FF2009-3


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 Hintergrund

Das geplante Assoziierungsabkommen bringt der Mehrheit der Bevölkerung nur Nachteile

Die EU greift nach Zentralamerika

Klaus Heß

"Im Freihandelsabkommen legen wir fest, ob wir uns selbst umbringen oder eines natürlichen Todes sterben", bringt Sinforiano Cáceres, Vorsitzender des nicaraguanischen Kooperativenverbandes, die Entscheidungsalternative auf den Punkt. Gegen den Widerstand der Bevölkerungen wurde vor drei Jahren ein bilaterales Freihandelsabkommen (DR-CAFTA) zwischen den USA und Mittelamerika abgeschlossen. Darin wurden Marktzugänge, die Abschaffung von Zöllen, Regeln für Dienstleistungen, Investitionen und Ausschreibungen des öffentlichen Sektors vereinbart.

Die vielfach vorhergesagten negativen Folgen für die zentralamerikanischen Länder werden bereits sichtbar. Im Wettlauf der großen Wirtschaftsblöcke um natürliche Ressourcen und Märkte versucht die EU nun, sich mindestens die gleichen Konditionen zu verschaffen, und treibt deshalb ein Abkommen über Zoll- und Handelsfreiheit mit den mittelamerikanischen Staaten voran, welches noch in diesem Jahr unterschriftsreif sein soll.

Bis zum Jahr 2010 möchte die Europäische Union zur Weltwirtschaftsmacht Nr. 1 aufsteigen. Als Ziel formulierten die Staats- und Regierungschefs der EU schon im März 2000 in der Lissabon-Strategie, "die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen." Auf Grundlage der europäischen Außenhandelsstrategie "Ein wettbewerbsfähiges Europa in einer globalen Welt" (2006) versucht Europa, eine ganze Reihe ehrgeiziger "WTO Plus Ziele" im Rahmen bilateraler oder regionaler Abkommen im Alleingang voranzutreiben. Was in der WTO wegen des anhaltenden Widerstands der Entwicklungsländer nicht erreicht werden konnte, verschönernd umschrieben: "Ziele, die noch nicht reif sind für multilaterale Gespräche", wird nun in regionalen Abkommen durchzusetzen versucht. In der wirtschaftspolitischen Expansion mit Blick auf den Konkurrenten USA sind die Forderungen der EU eindeutig: Die VertragspartnerInnen müssen gute Bedingungen für europäische Exporteure und Investoren bieten, ob dies die so genannten AKP-Staaten (78 Länder in Afrika, der Karibik und im Pazifik), Chile, Mexiko, Indien, die Andine Gemeinschaft oder die Staaten Zentralamerikas sind.



Die Verhandlungen

Seit Oktober 2007 verhandelt die EU mit den Ländern Guatemala, Honduras, El Salvador, Nicaragua, Costa Rica und Panama über ein Assoziierungsabkommen. Darin sollen der politische Dialog und die Entwicklungskooperation geregelt und - als eigentliches Interesse - eine breite Zoll- und Handelsfreiheit vereinbart werden. Seit dem letzten Jahr haben die Verhandlungen deutlich an Fahrt gewonnen. Verhandelt wird in 14 Untergruppen. Je eine Gruppe beschäftigt sich mit den Themen Politischer Dialog und Zusammenarbeit. Zum Thema Handel wurden zwölf Untergruppen eingerichtet. Das Verhandlungsziel der EU ist dabei nicht die Förderung des Handels, dafür ist das Handelsvolumen zwischen den Regionen viel zu unbedeutend.

