Auch ein Prozessbericht

Air Base Ramstein im amerikanischen Drohnen-Krieg

von Peter Becker

Die beste friedenspolitische Sicht auf die Air Base Ramstein (i. f.: ABR) hat sicher Wolfgang Jung, Lehrer i. R. und Herausgeber der LUFTPOST, einer Webseite, die über die ABR, ihre Nutzung im amerikanischen Drohnenkrieg und die einschlägigen völker- und verfassungsrechtlichen Fragen informiert. Wolfgang Jung hat seine Überzeugung, über Ramstein führten die US-Streitkräfte rechtswidrig Krieg, zur Erhebung einer Klage bewogen, mit der er Auskünfte darüber erstreiten will, ob und in welchem Umfang die ABR für die Kriegsführung im Rahmen der Operation Enduring Freedom (OEF) und für die Steuerung der Drohneneinsätze insbesondere in Afghanistan, in Pakistan und im Jemen genutzt wird. Auf der Basis der Auskünfte müssen die Gerichte dann entscheiden, ob und in welchem Umfang die Bundesregierung die Nutzung der Air Base einschränkt – ein brisanter Stoff! Das Verwaltungsgericht Köln wies diese Klage mit Urteil vom 25.03.2013 ab, gab zwar dem Kläger weitgehend Recht, ließ die Anträge aber an einem Nebenpunkt scheitern. Die Berufung wurde zugelassen und liegt derzeit beim Oberverwaltungsgericht Münster. Worum geht es?

Geschichte von Ramstein
Ramstein war schon in der Nazi-Zeit ein Militärflugplatz. Die Amerikaner haben ihn als Besatzungsmacht übernommen und ausgebaut. Das war ihr Recht. Bis 1990 war Deutschland kein souveräner Staat; formal galt immer noch die Vier-Mächte-Verantwortung. Das hat sich erst mit dem Zwei-Plus-Vier-Vertrag geändert. Rechtsgrundlage für die Nutzung der ABR durch die amerikanischen Streitkräfte waren Art. 1 Abs. 4 des Aufenthaltsvertrags von 1954 und Art. 57 Abs. 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut von 1959.

Auf der Grundlage dieser Bestimmungen sind die USA im Besitz einer Dauergenehmigung für ihre Militärflugzeuge. Diese Genehmigung wird für die Dauer eines Jahres pauschal erteilt und deckt zurzeit etwa 64.000 Flugbewegungen ab, also ca. 175 Flugbewegungen pro Tag. Neben ABR wird auch der Flughafen Leipzig/Halle genutzt, über den die US-Army 450.000 Soldaten pro Jahr umschlägt.

Bis 1990 war die Nutzung der ABR unproblematisch, weil sich die USA im NATO-Bündnis mit Deutschland und anderen Staaten der Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland gegen den vermuteten Aggressor Sowjetunion gewidmet haben. In diesem Zeitraum war Ramstein übrigens immer Stationierungsort für Atomwaffen (etwa 130 Bomben, die bis 2007 in sogenannten „Grüften“ untergebracht waren).

Im Jahre 1990, mit dem Abschluss des Zwei-Plus-Vier-Vertrages, änderte sich die Rechtslage. Deutschland wurde souverän. Im Vertrag wurde festgelegt, dass von deutschem Boden nur noch Frieden ausgehen wird (Art. 2). Außerdem wurde festgelegt, dass in den Neuen Ländern keine ausländischen Truppen und Atomwaffen mehr stationiert werden dürfen (Art. 5 Abs. 3). Bedingung war, dass die Vereinigten Staaten ihre vorhandenen Militäreinrichtungen in Deutschland auch zukünftig nutzen könnten. Dabei soll es sich um über 800 Einrichtungen handeln. Denn Deutschland spielt in der weltweiten US-Militärstrategie eine entscheidende Rolle. Die US-Streitkräfte verfügen über sechs Regionalkommandos, von denen vier in den USA beheimatet sind. Zwei liegen in Deutschland, und zwar EUCOM in Stuttgart, das für Europa einschließlich des asiatischen Teils Russlands und der Türkei zuständig ist, ferner das AFRICOM für Afrika und Ägypten. Das EUCOM ist in die folgenden Untergliederungen aufgeteilt:

