Persönlich-politische Erinnerungen

30 Jahre gemeinsamer Kampf: Erinnerung eines Linken

von Jürgen Repschläger

Danke Mani.

Danke für über 30 Jahre gemeinsamen Kampf.

30 Jahre?

Einige von Euch werden jetzt vielleicht die Stirn in Falten legen.

Ja – in der Betrachtung von Heute sind es über 30 Jahre.

 

Dass es ein gemeinsamer Kampf war, habe ich in den ersten Jahren allerdings nicht gesehen.

Mani – wir sind aus zwei unterschiedlichen politischen Ecken aufgebrochen.

Du bist mit Deiner pazifistischen Grundüberzeugung immer für die größtmögliche Einheit für den Frieden eingetreten.

Ich wollte als militanter autonomer Antiimperialist polarisieren, die Widersprüche zuspitzen und im Kampf gegen den Krieg das kapitalistische System gleich mit abschaffen.

Ich habe dich in den ersten Jahren als Friedensheini gesehen, als jemanden, der die großen politischen Zusammenhänge nicht begreifen will, als jemanden, der nicht ums Ganze kämpft.

Du hast mich in den ersten Jahren immer fairer behandelt, als ich Dich.

Du hast Dir unsere linksradikale Position nie zu eigen gemacht, unsere Militanz nie gutgeheißen, aber Du hast uns immer akzeptiert.

Nie hast Du in den Chor derer, die uns als unpolitische Krawallmacher diffamiert haben, mit eingestimmt.

Du hast immer zugehört, vermittelt und immer versucht, alle Kräfte, die gegen den Krieg, für den Frieden sind, zusammenzubringen.

Hey Mani, nicht das Du jetzt glaubst, das ich heute alles falsch finde, was ich früher gedacht und gemacht habe, im Gegenteil, aber Du bist für mich einer der wichtigsten Menschen, die mir gezeigt haben, das es nicht den einen, den einzig richtigen Weg zu Frieden und Gerechtigkeit gibt.

Und Du hast mir geholfen zu sehen, dass es viele Gruppen gibt, die vieles ganz ganz anders sehen als ich und die trotzdem wertvolle Mitstreiterinnen für den Frieden sind.

Zusammengearbeitet hatten wir schon lange.

Zusammengerückt sind wir dann irgendwann Anfang der 1990er.

Der nationalistische Taumel nach der Wiedervereinigung, das Erstarken der Nazis, das Brennen der Flüchtlingsheime und der erste Angriffskrieg Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg machten es objektiv notwendig, dass die antifaschistischen, antirassistischen und antimilitaristischen Lager, ob pazifistisch oder radikal, zusammenarbeiten.

In dieser Zeit, Anfang der 1990er, liegt dann auch die Wurzel unserer späteren Arbeitsteilung.

Du, Mani, hast das Konzept des Aktionskonsenses entscheidend mitgeprägt.

Der Grundgedanke war einfach und sehr schwierig umzusetzen.

Die verschiedensten Gruppen versammeln sich hinter einem Ziel, z.B. der Verhinderung eines Nazi-Aufmarsches. Man vereinbart einen Aktionskonsens und versichert sich gegenseitig, die darüber hinausgehenden Unterschiede zu akzeptieren und zu respektieren. Wenn etwas schief läuft, wird sich nicht reflexartig distanziert, sondern die Fehler werden gemeinsam analysiert und behoben. So soll in einem Prozess die Vertrauensbasis für zukünftige Bündnisse gelegt werden.

In diesem Prozess hast Du, Mani, eher in das friedensbewegte und kirchliche Milieu und ich eher in die linksradikale, autonome Szene gewirkt.

Ich denke, dass diese langjährigen Prozesse eine Voraussetzung dafür waren, dass das Bündnis „Bonn stellt sich quer“ praktisch aus dem Stand so erfolgreich sein konnte.

Mani, ich werde Dich sehr vermissen.

Fast unvorstellbar, dass ich zum  Bündnistreffen gehe, … und du sitzt nicht schon da.

Wie oft standest Du in den letzten Jahren, die Zigarette schon fertig gedreht, vor der Tür und sagtest einen Deiner Standardsätze: „Wir müssen reden, ich hab zwar gar keine Zeit, aber einer muss es ja tun.

Die Treffen, Telefonate und Mails sind ungezählt.

Ich werde das so vermissen.

 

Hey Mani,

ich steh ja jetzt hier in einer für mich ungewohnten Atmosphäre, ich hab's ja nicht so mit der Kirche.

Trotzdem werde ich jetzt am Ende etwas feierlich und gebe ein Versprechen ab:

Mani – der Kampf geht weiter!

Ergänzung
Noch ein Wort zum Thema „Bonner Forum BürgerInnen und Polizei“: Nicht nur, aber vor allem in linksradikalen und autonomen Kreisen war die Gründung des „Bonner Forums BürgerInnen und Polizei“ ein Schock, wenn nicht gar Verrat. Mit dem Feind diskutieren oder gar zusammenarbeiten?

In Bonn traf diese Initiative auf viele Vorbehalte und Ablehnung, aber nicht nur. Es gab in der linken Szene auch differenziertere Stimmen. Wer und was ist die Polizei? Bei Demonstrationen, Blockaden, Hausbesetzungen etc. wurde die Polizei als Feind wahrgenommen, einmal in ihrer Funktion, aber auch wegen ihres überzogenen, oft brutalen Auftretens. Letztendlich muss man sagen, dass die Polizei zumindest nicht der Hauptfeind ist, zu dem ihn die autonome Szene oft hochstilisiert hat. Richtigerweise muss man sagen, dass die Polizei von den Herrschenden zwischen uns und die eigentlichen Feinde gestellt wurde und wird.

Wenn man sich aber die Klassenlage anschaut, kann die Polizei nicht pauschal als Feind angesehen werden. Rosa Luxemburg hat mal gesagt: „Polizisten sind Proletarier, die man in Uniformen gesteckt hat.“ Und richtig: Die PolizeibeamtInnen gehören gerade nicht zu den oberen 10.000, sie werden zum Teil mies bezahlt, kloppen Überstunden ohne Ende, müssen bei Wind und Wetter raus und sollen bei offen zu Tage tretenden Widersprüchen, die das kapitalistische System zwangsläufig mit sich bringt, die Kastanien für diejenigen aus dem Feuer holen, die sie schlecht bezahlen.

So betrachtet ist ein Dialog mit den ausführenden Organen des Repressionsapparates nicht grundsätzlich verwerflich. Misstrauen und Vorsicht sind und bleiben aber angesagt. Nicht nur, aber auch die Vorgänge um die NSU-Morde und die Rolle der staatlichen Behörden, inklusive der Polizei, belegen, dass eine Demokratisierung des Polizeiapparates noch in weiter Ferne liegt.

 

Der Text ist die von Jürgen ergänzte Ansprache bei der Trauerfeier für Mani.

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Jürgen Repschläger ist Verlagskaufmann, selbstständiger Antiquar für Buch und Grafik und kultureller Sprecher der Linksfraktion im Bonner Rat.