Schaffung von Freiräumen für Menschenrechtler noch immer nötig

30 Jahre pbi:

von Christoph Behrends
Initiativen
Initiativen
( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Seit 1981 unterstützen wir, die peace brigades international (pbi), Menschenrechtsaktivisten bei ihrer wichtigen Arbeit. Doch noch immer werden Menschenrechte vielerorts systematisch verletzt. Insbesondere Personen, die den Machtanspruch von Eliten in Frage stellen, riskieren auch in der Gegenwart Leib und Leben – sei es in Kolumbien, Mexiko, Nepal, Guatemala oder anderswo. Ein Rückblick auf 30 Jahre pbi, die Gründung von pbi Deutschland und eine Einschätzung des Status Quo.

„Kaum drei Tage im Land, haben wir eine Menschenkette mit acht pbi-Freiwilligen gebildet“, erinnert sich Werner Huffer-Kilian. „Wir haben uns zwischen Polizei und die demonstrierende Grupo de Apoyo Mutuo (GAM), die Familienangehörigen von Verschwundenen, gestellt“. Die GAM zählt zu den größten und wichtigsten Menschenrechtsorganisationen Lateinamerikas. Huffer-Kilian war einer der ersten Freiwilligen aus Deutschland, die 1986 nach Guatemala ausgereist sind. Massiver Staatsterror in Form von Tötungen und Entführungen hatte hier die Strategie der verbrannten Erde abgelöst. Geschätzte 40.000 „Verschwundene“, 100.000 Ermordete und 1,5 Millionen Flüchtlinge waren die Folge. „Nach der Demonstration gab es eine Kampagne der Regierung, um pbi aus dem Land zu werfen – zum Glück ohne Erfolg.“ Mit viel Idealismus und der „politischen Klarheit, dass Gewaltfreiheit die einzig tragbare Option darstellt“, so Huffer-Kilian, gingen die ersten pbi‘ler ihrer Arbeit nach. So gründete er zusammen mit anderen Engagierten 1991 den Verein pbi Deutschland. Unter ihnen waren der heutige Oberbürgermeister der Stadt Trier, Klaus Jensen, Friedenspädagoge Ueli Wildberger und Piet Dijkstra, der pbi Europa mit aufbaute.

Dem vorausgegangen war die Gründung der internationalen Friedensbrigaden 1981 in Kanada. „Die Peace Brigades werden unparteiische Missionen durchführen, wie zum Beispiel friedensstiftende Initiativen, Friedenserhaltung unter Bewahrung der Gewaltfreiheit und humanitäre Dienste“, heißt es im Gründungspapier. „Wir greifen auf ein umfassendes Erbe gewaltfreier Aktion zurück. Wir sind überzeugt, dass diese Übereinkunft von Geist, Herz und hingebungsvollem Willen einen bedeutsamen Unterschied in menschlichen Beziehungen leisten kann.“

Erfolge trotz schwieriger Bedingungen
Eine Haltung, die bis heute Bestand hat und dazu führt, dass pbi-Arbeit, in deren Zentrum die zivile Schutzbegleitung von Menschenrechtsaktivisten und -aktivistinnen steht, notgedrungen unter schwierigen Bedingungen stattfindet. Manchmal ist sie gar offener Gewalt ausgesetzt. Etwa bei einem Granatenanschlag auf das pbi-Haus in Guatemala Stadt im August 1989 oder beim Messerangriff auf drei pbi-Freiwillige im darauffolgenden Dezember. Nicht immer wird Gewalt so offen ausgetragen – eher indirekte Verunmöglichung der Arbeit durch Veränderung der Visabestimmungen haben wir gerade in Indonesien erlebt. Doch konnten bereits frühzeitig auch Erfolge erzielt werden. Bekannte Menschenrechtler/-innen wie Nineth Montenegro de García oder Gewerkschafter wie Amílcar Méndez, die zuvor von pbi begleitet wurden, kamen trotz des Terrors der guatemaltekischen Militärdiktatur und ständiger Todesdrohungen ins Parlament. In El Salvador, Guatemala und Kolumbien konnten Flüchtlinge mit pbi-Unterstützung in ihre Heimat zurückkehren. Und im vergangenen Jahr wurde das mexikanische Justizsystem dank jahrzehntelangen Drängens der von pbi begleiteten Organisationen geradezu historisch verändert. Insgesamt hat pbi in 30 Jahren auf Anfrage lokaler NGOs weit über 1.000 Freiwillige in gefährliche Regionen entsendet und dabei keinen einzigen verloren. Vor zehn Jahren wurde pbi für seine Arbeit für den Friedensnobelpreis nominiert.

