Gewaltfreie Blockade

Action AWE schließt britische Atomwaffenfabrik in Burghfield

von Andreas Speck

Am 2. September 2013 blockierten etwa 100 TeilnehmerInnen alle zwei Tore der britischen Atomwaffenfabrik AWE Burghfield in Berkshire, in der Nähe von Reading. Dabei kam es zu 21 Festnahmen. Die Blockadeaktion war der bisherige Höhepunkt der Kampagne Action AWE (siehe den Artikel von Angie Zelter in FF 2/2013), die sich zum Ziel gesetzt hat, die Erneuerung der britischen Atomwaffen – eine Entscheidung dazu soll offiziell erst im Jahr 2016 fallen – zu verhindern. Bisher konnte die Atomwaffenfabrik für wenige Stunden geschlossen werden – eine endgültige Schließung ist bisher leider nicht in Sicht.

Auch wenn nach Meinungsumfragen eine knappe Mehrheit der BritInnen eine Erneuerung der britischen Atomwaffen „like-for-like“ (also eine Modernisierung des bisherigen U-Boot-gestützten Systems mit der gleichen Anzahl neuer U-Boote) ablehnt, heißt das jedoch wenig, und reicht nicht aus, um Druck auf die Politik auszuüben. Von den im Parlament vertretenen Parteien – den Tories (Konservativen) und deren Koalitionspartner, den Liberalen, und Labour – spricht sich keine eindeutig gegen eine Erneuerung der Atomwaffen aus.

Auch wenn es den Liberalen – die vor ihrer Regierungsbeteiligung gegen eine Erneuerung der britischen Atomwaffen waren – gelang, als Zugeständnis von den Konservativen eine Untersuchung von Alternativen zur Erneuerung der Atomwaffen durchzuführen, so nahm die Fragestellung dieser Untersuchung das Ergebnis aber eigentlich vorweg. Es ging bei der im Juli 2013 dann vorgelegten „Trident Alternatives Review“ eben nicht darum, nicht-nukleare Verteidigungsoptionen zu betrachten, sondern lediglich um alternative Versionen einer nuklearen Abschreckung (1). Kein Wunder also, das der Bericht keine wirklichen Alternativen vorschlug.

Dies war zu erwarten, und Action AWE – der Name ist ein Wortspiel mit dem Akronym der Fabrik (2) - wurde aus dem Verständnis heraus gegründet, dass nur durch das Engagement der BürgerInnen eine Erneuerung der britischen Atomwaffen verhindert werden kann – die Politik ist dazu von sich allein aus nicht in der Lage. Hätte es dazu noch eines Beweises bedurft, so hat die Trident Alternatives Review diesen geliefert.

Doch auch wenn sich eine Mehrheit der Bevölkerung gegen die Erneuerung der Atomwaffen ausspricht, so ist es doch ein weiter Weg von einer theoretischen Mehrheit in Meinungsumfragen zur Schaffung bewegungspolitischer Macht, die dazu in der Lage sein könnte, Politik zu beeinflussen. Hierzu muss viel Mobilisierungs- und Lobbyarbeit betrieben werden. Letzteres überlässt Action AWE den existierenden etablierten Organisationen – CND, Greenpeace, und anderen. Der Schwerpunkt von Action AWE liegt also auf der Mobilisierung von BürgerInnen für Aktionen, denn daran mangelt es zurzeit.

Und so fand vom 6.-9. August vor dem Haupttor von AWE Burghfield zunächst eine Fastenaktion statt, zeitgleich mit ähnlichen Aktionen in Paris und Büchel.

Das Burghfield Disarmament Camp                                                            
Wenige Wochen später gab es dann das Burghfield Disarmament Camp, mit der Blockadeaktion am 2. September als Höhepunkt.

Das Camp begann mit einer nächtlichen Platzbesetzung am 25. August 2013. Um 2 Uhr morgens besetzten ca. 30 AktivistInnen unbemerkt (oder ungestört) von der Polizei ein Gelände direkt am Zaun von AWE Burghfield, nur wenige Minuten entfernt vom Haupttor. Noch bevor der erste Streifenwagen der Polizei (nach etwa 45 Minuten) vorbeischaute, waren ein halbes Dutzend kleiner Zelte aufgebaut, und zwei größere Zelte befanden sich im Aufbau. Die Polizei zog zügig wieder ab und ließ die AktivistInnen gewähren.

Da die 'Bylaws' von AWE Burghfield (3) das Zelten „auf freiem Land, in Bäumen, und anderswo“ untersagen, drohte die Polizei in den nächsten Tagen den AktivistInnen immer wieder mit Verhaftung, wenn sie denn nicht ihre persönlichen Daten übergeben würden. Auch wenn sich die AktivistInnen davon nicht abschrecken ließen, so verurteilte das Burghfield Disarmament Camp diese Form der Datenbeschaffung jedoch als „billige Art der Verhaftung“, denn eigentlich darf die Polizei in England nur im Falle einer Verhaftung die persönlichen Daten einer Person feststellen (4).

