutiert wird, auch im Unterricht kontrovers erscheinen. Im Bildungsplan 2016 wurde die Friedensbildung stärker verankert. Seit 5 Jahren gibt es eine verbindlichen Leitfaden Demokratiebildung.

Als GEW stehen wir zu diesem MEHR an Demokratie- und Friedensbildung! Anstelle der Kriegstüchtigkeit muss die „Friedenstüchtigkeit“ treten!

Und dazu braucht es Ressourcen, wir warten auf das Sondervermögen für den Bildungsbereich! Der hat es dringend nötig:

Die Bildungseinrichtungen sind am Limit: Fachkräftemangel: tausende Erzieher*innen und Lehrkräfte fehlen. Hohe Abbruchquoten bei Lehramtsstudierenden, viele Quer- und Seiteneinsteiger*innen. Wir können froh sein, um jede Person, die noch an einer Schule arbeiten will. Wir brauchen allerdings Unterstützung, wir brauchen Qualifizierungsmaßnahmen für unsere Kolleg*innen, damit sie professionalisiert werden und damit auch angemessen bezahlt werden können. Die Coronazeit hat zu vielfältigen Problemen geführt, die lang noch nicht aufgearbeitet sind. Kriege auf der Welt führen dazu, dass in unseren Bildungseinrichtungen Geflüchtete ankommen, denen wir kaum gerecht werden können. Viele dieser Kinder haben traumatische Dinge erlebt und gesehen, haben Angst um Angehörige und brauchen besondere Zuwendung.

Die Kinder und Jugendliche an unseren Bildungseinrichtungen bekommen jedoch leider nicht immer, was ihnen zusteht. Sie haben ein Recht auf die bestmögliche Bildung. Sie sind unsere Zukunft! Und überhaupt: Sie brauchen Zukunft! Ohne Frieden gibt es keine Zukunft!

Wir müssen alles, was uns möglich ist, dafür tun, dass an den Bildungseinrichtungen überhaupt Demokratiebildung und Friedensbildung stattfinden können. Und dazu benötigen wir ausreichend Fachpersonal. Wer nicht genug Personal hat, kann nur noch den Mangel verwalten und sich nicht um alle anstehenden Aufgaben kümmern.

Demokratiebildung und Friedensbildung brauchen Zeit, Zeit in den Kitas und Schulklassen und Zeit um die Lehrkräfte fortzubilden, sie dafür zu sensibilisieren und zu qualifizieren. Es reicht nicht aus, den Schulen einen Leitfaden zur Demokratiebildung zuzusenden, den Begriff der Friedensbildung in den Bildungsplan zu schreiben. Es braucht die Auseinandersetzung damit in den Kollegien, es muss in die Aus- und Fortbildung integriert werden.

Der Druck auf Pädagog*innen ist groß: Immer wieder wird versucht, kritische Auseinandersetzung z.B. mit Rechtsextremismus im Unterricht zu verhindern. Da heißt es dann, Lehrkräfte müssten „neutral“ sein, dürften sich politisch nicht äußern. Begründet wird das mit dem eben schon genannten Beutelsbacher Konsens. Das Gegenteil ist der Fall, als Lehrkraft bin ich der fdGO, der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichtet.

Und damit bin ich verpflichtet, demokratiefeindlichen, verfassungsfeindlichen und menschenverachtenden Positionen entschieden entgegenzutreten. Und all das findet sich z.B. in den Positionen der AfD und das müssen Lehrkräfte auch klipp und klar benennen. Als Lehrkraft zeige ich eine klare Haltung gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus, Gewaltverherrlichung und menschenverachtende Äußerungen.

Gute Bildung für alle in unserem Land ist der Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe, für ein selbstbestimmtes Leben, für beruflichen Erfolg, für Demokratie, Toleranz und Frieden!

Gute Bildung ist teuer. Schlechte Bildung ist so teuer, dass unser Land sie sich nicht leisten kann.

Lasst uns gemeinsam für mehr „Friedenstüchtigkeit“ eintreten.

Lasst uns gemeinsam Alles dafür tun, das die Gewaltspirale durchbrochen werden kann!

Lasst uns solidarisch zusammenstehen in unserem Einsatz für eine offene und vielfältige Gesellschaft, für unsere demokratischen Werte, für Freiheit und soziale Gerechtigkeit - als zentrale Voraussetzung für dauerhaften und echten Frieden.

Ich danke für eure Aufmerksamkeit!

 

Farina Semler ist stellv. Vorsitzende der GEW BaWü.