Spagat zwischen Grasroots  und Professionalisierung
In den vergangenen Jahren ist pbi gewachsen und hat sich zunehmend professionalisiert. Büros existieren inzwischen in 22 Ländern. Freiwillige werden heute strenger ausgewählt, sie werden intensiver vor- und nachbereitet, besser betreut und erhalten neben Kost und Logis ein Taschengeld. Ohne die wenigen Hauptamtlichen, vielen Freiwilligen und Ehrenamtlichen könnte pbi nicht existieren. „Alle pbi-Aktiven können an fast allen Entscheidungen mitarbeiten und mitbestimmen“, so pbi-Vorstandsmitglied Suhela Behboud. „Das Konsensprinzip ist zwar manchmal anstrengend und langwierig, aber auch etwas sehr Besonderes“. Eine der Herausforderungen der Organisation ist heute, das Graswurzelprinzip mit der zunehmenden Professionalisierung zu vereinbaren und demokratisches Mitspracherecht auf allen Ebenen zu gewährleisten. Auch die Finanzierungsfrage stellt sich einer Nonprofitorganisation wie pbi, die größtmögliche Unabhängigkeit anstrebt, stets aufs Neue.

pbi’s Instrument, die zivile Schutzbegleitung, wurde seit Gründung kontinuierlich weiterentwickelt. Die Idee, Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten physisch als „Auge der Weltöffentlichkeit“ erkennbar zu begleiten, wird heute zunehmend mit anderen Aktivitäten verzahnt. „Wir legen mehr Wert auf den Sicherheitsaspekt und damit verbunden auf Advocacyarbeit“, so Heike Kammer, die 1986 zu pbi kam und die Organisation seitdem maßgeblich mitgestaltet. „Die Konfliktlagen haben sich besonders in Mittelamerika verändert. Damals herrschte offener Bürgerkrieg, heute befinden wir uns in einem Nachkriegsszenario mit oft subtilen Bedrohungen. Viele der von uns begleiteten Organisationen setzen sich gegen das rigorose und oft politikgestützte Vorgehen internationaler Konzerne zur Wehr. Wir müssen heute Anfragen nach Schutzbegleitung und die jeweilige Sicherheitslage stärker analysieren.“

Erfahrungen teilen
Dass die von pbi verwendete Methode der gewaltfreien, zivilen Schutzbegleitung tragfähig ist, davon waren ihre Gründungsmitglieder überzeugt: „Ich bin davon ausgegangen, dass sich die Idee verstetigt, weil die Notwendigkeit besteht, Menschenrechtler zu unterstützen – auch wenn sich die Schauplätze global verlagern“, so Klaus Jensen. Und: 30 Jahre Existenz bedeutet auch 30 Jahre gewachsene Erfahrung. „pbi ist eine der wenigen Organisationen, die langjährig direkte Erfahrungen in gewaltfreier Konfliktbearbeitung und im aktiven Menschenrechtsschutz in allen Konfliktphasen gesammelt hat – auch während der heißen Phase eines bewaffneten Konfliktes“, so Behboud. Diese Erfahrungen gibt pbi in Form von Konferenzen und Workshops weiter. Doch leider „ist die Welt 30 Jahre später nicht sicherer geworden“, so Behboud, „die Anfragen nach internationaler Schutzbegleitung nehmen kontinuierlich zu.“ Es gibt also noch viel zu tun für die Menschenrechte – und für pbi.

Ausgabe

Rubrik

Initiativen
Christoph Behrends ist Soziologe, freier Journalist und Mitglied der pbi-Rundbriefredaktion. In den vergangenen zwei Jahren zeichnete er für die Öffentlichkeitsarbeit des Konsortiums Ziviler Friedensdienst verantwortlich.