Rede von Preisträger Andreas Buro

Aachener Friedenspreis 2008

von Andreas Buro
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Rede von Andreas Buro zur Verleihung des Aachener Friedenspreises am 1. September 2008 in der Aula Carolina, Aachen:

Ich bedanke mich für die Verleihung des nationalen Aachener Friedenspreises. Noch nie in meinem Leben habe ich einen Preis bekommen. Dies ist für mich eine ganz neue Situation. Eine Einschränkung muss ich machen, denn ich hätte beinahe einmal einen Orden erhalten. Während der Bombardierung von Berlin hatte ich mich als noch recht kleiner Junge beim Löschen in Dachstühlen und auf Dächern hervorgetan. Man schlug vor, ich solle dafür mit dem Kriegsverdienstkreuz zweiter Klasse ausgezeichnet werden. Dagegen wendete die Parteizelle der Nazis ein, mein Vater sei kein Parteigenosse und obendrein stehe er sehr kritisch zum Nationalsozialismus. Man könne doch nicht dem Sohn eines solchen Individuums einen Orden verleihen. So bekam ich keinen Orden.

Ich bedanke mich aber nicht nur für die Verleihung des Preises, sondern auch dafür, dass der Preis unter dem Kriterium der zivilen Konfliktbearbeitung vergeben wurde, denn die Transformation von militärisch gewaltsamem zu zivilen Formen des Konfliktaustrags ist die große Aufgabe der Zukunft.

Die 1989 kursierende Hoffnung, nach dem Ende des West-Ost-Konfliktes würde die Zeit des Weltfriedens ausbrechen, hat sich als gigantische Illusion erwiesen. Das Streben nach Weltvorherrschaft mit Hilfe der riesigen militärischen Überlegenheit der USA führte zu neuen gewaltsamen Konflikten. Der sogenannte „Krieg gegen den Terror“ nimmt immer mehr den Charakter eines Krieges in aller Welt an. Er gefährdet, ja zerstört sogar die Ordnung, die durch die Charta der Vereinten Nationen vorgegeben wurde.

Nicht selten tauchen Vergleiche mit dem römischen Imperium in der damaligen „bekannten Welt“ auf. Das Imperium zerbrach trotz seiner enormen Rüstung.

Heute ist die „bekannte Welt“ der ganze Globus und es lässt sich voraussagen, dass er nicht durch eine, wenn auch noch so hochgerüstete Macht beherrscht und geordnet werden kann. Dies gelingt auch nicht, wenn die sogenannte westliche Welt sich den USA als militärische Hilfskraft – wie aktuell in Irak und Afghanistan - zur Verfügung stellt.

The Great Game, das einst die beiden großen Kolonialmächte England und Russland in Südasien spielten und dass gegenwärtig vom Kaukasus über Nahost bis Südasien wiederum inszeniert wird, kann die großen Weltprobleme – soziale Gerechtigkeit, Umweltsicherung, Rohstoff- und Energieverteilung sowie Kriegsverhinderung nicht lösen. Darüber hinaus produziert der „Krieg gegen den Terror“ Feind- und Freundbilder von angeblich Bösen und Guten, die Verständigung und konstruktive Kooperation blockieren.

Die Bearbeitung der gewaltigen gegenwärtigen und zukünftigen Probleme erfordert dagegen Vertrauensbildung, Einfühlvermögen in die Situation der anderen sowie die Bereitschaft zum Dialog und zur Suche nach Lösungen, die für beide Seiten annehmbar sind. Jede Seite muss ihr Gesicht wahren können!

Dialog und Vertrauen können sich jedoch nicht entfalten, wenn eine Seite die andere bedroht. Die Drohung von Goethes Erlkönig bei dem nächtlichen Ritt „und bist Du nicht willig, so brauch‘ ich Gewalt“, hat in der zivilen Konfliktbearbeitung keinen Platz. Drohung entstammt der militärgestützten Politik, wie man sie exemplarisch bei den Verhandlungen in Rambouillet über den Kosovo beobachten konnte. Der NATO-Jugoslawien-Krieg war die Folge, bei dem gleichzeitig die Vereinten Nationen schwer beschädigt wurden.

Gegenwärtig laufen die Verhandlungen über Urananreicherung im Iran wiederum nach dem gleichen Muster der Bedrohung. Das Land ist umstellt von US-Waffen, die geeignet sind Iran in die „Steinzeit zurück zu bombardieren“. Gleichzeitig droht Israel unverhüllt und der UN-Charta widersprechend mit einem Angriff auf den Iran, was „der Westen“ fast widerspruchslos hinnimmt. Die Forderung, nicht zu bedrohen, gilt selbstverständlich in gleicher Weise für den Iran. Teherans Drohungen gegen Israel liefern ebenfalls die Grundlage für Verfeindung und Gewalteskalation.