Die nächsten Tage verbrachten die AktivistInnen damit, das Camp weiter aufzubauen, und sich auf die Blockade des 2. September vorzubereiten.

Blockade
Am 2. September dann begann um 6:00 Uhr morgens die erste Blockade. Verschiedene Bezugsgruppen – eine überwiegend spanische Gruppe, eine belgische, eine finnische, und eine schottisch-englische Gruppe – hatten die Nacht außerhalb des Camps verbracht und sich ganz früh aufgemacht, um unbemerkt von der Polizei auf die Zugangsstraßen zu den beiden Toren von AWE Burghfield zu gelangen und sich dort in Rohren aneinander anzuschließen. Trotz kleinerer Probleme – die Polizei hatte die von der finnischen Gruppe im Wald versteckten Rohre gefunden und entfernt, so dass diese Gruppe improvisieren musste und Daumenschlösser verwendete – gelang es also früh am Morgen, AWE Burghfield komplett zu blockieren.  Es gab Arbeit für die Spezialteams der Polizei, die die AktivistInnen aus ihren Rohren bzw. Daumenschlössern herausschneiden musste. Für etwa eine Stunde war es nicht möglich, mit einem Fahrzeug in die Atomwaffenfabrik zu gelangen oder aus ihr herauszukommen.

Die Atmosphäre war während des ganzen Tages überwiegend fröhlich und entspannt, und gegen 18:00 Uhr entschied sich auch die letzte Blockadegruppe, die von der Polizei nicht geräumt worden war, ihre Blockade zu beenden. 20 der 21 Festgenommenen wurden noch am gleichen Abend wieder freigelassen. Die letzte Festgenommene wurden am nächsten Tag dem Gericht vorgeführt, wo sie eine „conditional discharge“ erhielt – eine Art Schuldspruch, aber ohne Strafe auf Bewährung ausgesetzt.

Und weiter?
Eine Blockade wird die Entscheidung für die Erneuerung der britischen Atomwaffen nicht verhindern, das ist allen an Action AWE Beteiligten klar. Wenige Wochen später, am 3. Oktober, hat eine Gruppe aus Wales erneut AWE Burghfield blockiert. Dabei kam es allerdings nicht zu Festnahmen.

Die Strategie von Action AWE ist es, lokale Gruppen zu ermutigen und dabei zu unterstützen, selbstständig Aktionen vor AWE Burghfield durchzuführen. Dabei ist die Schwelle bewusst niedrig gesetzt – es muss ja nicht immer eine Blockade sein. Dadurch wird nicht nur der normale Betrieb von AWE Burghfield gestört, sondern durch die Arbeit der Gruppen in ihrem Ort wird auch lokal an vielen Orten Aufmerksamkeit für das Thema geschaffen.

16. August 2014: ein 12-km langer rosa Schal von AWE Burghfield nach AWE Aldermaston
Eine große Aktion ist dann für den 16. August 2014 geplant. Tausende gestrickter rosafarbener Schalstücke sollen zu einem 12 km langen Schal verbunden werden, der die beiden Standorte AWE Burghfield und AWE Aldermaston miteinander verbindet (5). Für diese kreative Aktion werden daher zahlreiche MitstreiterInnen gesucht – entweder am 16. August vor Ort zwischen Burghfield und Aldermaston, oder aber durch das Stricken von Schalstücken ...

 

Anmerkungen:
1 Der offizielle Bericht – auf Englisch – findet sich unter https://www.gov.uk/government/publications/trident-alternatives-review 

2 AWE steht offiziell für „Atomic Weapons Establishment“ - AWE Aldermaston und AWE Burghfield, die zusammen die britische Atomwaffenindustrie ausmachen. In „Action AWE“ steht AWE für „Atomic Weapon's Eradication“ - die Abschaffung von Atomwaffen.

3 Bylaws sind in Großbritannien Gesetze mit lokaler Gültigkeit. Die Verletzung von Bylaws kann jedoch eine Straftat darstellen, und ist nicht nur eine Ordungswidrigkeit, was sie von den in Deutschland üblichen 'Satzungen' unterscheidet.

4 Siehe – auf Englisch – die Action AWE Presseerklärung: 'Arrest on the cheap' at Burghfield Disarmament Camp, 26. August 2013, http://actionawe.org/arrest-on-the-cheap-at-awe-burghfield-summer-disarmament-camp/

5 Mehr unter http://www.woolagainstweapons.co.uk/

 

Kontakt Action AWE:
Action AWE: info [at] actionawe [dot] org, http://actionawe.org

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Friedensbewegung international
Andreas Speck war Pressesprecher von Action AWE während des Burghfield Disarmament Camp. Seit Mitte September lebt er in Sevilla und engagiert sich im Red Antimilitarista y Noviolenta de Andalucia (RANA). mail@andreasspeck.info, http://andreasspeck.info