Bericht zur 5. Strategiekonferenz der Kooperation für den Frieden, Aachen, 18. und 19. Januar 2008

Afghanistan - Kein Ausweg aus der militärischen Sackgasse?

von Bernhard Clasen
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Knapp hundert Aktivisten der Friedensbewegung aus allen Teilen Deutschlands waren am 19. Januar nach Aachen gereist, um über den Krieg in Afghanistan, mögliche Lösungswege und das Wie eines dringend erforderlichen Abzuges "unserer" Truppen aus dem Land am Hindukusch zu sprechen. Zielsetzung der Konferenz war es aber nicht einfach, den Abzug aller internationalen Truppen aus Afghanistan zu fordern; "das wäre zu kurz gedacht", sagte Susanne Grabenhorst, Sprecherin der "Kooperation für den Frieden". Vielmehr sei nun Zeit für eine differenzierte Strategie zur Zukunft des Landes.

Als Referenten konnten u.a. Andreas Buro, friedenspolitischer Sprecher des Komitees für Grundrechte und Demokratie, die Publizisten Christoph Hörstel und Andreas Zumach, Oberstleutnant Jürgen Rose, der sich geweigert hatte, in Afghanistan seinen Dienst zu leisten, und Herbert Sahlmann, ehemaliger Entwicklungsbeauftragte des Bundesministeriums für Zusammenarbeit, gewonnen werden. Als einziger Politiker hatte der Grüne Winnie Nachtwei der Konferenz beigewohnt.

Eines der Highlights der Konferenz war der Vortrag von Andreas Buro: Zivile Strategien für Frieden und Sicherheit in Afghanistan - Handlungsoptionen für die Friedensbewegung. (Vgl. Buros Text in diesem FriedensForum)

Andreas Buro betonte, wie wichtig es sei, die vor Ort herrschenden Bedingungen zu berücksichtigen:

Die afghanische Gesellschaft sei ethnisch sehr heterogen und stark in Traditionen verwurzelt. Es bestünden riesige Unterschiede zwischen Stadt- und Landbevölkerung. Wer meine, er könne die Menschen erziehen, werde scheitern. Wir könnten bestenfalls im Sinne der Eigenentwicklung der Gesellschaft helfen. Die durch die "Kollateralschäden" der westlichen Truppen hervorgerufene Empörung in der Gesellschaft verstärke eher die Akzeptanz radikaler Gruppen in der Bevölkerung. Erhebliche Teile der modernen Eliten seien von den Zahlungen der Interventen abhängig. Diese Personen könne man nicht als Maßstab für eine Beurteilung der Bevölkerung nehmen.

Für die NATO steht sehr viel auf dem Spiel. Ein Vietnam am Hindukusch könne sie sich auf keinen Fall leisten. Solange man keine Exit-Strategie habe, sei zu erwarten, dass die NATO ihre Truppen kontinuerlich verstärken werde, die Eskalation also fortschreiten werde. Die durch die "Kollateralschäden" der westlichen Truppen hervorgerufene Empörung in der Bevölkerung verstärke die Feindbilder. Nicht auszuschließen sei eine Ausweitung des Krieges auf Pakistan und den Iran. Eine schlagartige Veränderung der Situation sei nicht zu erwarten, jede Diskussion unter dem Vorzeichen "wenn morgen alle Truppen abziehen" unrealistisch. Anzustreben ist somit eine Weichenstellung zu ziviler Konfliktbearbeitung in einer Situation des fortgeführten Krieges. Erst wenn die afghanische Bevölkerung eine Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse erkennen kann, wird sie sich für Frieden engagieren.

Wir wollen die Sicherheit im Lande stärken, einen Ausweg (exit) aus der militärischen Konfrontation, zivile Konfliktbearbeitung erproben und als Alternative bekannt machen, viele NATO-Länder auf diesen zivilen Kurs bringen, so dass auch innerhalb der NATO ein Prozess der Diskussion und innerer Zerrissenheit da ist, der das Nachdenken über eine eigene Politik fördern soll. Es gelte, die Selbstständigkeit der EU-Staaten gegenüber den USA zu fördern.

