Abrüsten + zusammenarbeiten - uns von allen Atomwaffen befreien

von Claudia BerndtsGerd GreuneHeinrich HäberleinWerner KlarGregor Witt

Die CDU fordert mittlerweile über das Festhalten an atomarer Abschreckung hinaus in ihrem neuesten Strategiepapier die Gründung der "Vereinigten Staaten von Europa mit eigener Atomstreitmacht". Dies wird das Thema der 90er Jahre.

Der BundessprecherInnenkreis der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner ist der Meinung, daß die bundesdeutschen Friedensbewegung der atomaren Abschreckung die Forderung nach schnellstmöglicher Verwirklichung der Atomwaffenfreiheit entgegensetzen sollte. Darin können sich verschiedene Arbeitsfelder treffen.

Wir sehen, daß die Politik in Bewegung geraten ist. Es geht jetzt um die Grundsätze einer neuen Politik. Es muß gelingen, diese so festzulegen, daß sich aus der Überwindung der Abschreckung und der Verwirklichung der Atomwaffenfreiheit ein Konzept für Einzelschritte und für die alltägliche Friedensarbeit ergibt.

Wir wissen, daß die Stationierung, ständige Modernisierung und die Einsatzerprobung in Manövern als die allergrößte Gefahr von der Mehrheit der Menschen in der Bundesrepublik erkannt worden ist. Dabei ist es unerheblich geworden, um welches einzelne Waffensystem es gerade geht. Wenn wir wirklich einen Durchbruch erreichen wollen - und davon war nach dem INF-Abkommen vielfach die Rede - müssen wir eine konkrete mittelfristige friedenspolitische Perspektive anbieten, die in der Bevölkerung so mehrheitsfähig wird, daß die jeweils Regierenden sich an ihr nicht vorbeimogeln können.

Eine tatsächlich atomwaffenfreie Politik stellt die Beziehungen der Völker und Regierungen Europas auf eine völlig neue Grundlage. Nur so läßt sich ein Ausstieg aus der Abschreckungspolitik vorstellen. In diesem Sinne ist atomwaffenfreie Politik mehr als atomare Abrüstung!

Der nachstehende Text macht den Versuch, unter dem Überbegriff der Atomwaffenfreiheit die verschiedenen·Ansätze und Arbeitsfelder auf dem Gebiet der Abrüstung und Zusammenarbeit zu bündeln und damit in eine gemeinsame Kampagne der Friedensbewegung einzubringen:

Uns bedrücken viele Probleme unserer Welt: Rüstung, Hunger, Elend, Arbeitslosigkeit, Ungerechtigkeit, Umweltzerstörung. Nicht alle sind unmittelbar durch Aufrüstungspolitik verursacht. Aber keines ist lösbar, wenn diese Politik fortgesetzt wird. Sie führt

  • zur Verschleuderung von Geld, Rohstoffen und Kapital für Rüstungsproduktion,
  • zum Einsatz menschlicher Schaffenskraft für militärische Forschung,
  • zur Erzeugung von Feindbildern und Militärpropaganda,
  • zu Militarisierung, Konfrontation und Bereitschaft zum Einsatz militärischer Gewalt.

Am gefährlichsten von allem ist die atomare Abschreckung, die mit der Auslöschung der Menschheit droht. Deshalb gibt es auch kein notwendiges oder akzeptables "Mindestmaß atomarer Abschreckung", sondern notwendig ist die vollständige Beseitigung der Atomwaffen. Das ist ein wesentliches Ziel, um das militärische Gegeneinander zugunsten politischen Miteinanders zu überwinden.

Die Welt von Atomwaffen zu befreien ist kein "Wunschtraum". Der Vertrag über die Verschrottung der Mittelstreckenraketen ist ein Anfang und er hat bewiesen: Abrüstung ist machbar! Jetzt müssen weitere Schritte folgen, mit denen der atomare Rüstungswettlauf gestoppt, weiter abgerüstet und ganze Länder und Regionen atomwaffenfrei gemacht werden.

Das erfordert, daß die beiden Großmächte USA und UdSSR in weiteren Schritten die Beseitigung der strategischen Interkontinentalwaffen vereinbaren. Das erfordert auch, daß sich die anderen Atommächte -Frankreich, Großbritannien und die VR China - aktiv am Abrüstungsprozeß beteiligen. Die Atomtests müssen beendet und Weltraumrüstung verboten werden.