Im Wesentlichen geht es um den Zugang europäischer Konzerne zu neuen Märkten und staatlichen Ausschreibungen, um die Absicherung von Investitionen europäischer Unternehmen und die Nutzung und Ausbeutung natürlicher Ressourcen (z.B. Biodiversität, Energie und Wasser) in Mittelamerika. Außerdem will die EU politische Partner in einer Region gewinnen, die lange als der "Hinterhof" der USA bezeichnet wurde. Mittlerweile besteht bei über 80 Prozent des Vertragstextes Konsens. In der 6. Runde wurde erstmals über die für Zentralamerika wichtigen Produkte Bananen und Zucker gesprochen. Bei den Bananen bietet die EU eine Zollsenkung an (inoffiziell spricht man von einer Reduktion von jetzt 176 Euro pro Tonne auf 95 Euro in zehn Jahren), wozu sie nach einer Verurteilung durch die WTO praktisch gezwungen ist. Zucker aus Zentralamerika soll erstmals Zugang zum europäischen Markt erhalten. Auch beim Zucker ist die EU im Jahr 2004 von der WTO wegen ihrer Subventionspraxis verurteilt worden. Im Gegenzug für diese Angebote verlangt die EU Marktöffnung bei Dienstleistungen.

Die Unternehmen Zentralamerikas wollen für ihre Produkte einen Zugang zum EU-Markt erhalten. Zum Ende der Verhandlungen akzeptierte die EU den Marktzugang für 8.930 Produkte aus Mittelamerika. Die zentralamerikanischen Regierungen boten an, die Importzölle auf 80 Prozent der Produkte zu streichen, die von der EU in die Region exportiert werden. Nicht einverstanden mit einer Zollsenkung ist Zentralamerika bei Milchprodukten und anderen von der EU hoch subventionierten Agrargütern. Die zentralamerikanischen Länder stimmten auch der Forderung zu, den Internationalen Strafgerichtshof anzuerkennen, aber ohne jede zeitliche Festlegung. Umstritten sind noch die von der EU geforderten gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen. Für deren Einführung fordert Zentralamerika finanzielle Unterstützung. Uneins sind beide Seiten auch, inwieweit die von der EU als Voraussetzung geforderte Zentralamerikanische Zollunion bis zum Inkrafttreten des Vertrages vorangeschritten sein muss. Die Tatsache, dass die 7. Verhandlungsrunde am 31.März in Tegucigalpa (Honduras) an der Forderung Nicaraguas nach der Einrichtung eines gemeinsamen Wirtschafts- und Finanzfonds scheiterte, wirft die Hoffnung auf, dass der Widerstand gegen diese Verträge vielleicht doch noch zu einer grundsätzlichen Überprüfung führen kann. Inzwischen erklärte die EU Kommissarin Benita Ferrero-Waldner die Bereitschaft, Nicaraguas Vorschlag zur Schaffung dieses 80 Mio US$ starken Fonds, von dem 90% durch die EU gespeist würde, zu diskutieren. Die Argumentation der nicaraguanischen Regierung ist eindeutig: Wenn ein solches Abkommen zwischen so unterschiedlichen Wirtschaftszonen abgeschlossen werden soll, dann müssen die schwächeren Länder auch eine Chance haben, ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. Nicaragua wehrt sich dagegen, dass die vorhandenen Ressourcen zur Ausbeutung durch europäische Konzerne freigegeben werden, ohne dass es eine wesentliche wirtschaftliche Gegenleistung dafür gibt.



Die Folgen der Liberalisierung

Die Assoziierungsabkommen tragen dazu bei, immer größeren Bevölkerungsteilen die Lebensgrundlagen zu entziehen. Privatisierungen im Wassersektor und im Gesundheitswesen führen zu explosionsartig steigenden Kosten, die für weite Bevölkerungsteile nicht mehr finanzierbar sind. Exzessiv lange Patentlaufzeiten verhindern die lokale Produktion von Generika (baugleiche Medikamente, die wegen nicht mehr anfallender Patentgebühren deutlich billiger sind) und verschlechtern die schon jetzt desolate Versorgungslage bei Arzneimitteln. Durch die Einführung von Patenten auf Saatgut werden Bauern und Bäuerinnen dazu gezwungen, ihr Saatgut bei europäischen Konzernen teuer einzukaufen. Viele müssten aufgeben und die Ernährungssicherheit würde weiter sinken. Megainfrastrukturprojekte und Rohstoffausbeutung führen zur weiteren Umweltzerstörung und zur Vertreibung der Landbevölkerung. Liberalisierungen im öffentlichen Beschaffungswesen bringen eine internationale Konkurrenz, der einheimische Unternehmen nicht gewachsen sind. Die Folge wäre noch höhere Arbeitslosigkeit. Schon jetzt suchen immer mehr Menschen ihr Fortkommen im informellen Sektor oder in der Migration. Völlig verantwortungslos ist die EU-Kommission, wenn sie mitten in der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise weiterhin auf die Liberalisierung von Finanzdienstleistungen besteht, als ob diese nicht am Ursprung der Krise stünden.

