Nichts wird gut in Afghanistan und anderswo, solange Krieg zu Frieden führen soll

Afghanistan-Krieg

von Bernhard Trautvetter

Zwei Jahrzehnte Nato-Krieg, in denen die Militärs weit über zwei Billionen US-Dollar verbrannt und in dem Hunderttausende ihr Leben verloren haben, darunter vor allem Zivilist*innen, endeten im für alle sichtbaren Fiasko der Interventionspolitik der Nato.
Die Militär-Lobby von rechts bis bündnisgrün versucht von ihrem Scheitern abzulenken, indem sie allen Kritiker*innen, vor allem den LINKEN, die dem Antrag auf militärische Evakuierung nicht zugestimmt haben, Verantwortungslosigkeit vorwirft: „FDP-Chef Lindner fordert die Kanzlerkandidaten Scholz und Baerbock auf, anzuerkennen, 'dass mit einer Linkspartei kein Staat zu machen ist'. Die SPD-Abgeordnete Aydan Özoğuz fragt, wie eigentlich die Linke Menschen ohne Militär aus Afghanistan rausholen wolle. Der CDU-Abgeordnete Johann Wadepfuhl donnert in Richtung linke Fraktion: 'Sie stellen ihren ideologischen Hass gegen die Bundeswehr über das höchste Gebot der Rettung von Menschen.' ..." (1) Und Annalena Baerbock verlangt mit Olaf Scholz das Nato-Bekenntnis von der Linkspartei (2).

Die Propaganda gegen die LINKE und gegen die friedenspolitische Mehrheit in der öffentlichen Meinung macht erneut deutlich, dass Militarismus eng mit Antisozialismus verbunden ist. Der Einfluss der Friedenskräfte verzeichnet allerdings immer noch Erfolge gegenüber der transatlantischen Propaganda, wie eine Diagnose der Frankfurter Allgemeinen Zeitung offenbart: „Hinzu kommt die öffentliche Meinung, die Auslandseinsätzen immer skeptisch gegenüberstand ... In einer Umfrage, die Forsa im April für die Zeitschrift Internationale Politik durchgeführt hat, wurde die Förderung des weltweiten Klimaschutzes als wichtigste außenpolitische Priorität genannt (45 Prozent). Danach kamen die Unterstützung ärmerer Länder in der Corona-Krise (37), die Stärkung des Zusammenhalts in Europa (32) und die Begrenzung des Einflusses autoritärer Staaten..." (3)

So nimmt es nicht Wunder, wenn die Des-Information auch beim Thema Auslandseinsätze im Allgemeinen und Afghanistan im Besonderen forciert wird.

Die EU-Präsidentin und vorherige Militärministerin Ursula von der Leyen forderte am 14.9.2021 den Ausbau des Militärsektors der EU als Antwort auf die afghanische Katastrophe: „Die EU muss die Lehren aus dem abrupten Ende des von den USA geführten Einsatzes in Afghanistan ziehen und den 'politischen Willen' aufbringen, eigene militärische Kräfte für künftige Krisenfälle aufzubauen.“

Die Friedenskräfte verweisen hingegen auf die humanitären und ökologischen Katastrophen, zu denen die Interventionskriege unter dem Propaganda-Mantra der Terror-Bekämpfung und des Demokratie-Exports geführt haben und immer noch weiter führen: „Mit dem Überfall auf Afghanistan ihren 'globalen Krieg gegen den Terror', den sie mittlerweile auf über 80 Länder ausgeweitet haben, sind nach dem 11. September ...wahrscheinlich ...49-60 Millionen Menschen vertrieben worden. Eine Metastudie der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), die die verfügbaren Untersuchungen auswertete, schätzte die Gesamtzahl aller Opfer i n den zunächst hauptsächlich betroffenen Ländern Afghanistan, Pakistan und Irak nach den ersten zehn Jahren bereits auf mindestens 1,3 Millionen.“ (4)

An dieser Realität ist das Rechtfertigungs-Narrativ der Nato-Lobby zu messen, die den Krieg als nicht gänzlich erfolglos darzustellen versucht. Dass die Ziele nicht aufgingen, werten sie verharmlosend als 'Irrtum'.

Demgegenüber muss allerdings daran erinnert werden, dass sie die Warnungen der Friedenskräfte beiseite gewischt haben: Der Friedensforscher Johan Galtung brachte es kurz nach dem Bundestagsbeschluss für den Krieg in Afghanistan auf den Punkt: „Ich halte es ... für naiv, mit Gewalt Änderungen herbeiführen zu wollen. Der Terrorismus kann nur mit Dialog und dem Willen zur Versöhnung bekämpft werden. Die Amerikaner haben es verpasst, mit den Taliban zu verhandeln. Letztere waren sogar bereit, Osama Bin Laden an einen andern islamischen Staat auszuliefern. Die USA haben das ausgeschlagen, einen Krieg begonnen und damit noch mehr Hass auf sich gezogen. Der Westen muss von seiner gewalttätigen Politik abkehren." (5)

Das neue Narrativ der antilinken Militärpropaganda von rechts bis bündnisgrün wirft der LINKEN vor, dass sie sich mit ihrer Enthaltung bei der Abstimmung über das Mandat zur 'militärischen Evakuierung durch bewaffnete Streitkräfte' (6) dadurch ins Abseits geschossen hätten, dass sie Schutzbedürftigen Schutz verweigerten. Demgegenüber erklärte die Linkspartei, dass sie noch im Juni mit den Grünen für die Evakuierung gestimmt haben, dass aber der Text-Inhalt des Antrags der Bundesregierung durch Falschaussagen, wie das Mandat entspreche dem Völkerrecht, nicht zustimmungsfähig war. Das übergehen alle, die ihre Hände in Unschuld waschen und die Militarisierung weitertreiben.

Anmerkungen
1 https://www.zdf.de/nachrichten/politik/afghanistan-linke-bundestag-100.html
2 https://www.nachdenkseiten.de/?p=76028
3 https://zeitung.faz.net/faz/politik/2021-09-17/auslandseinsatz-ade/66321...
4 https://www.heise.de/tp/features/Zwanzig-Jahre-nach-Nine-Eleven-6193592....
5 Sonntagszeitung, 18. November 2001, http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Terrorismus/galtung.html
6 https://dserver.bundestag.de/btd/19/320/1932022.pdf

Ausgabe

Rubrik

Krisen und Kriege
Bernhard Trautvetter, Mitglied im Essener Friedensforum und Gründungsmitglied von Schule ohne Bundeswehr NRW, friedenspädagogisch und -politisch auch in der GEW NRW aktiv, Lehrer an einem Berufskolleg im Ruhrgebiet, Beiträge zu unterschiedlichen Themen u.a. in Zeitschriften wie neue deutsche schule, Friedensforum; eigene Website: www.fotolyrikart.eu.