Für uns kommt es vor allem darauf an, daß die Bundesregierung eigene Schritte dahin geht und Initiative dafür ergreift, indem sie:

  • auf die Modernisierung von atomar verwendbaren Waffensystemen verzichtet,
  • die Einrichtung atomwaffenfreier Zonen vereinbart,
  • auf den Ersteinsatzverzicht der NATO drängt und ihre Mitsprache an Nuklearplanungen aufkündigt,
  • in den Verhandlungen über konventionelle Rüstungskontrolle für die Verbindung atomarer und konventioneller Abrüstung eintritt,
  • die Atomwaffenfreiheit der Bundesrepublik im Grundgesetz verankert.
  • konventionelle Überlegenheiten durch Abrüstung beseitigt.

Atomwaffenfreiheit bedeutet für unserer Land, daß bei uns

  • keine atomare Bomben, Minen und Sprengköpfe produziert, gelagert oder transportiert werden,
  • atomar verwendbare Abschußrampen, Trägersysteme und Lenkeinrichtungen beseitigt werden,
  • jede Beteiligung an atomarer Einsatzplanung verboten ist.

Die sogenannten zivilen Atomkraftwerke produzieren den Stoff, aus dem die Atombomben gemacht werden können. Für unsere Energieversorgung brauchen wir sie nicht. Dafür gibt es ausreichend umweltverträgliche, kostengünstigere und von Ost und West gemeinsam einsetzbare Alternativen. Deshalb: sofortiger Ausstieg aus der Atomwirtschaft!

Atomare und konventionelle Abrüstung sind zwei Seiten einer Medaille zur Entmilitarisierung der Politik, damit sowohl atomare als auch konventionelle Kriege nicht mehr führbar sind. Deshalb darf kein Abrüstungsschritt durch Aufrüstung in anderen Bereichen ersetzt und wertlos gemacht werden. Im Gegenteil: sowohl chemische und andere Massenvernichtungsmittel als auch konventionelle Rüstung sind zu beseitigen.

Frieden als politische Aufgabe muß mit politischen Mitteln gelöst werden. Konflikte sind zwar unvermeidbar. Aber es gibt keine moralische oder politische Rechtfertigung dafür, sie militärisch auszutragen. Kein Streitpunkt kann wichtig genug sein, für die Durchsetzung eigener Interessen das Überleben eines Kontinents oder gar der Menschheit aufs Spiel zu setzen. Im friedlichen Wettstreit lassen sich Konfliktlösungen finden, die die Interessen aller Streitparteien berücksichtigen und damit zu allseitig tragbaren Regelungen führen. Jede Art militärischer Gewaltanwendung ist unmenschlich und zu ächten.

Frieden als politische Aufgabe muß mit politischen Mitteln gelöst werden. Jede Art militärischer Gewaltanwendung ist unmenschlich und zu ächten. Mit konsequenter Abrüstungspolitik kann der Weg zum dauerhaft friedlichen Zusammenleben der Völker beschritten werden.

Abrüstungspolitik bedeutet deshalb jetzt:

  • Rüstungsausgaben drastisch zu kürzen und auf neue Waffentechnologien zu verzichten - statt Mittel für Zerstörungszwecke zu vergeuden, einen Entwicklungsfonds für die Völker der "3. Welt", Beschäftigungsprogramme, Umweltschutz, Rohstoff- und Energieversorgung zu finanzieren.
  • militärisch aufrechterhaltene Unterdrückung und Ungerechtigkeit beenden - statt Krieg und Rüstung zu exportieren, Hilfe für eine selbstbestimmte Entwicklung für alle Völker zu geben,
  • Verständigung und gleichberechtigte Zusammenarbeit aller Völker und Staaten zu fördern - statt durch Westeuropäische Union und deutschfranzösische Militärkooperation die europäische Blockbildung zu vertiefen die Abrüstungskooperation mit allen Staaten zu entwickeln,
  • Feindbilder abzubauen - statt ständig neuer Bedrohungsängste zu schüren das militärische Gegeneinander zu mindern und die gemeinsamen Lebensinteressen zur Grundlage der Sicherheitspolitik zu machen,
  • die Diskriminierung anderer Kulturen, politisch Andersdenkender und Frauen sowie politische Diffamierung von Friedensengagement zu beenden - statt Menschen auszugrenzen ,das Recht auf Leben für alle Menschen zu sichern und einen offenen Friedensdialog zu ermöglichen,
  • Politik zu demokratisieren - statt der Entmündigung der Bürgerinnen das Recht auf Mitentscheidung in existenziellen Fragen durch Volksabstimmungen zu verwirklichen,

Abrüstung, Verständigung und Zusammenarbeit - das sind die entscheidenden Hebel zur Lösung der weltumspannenden Probleme!

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt
Gerd Greune ist Vorsitzender von ifias Brussels.