Als ersten Schritt zu dieser Weichenstellung dürfe Deutschland das Mandat für ISAF nicht mehr verlängern, keine Tornados entsenden und müsse ein Abzugsdatum nennen. Damit einhergehend gibt Berlin gleichzeitig bekannt, dass die Kosten des derzeitigen Militäreinsatzes von ca. 500 Tausend für zivile Projekte in Afghanistan bereitgestellt werden. Aufgabe dieser ziviler Projekte, die der Zustimmung aller vor Ort tätigen Akteure und der Beratung durch ein Expertenteam und vor Ort tätigen NGOs bedürfen, sei es, eine Produktion im Land aufzubauen. Diese Projekte müssen für die Öffentlichkeit transparent sein, Korruption dürfe auf keinen Fall akzeptiert werden. Schützen ließen sich diese Projekte nur mit der Akzeptanz bei der Bevölkerung, nicht durch Militär.

Wie weiter? Inhaltliche und organisatorische Ideen

Inhaltlich:

  • Wir sollten aufzeigen, wie viel Geld in den Krieg und wie wenig in den Aufbau geht.
  • Das 20-Punkte-Programm von Herbert Sahlmann und der Exit-Plan von Christoph Hörstel sollen in der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.
  • Energie- und Friedensfrage müssen miteinander verknüpft werden. Wie kommen wir von der Abhängigkeit vom Öl weg? Eine Umwidmung der Mittel des Verteidigungshaushaltes zur Verteidigung gegen die Umweltkatastrophe ist notwendig.
  • Mehr Demokratie wagen! 80% der Bevölkerung waren gegen die Mandatsverlängerung. Wir sollten von den Politikern fordern, den Willen des Volkes zu vertreten.
  • Man muss immer wieder von der Bundesregierung die Entwicklung von Exit-Plänen fordern. Es gibt derzeit elf Bundeswehreinsätze. Es gibt auch keine Evaluierung.
  • Wir müssen uns für das Asylrecht für Flüchtlinge aus den Kriegsregionen einsetzen.
  • "Die Bundeswehr macht ganz gute Arbeit, nur die Amis machen schlimme Sachen" denken viele. Diesen Mythos gilt es zu durchbrechen.

Organisatorisch:

  • Unsere Aktivitäten sind auf den Herbst hin, wenn das Mandat verlängert werden soll, zu bündeln.
  • Kultur sollte nicht fehlen. Das neue Stück der "Berliner Companie" sollte in unsere Arbeit einbezogen werden.
  • Viele Aktionen und Veranstaltungen sollten dezentral, aber zeitgleich stattfinden. Möglicher Aktionsort: vor Parteibüros.
  • Die Abgeordneten sollen angesprochen werden.
  • Organisationen, die in Afghanistan tätig sind, sollten stärker als Gesprächspartner angesprochen werden. Damit können wir für zivile Projekte werben.
  • Podiumsveranstaltungen können das Interesse der Bevölkerung wecken.
  • Soldaten sollten wir zur Verweigerung aufrufen und die Kontakte zum "Darmstädter Signal" verstärken.
  • Derartige Konferenzen sollten öfter stattfinden. Dabei sollten auch mehr Afghanen in die Diskussionen eingebunden werden.
  • Es gibt einen guten Film über die Strahlung von depleted uranium im Irak, in Afghanistan u.a. Dieser sollte mehr gezeigt werden.
  • Mahnwachen zu DU (Depleted Uranium) in Afghanistan.
  • Auch dieses Jahr müsste wieder eine Großdemonstration in Berlin stattfinden.
  • Der Kontakt mit Umweltbewegung und Antiprivatisierungsinitiativen ist wichtig.
  • Ein Expertenkreis sollte aufgebaut werden.
  • Ein Veranstaltungsservice mit einem Referenten-Pool sollte eingerichtet werden.

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