  • US Air Force Europe, Ramstein AFB, Germany
  • US Army Europe, Heidelberg, Germany
  • US Navy Europe, Naples, Italy
  • US Marine Corps Forces Europe, Böblingen, Germany
  • Special Operations Command Europe, Stuttgart, Germany

In der Militärregion Kaiserslautern befinden sich etwa 44.500 US-StaatsbürgerInnen, davon knapp 15.000 SoldatInnen. Dabei handelt es sich um die weltweit größte US-Militärgemeinde außerhalb der Vereinigten Staaten. In Miesau im Kreis Kaiserslautern befindet sich das größte Munitionsdepot der Welt, das Ammunition Center Europe, wo auch viele weitere Materialien liegen.

Die ABR ist das größte Luftdrehkreuz der US-Streitkräfte außerhalb der Vereinigten Staaten und die „größte, verkehrsreichste, beste und eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Militärbasis der Welt“, so die amerikanische Soldatenzeitung Stars and Stripes. Sie wird jährlich für mehr als 30.000 Starts und Landungen genutzt.

Die ABR wurde auf Basis einer Vereinbarung über die Verlegung der Flugverkehrskapazitäten der US-Streitkräfte vom Flughafen Frankfurt/Main nach Ramstein ausgebaut. Die Genehmigung dafür wurde im Juni 2003 erteilt. Gegen diese Genehmigung wurde geklagt. Das Bundesverwaltungsgericht entschied dazu, dass „[…] ausländischen Luftfahrzeugen […]der Einflug in das deutsche Hoheitsgebiet untersagt werden [kann], wenn der Verdacht besteht, dass der Verkehr die öffentliche Sicherheit stört oder geeignet ist, Handlungen zu dienen, die verfassungswidrig i. S. d. Art. 26 Abs. 1 GG sind. Entsprechendes gilt für Flugbewegungen, die gegen das völkergewohnheitsrechtliche Gewaltverbot oder Art. 2 Abs. 4 UN-Charta verstoßen […]“.

Warum der einzelne Bürger vom Staat die Einhaltung der allgemeinen Regeln des Völkerrechts, des Gewaltverbots und des Humanitären Kriegsvölkerrechts verlangen kann
Die Rechtsgrundlage für Wolfgang Jungs Begehren ist Art. 25 GG, eine weithin unbekannte Vorschrift. Es heißt dort, dass die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts sind und „[…] Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebiets“ erzeugen. Nach der herrschenden Auffassung in der deutschen Verfassungsrechtslehre ist Art. 25 Satz 2 eine sog. Anspruchsgrundlage: Der Bürger kann vom Staat ein Handeln oder Unterlassen verlangen; also etwa die Erteilung von Auskünften und das Unterlassen rechtswidriger Drohneneinsätze.

Drohnen
Wir gehen davon aus, dass die USA ihre Kampfdrohnen Reaper („Sensenmann“) und Predator („Raubtier“) über Ramstein in die Einsatzorte bringen. Die Drohnen können zusammengeklappt und verpackt werden und werden dann in großen Transportmaschinen insbesondere nach Afghanistan und Pakistan, nach Somalia und in den Jemen gebracht. Dabei handelt es sich um Kampfdrohnen, die direkt zur Tötung von Menschen eingesetzt werden. Außerdem ist es nach der Zeugenaussage des amerikanischen Drohnenpiloten Brandon Bryant, der allein für rund 1.500 Tötungen verantwortlich sei, wohl sicher, dass die Drohnen über Ramstein gesteuert werden (Süddeutsche Zeitung vom 4. April 2014 und ARTE vom 8. April 2014).