Unsere Aufmerksamkeit gilt zur Zeit dem unheilvollen Interventionskrieg in Afghanistan. Dieser dient strategischen und wirtschaftlichen Interessen der USA in Zentralasien und hat nichts mit der Einführung von Demokratie und mit der Entwicklung des Landes zu tun. Wir schlagen eine zivile Strategie vor, die den Afghanen ihre Souveränität und die Möglichkeit zu einer eigenständigen Entwicklung ermöglichen soll. Deutschland kann dabei eine wichtige Rolle spielen, indem es seine militärischen Aktivitäten dort beendet und sich statt dessen als Vermittler zur Verfügung stellt. Durch die beim Militär eingesparten Beträge kann es kooperative Projekte unterstützen, die nebenbei den innerafghanischen Dialog voran treiben. Sie sollen vor allem der armen und hungernden Bevölkerung auf dem Lande zugute kommen. Diese Strategie eröffnet gleichzeitig einen Ausweg aus der gegenwärtigen perspektivlosen Interventionspolitik.

Mit unserer pazifistischen Arbeit wollen wir zunächst die Einsicht im gesellschaftlichen Bewusstsein verankern, dass zivile Konfliktbearbeitung möglich und erstrebenswert ist. Dabei machen wir uns keine Illusionen über die großen Hindernisse auf diesem Weg:

1. Krieg und Gewalt sind tief in der Psyche der Menschen verankert. Die Geschichtsbücher berichten vorwiegend glorifizierend über Kriege.

2. Militär-gestützte Politik wird in der Öffentlichkeit begleitet von scheinheiligen, aber doch wirkungsvollen Legitimationsideologien wie zum Beispiel vom „Gerechten Krieg“, der „Humanitären Intervention für Menschenrechte und Demokratie“, der „Verteidigung der Freiheit am Hindukusch“ bis zum „Krieg gegen den Terror“, als sei nicht Krieg der schlimmste Terror.

3. Das Interesse am militärischen Konfliktaustrag von Militär, Rüstungsindustrie, privaten Söldnerunternehmen und nicht zuletzt von den hochgerüsteten Staaten, die ihre Politik gestützt auf ihre militärischen Drohpotentiale betreiben.

Deshalb darf niemand erwarten, eine Transformation zu ziviler Konfliktbearbeitung sei schnell zu erreichen. Erreichbar ist jedoch

• dass das Ausmaß des tatsächlichen gewaltsamen militärischen Konfliktaustrages zurückgedrängt wird;

• dass ihm durch internationales Recht und Gerichtsbarkeit Handlungsfelder entzogen werden.

• dass drohende Konflikte durch frühzeitige öffentliche Debatten über Präventionsmaßnahmen deeskaliert werden. Die Friedensbewegung hat hier die Funktion der berühmten „Gänse auf dem Kapitol“, unüberhörbar laut zu schnattern.

• dass sich die Zahl der Menschen, die sich um zivile Konfliktbearbeitung und Kriegsprävention bemühen, auch um MitarbeiterInnen in nationalen und internationalen Organisationen erweitern, so dass zivile Konfliktbearbeitung in der öffentlichen Wahrnehmung an Gewicht gewinnt.

Es ist ferner vorstellbar,

• dass in der deutschen Gesellschaft eine Kultur des friedlichen Konfliktaustrages entsteht, die sich auf die herrschende Außenpolitik auswirkt.

• dass erfolgreiche Prävention und zivile Konfliktbearbeitung ihre großen Vorteile für Menschen und Wirtschaft in konkreten Fällen erkennbar machen, so dass die Medien sich ihrer verstärkt annehmen.

Diese langfristigen Ziele vor Augen, ist also ein Prozess zu fördern, der in der Praxis zu verstärkter Kriegsprävention und ziviler

Konfliktbearbeitung führt, der immer mehr Mittel und öffentliche Aufmerksamkeit auf sich lenkt und so eine Eigendynamik entfaltet. Dieser Kampf wird auf vielen innen- und außenpolitischen Feldern und in einzelnen Aktionen ausgetragen werden.

Höchst aktuell muss uns die Drohung Israels und der USA, den Iran militärisch anzugreifen alle in „Gänse auf dem Kapitol“ verwandeln, die unüberhörbar alarmieren.

Nochmals meinen Dank für die Verleihung des nationalen Aachener Friedenspreises und dafür, dass er der zivilen Konfliktbearbeitung gewidmet wurde.

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