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Rede von Roni Hammermann
Aachener Friedenspreis 2008
vonRede von Roni Hammermann zur Verleihung des Aachener Friedenspreises am 1. September 2008 in der Aula Carolina, Aachen:
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde
Stellvertretend für 400 israelische MachsomWatch-Frauen möchte ich Ihnen für die große Ehre danken, mit der Sie unsere Organisation durch die Verleihung des Aachener Friedenspreises 2008 ausgezeichnet haben. Unter den zahlreichen Gruppen des israelischen Friedenslagers ausgewählt zu werden, ist für uns aber nicht nur Ehre, sondern auch Verpflichtung. Verpflichtung weiterhin Zeugnis abzulegen über die schweren Menschenrechtsverletzungen, die sich in den besetzten Gebieten an den Checkpoints und Mauerübergängen tagtäglich ereignen und das Schweigen darüber zu brechen, dass sich leider viele unserer Landsleute auferlegt haben.
Als im Februar 2001 drei Frauen um Fünf Uhr früh auf dem Checkpoint zwischen Jerusalem und Bethlehem auftauchten, wurden sie von den verblüfften Soldaten gefragt , was sie denn dort zu suchen hätten. In ihrer Verwirrung wussten sie keine Antwort. Trotz dieser missglückten Premiere ahnten sie schon damals, dass sie auf eine neuralgische Stelle der Besatzung gestoßen sind, auf den Punkt, in dem sich die Besatzung in ihrer ganzen Unmenschlichkeit und Grausamkeit manifestiert – nämlich auf die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit die die israelische Armee der palästinensischen Bevölkerung auferlegt. Diese Maßnahme ist deshalb so hart und unbarmherzig, weil sie alle Palästinenser betrifft und weil sie Kollektivbestrafung ist. Im Laufe der letzten Jahren wurden diese Methoden, Macht und Kontrolle über die Palästinenser auszuüben, stark „perfektioniert“. Die Anzahl der physischen Barrieren ist auf über 600 angewachsen (einschließlich 88 bemannter Checkpoints). Die Trennmauer, 2002 begonnen, ist heute schon zu 75 Prozent aufgebaut, Strassen wurden zu Strassen „nur für Israeli“ erklärt und die Westbank wurde in 9 Kantone auseinandergerissen. Diesem physischen Beschränkungsmechanismus, liegt ein weitverzweigtes bürokratisch-administratives System von Verboten und Genehmigungen zu Grunde, das heute schon wahrhaft monströse Dimensionen angenommen hat. Und als wäre das noch nicht genug, schwebt über all diesen Maßnahmen das Damoklesschwert der totalen Abriegelung der Westbank von Israel. An Tagen, an denen die Westbank abgeriegelt ist, und das waren im Jahre 2006 78 Tage, (2005 132 Tage) steht das Leben still. Es gibt kein Kommen und Gehen, alle Genehmigungen sind aufgehoben, Menschen sind an den Checkpoints gestrandet, hilflos, ausgeliefert.
Dementsprechend schwer sind die Folgen dieser Einschränkungsmaßnahmen für das Leben der Palästinenser. Es ist nicht möglich eine konkurrenzfähige Wirtschaft zu entwickeln wenn Menschen und Fahrzeuge alle paar Kilometer aufgehalten, untersucht und auf fast unbefahrbare Nebenwege umgeleitet werden. Es ist nicht möglich ein Erziehungssystem aufrecht zu erhalten, wenn Lehrer und Schüler nicht rechtzeitig oder gar nicht in die Schulen kommen können. Es ist nicht möglich ein halbwegs funktionierendes Gesundheitswesen zu wahren, wenn die Kranken ihre Ärzte und die Ärzte die Kliniken und Krankenhäuser nicht erreichen können. Der Zeitraub an den Checkpoints und in den Büros der Zivilbehörde, die Unmöglichkeit sich die für alle Lebensbereiche nötigen Genehmigungen zu verschaffen, die tagtäglichen Entwürdigungen an den Strassenkontrollen, all das erzeugt Verzweiflung und Hass, führt zu einer Radikalisierung der Bevölkerung und ist letzten Endes kontraproduktiv für die sogenannte „Sicherheit“ die ja all diese Maßnahmen rechtfertigen soll.
Wir sind eine Gruppe ausschließlich von Frauen. Unsere Tätigkeit ist ehrenamtlich. Als Frauen sehen wir uns dem militärischen Diskurs entfremdet, der die israelische Gesellschaft so total beherrscht. Unsere Absicht ist es, eine Zivilperspektive – ein ziviles Auge – in diese Räume zu bringen, die völlig von Militärlogik durchdrungen sind. Die Dokumentation dessen, was wir mit eigenen Augen gesehen haben, ist unsere Hauptaufgabe. Wir wollen der ganzen Welt, aber vor allem unseren Landsleuten vor Augen führen, was in ihrem Namen in den besetzten Gebieten geschieht.
Viele Menschen in unserem Land leben in permanenter Angst. Angst vor dem Feind, vor dem Selbstmordattentäter, vor der Hisbollah, vor dem Hamas, vor Irak und neuerdings auch vor Iran. Diese Angst wird ganz bewusst von der israelischen Regierung geschürt, denn Menschen die in ewiger Angst leben sind rationalen Argumenten nicht zugängig und eher bereit gewaltsame Maßnahmen gegen das Objekt der Angst zu akzeptieren, wie zum Beispiel den Bau der Trennmauer. Die Botschaft die wir unseren Landsleuten aus unseren Erfahrungen an den Straßensperren vermitteln möchten ist die, dass die Angst uns nur lähmt und unseren Blick trübt und dass jenseits der Mauer Menschen leben, die nichts anderes wollen als ein freies menschenwürdiges Leben zu führen, ohne Unterdrückung, ohne Landraub und ohne Erniedrigung. Nicht nur die Betonmauern müssen wir abbauen, sondern auch die Mauern der Feindbilder, die den „Anderen“ dehumanisieren. Wir dürfen es nicht zulassen, dass wir der Politik der Angst verhaftet bleiben und von unseren Politikern zu Feinden manipuliert werden.