Nach drei Jahren geben die bereits erkennbaren Folgen des CAFTA-Freihandelsabkommens für die Wirtschaft und die sozialen Strukturen der mittelamerikanischen Länder den Befürchtungen der KritikerInnen weitgehend Recht. Insbesondere die Grundnahrungsmittel produzierenden Kleinbauern müssen unter dem CAFTA-Abkommen leiden, weil sie mit den stark subventionierten, industriell produzierten Nahrungsmitteln aus den USA nicht konkurrieren können. Innerhalb eines Jahres hat der Agrarimport aus dem Norden nach Zentralamerika um 19 Prozent zugenommen. Andererseits ist die dem Freihandel innewohnende Exportorientierung ein großes Problem, da die Nahrungsmittelproduktion dadurch vollständig umstrukturiert wird: Land, das vorher den lokalen Markt versorgte, wird in industrielles Agrarland umgewandelt; die Marktmacht konzentriert sich zunehmend bei einigen Großproduzenten und transnational operierenden Konzernen, kleinbäuerliche Strukturen werden zerstört und die Ernährungssicherheit verschwindet. Zudem enthält das CAFTA-Vertragswerk Bestimmungen zum Schutz von Investitionen, die es Privatunternehmen erlauben, Nationalstaaten auf Erstattung etwa aufgrund neuer Gesetze entgangenen Gewinnen zu verklagen.

Wie im CAFTA soll auch das EU-Assoziierungsabkommen Regelungen festschreiben, die wirtschaftliche Interessen von Investoren über nationale Gesetze stellen. Das spanische Energieunternehmen Union Fenosa kaufte vor acht Jahren das nicaraguanische Stromnetz. Diese Privatisierung war eine Forderung des IWF. Mit dem Kauf wurden Strompreissenkungen, sichere Stromversorgung und Investitionen in die Netzqualität vereinbart. Seitdem stieg der Strompreis, Stromabschaltungen nahmen zu und Investitionen wurden nicht getätigt. Als Reaktion auf die von der Bevölkerung geforderte Wiederverstaatlichung fordert Union Fenosa über die "multilaterale Agentur für Investitionsgarantie" MIGA (Weltbank-Tochter) 55 Mio US-Dollar Schadensersatz für entgangene Gewinne. Für solche Konfliktfälle fordert die EU, internationale Schiedsgerichte zur Streitbeilegung einzurichten. Europäische Konzerne könnten vor diesen Gerichten gegen ein mittelamerikanisches Land klagen, wenn sie ihre Investitionen oder die erwarteten Gewinne ("indirekte Enteignung") gefährdet sehen. In der Praxis entscheiden solche Schiedsgerichte fast immer zu Gunsten der Unternehmen. Durch solche Regelungen entziehen sich international operierende Unternehmen der nationalen Kontrolle und können Umwelt- oder Sozialstandards verletzen.



Der Beitrag wurde dem Heft 324 der ILA entnommen, gekürzt und vom Autor aktualisiert.

Klaus Heß ist ehrenamtlicher Mitarbeiter des Informationsbüro Nicaragua in Wuppertal und arbeitet mit an einer Kampagne "Stop Assoziierung EU-Zentralamerika".
Weitere Infos:
http://www.stop-assoziierung.de und http://www.informationsbuero-nicaragua.org



E-Mail: klaus (Punkt) hess (at) wtal (Punkt) de
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