Die Rechtsfrage ist, ob der Einsatz von Kampfdrohnen mit dem Völkerrecht übereinstimmt. Maßgeblich ist das Zusatzprotokoll II zum Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nichtinternationaler bewaffneter Konflikte vom 08.06.1977 (ZP II). Nach Art. 13 Abs. 2 des ZP II dürfen Zivilpersonen nicht das Ziel von Angriffen sein. Gemäß Art. 13 Abs. 3 ZP II dürfen Zivilpersonen ausnahmsweise nur getötet werden, sofern und solange sie unmittelbar an den Kampfhandlungen teilnehmen. Die Zivilperson darf nur genau in dem Moment angegriffen werden, in dem sie Kampfhandlungen ausführt. Sie muss dafür in die organisierte bewaffnete Oppositionsgruppe integriert sein und muss eine „continuous combat function“ ausüben (ICRC interpretive guidance on the notion of direct participation in hostilities under international humanitarian law, 2009, S. 33).

Wahrscheinlich halten die US-Armee und der CIA diese Kriterien nicht ein. Es müssen mehrere Prüfungsschritte beachtet werden: Erstens muss geklärt werden, ob die Zielperson überhaupt ein Kombattant ist. Wenn sie kein Kombattant ist, sondern etwa am Schreibtisch Strategien ausarbeitet, nimmt sie nicht direkt an Feindseligkeiten teil und darf deswegen nicht angegriffen werden. Wenn es sich um einen Kombattanten handelt, muss er allein oder zusammen mit anderen in Kampfhandlungen unterwegs sein. Das sind die Kriterien für die Auswahl und die Festlegung der Zieleignung. Außerdem muss in einem weiten Schritt gewährleistet werden, dass Zivilpersonen nicht getötet werden können.

Das Verhältnis militärischer zu zivilen Opfern ist vom Afghanistan Analysts Network (AAN) näher untersucht worden. Das AAN wird insbesondere von skandinavischen Regierungen unterstützt, im Jahr 2011 von Schweden, Norwegen, Dänemark und den Niederlanden. Das AAN hat in der Zeit vom 01.12.2009 bis 30.09.2011 3.771 ISAF-Pressemitteilungen ausgewertet, von denen sich 2.365 mit sogenannten „capture or kill raids“ befasst haben. Es habe 3.873 Tote gegeben, von denen aber nur 174 als „leaders“ betrachtet wurden, 5 Prozent der Getöteten. 13 Prozent der Personen seien gefangen genommen worden. Im Ergebnis waren über 80 Prozent der Betroffenen nicht in Kriegshandlungen verwickelt. Das macht die Aktionen unverhältnismäßig und rechtswidrig.

Wenn die Kriterien des Kriegsvölkerrechts nicht eingehalten sind, handelt es sich um strafbaren Mord nach § 211 StGB bzw. um die strafbare Tötung von Zivilpersonen nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB. Nach dieser Vorschrift ist es verboten, eine „geschützte Person“ zu töten. Wer das unterstützt, macht sich ebenfalls strafbar.

Die Fakten- und Rechtslage ist ausführlich in meinem Aufsatz ‚Rechtsprobleme des Einsatzes von Drohnen zur Tötung von Menschen‘ dargestellt, erschienen in der Zeitschrift Die Öffentliche Verwaltung (DÖV), Nr. 13 vom Juli 2013, S. 493.

Das Verhalten der Bundesregierung
Die Bundesregierung verteidigt sich im Prozess nur mit formalen Argumenten und geht nicht auf die Nutzung der ABR durch die USA ein (die Drei-Affen-Strategie). Auch die Presse- und Fernsehberichte sind von der Bundesregierung nicht kommentiert worden. Also müssen die Gerichte, unterstützt von der Friedensbewegung, das Völker- und Verfassungsrecht auch hinsichtlich der Drohneneinsätze durchsetzen.

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Dr. Peter Becker ist Rechtsanwalt, Co-Präsident der International Association of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA) und Vorstandsmitglied der Deutschen IALANA.