G8

Aktionstag gegen Krieg, Folter und Militarisierung

von Hannelore Tölke
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Der 5. Juni war bereits lange als Aktionstag gegen Krieg, Folter und Militarisierung vorgemerkt. An diesem Tag sollte mit Demonstration und Kundgebungen am Flughafen Rostock-Laage. gegen den Militärflughafen und gegen die Anreise der G8 protestiert werden. Der Flughafen Rostock-Laage wurde von den Organisatoren nicht zufällig als Ort von Protesten ausgewählt, zeigt er doch exemplarisch, wie Militarisierung in Deutschland betrieben wird.

1979 als Fliegerhorst der NVA gegründet wird er 1990 von der Bundeswehr übernommen. Ab 1993 ist dort das Jagdgeschwader 73 stationiert. Einzigartig ist, dass sich hier gleichzeitig MIG-29A und Phantom II Kampfflugzeuge befinden. Durch einen Mitnutzungsvertrag wird der Flughafen ab 1992 auch zivil genutzt und entwickelte sich schnell zu einem wichtigen Flughafen in der Region für Billigflieger und für Luftfracht. Heute sind dort Eurofighter stationiert. Der Eurofighter ist bekanntlich eines der teuersten Rüstungsprojekte der EU.

An vier Orten rund um den Flughafen waren für den 5. und 6. Juni Protest-Kundgebungen angemeldet, in Friedriechshof im Westen, in Striesdorf im Norden, in Kronskamp am militärischen Eingang des Flughafens und in Weitenfeld am zivilen Eingang. An diesen Orten sollte es den ganzen Tag Kultur und Redebeiträgen geben.

Am 15. Mai jedoch erließ die Polizei eine Allgemeinverfügung und erklärte die gesamte Region um Heiligendamm zur Sicherheitszone, damit waren 50 der insgesamt 60 seit Monaten geplanten Protestaktionen verboten. Außenpolitische und Sicherheitsinteressen hätten Vorrang vor dem in der Verfassung garantierten Versammlungs- und Demonstrationsrecht, so die Polizei. Von den Verboten betroffen waren auch die geplanten Demonstrationen und Protestkundgebungen am Flughafen Rostock-Laage. Gegen die Allgemeinverfügung der Polizei erhoben die Anmelder der Flughafenproteste, Tobias Pflüger, MdEP, und der Deutsche Friedensrat e.V. vor dem Verwaltungsgericht Beschwerde. Das Verwaltungsgericht gab ihnen Recht und erlaubte die Kundgebung mit Auflagen. Doch jetzt legte die Polizei Beschwerde ein. Drei Tage vor den geplanten Kundgebungen luden die Richter zum Ortstermin ein. Zur Verhandlung standen die Kundgebungsorte Striesdorf, Kronskamp und Weitenfeld. Friedrichshof war bereits genehmigt, weil dieser Kundgebungsort nicht in der von der Polizei verhängten Sicherheitszone lag.

Mehr als 8 Stunden dauerte die Erörterung. In Ortsterminen wurde jeder mögliche Kundgebungsort besichtigt und verhandelt. Doch der Vergleich gelang nur teilweise. Zwei der drei Kundgebungsorte werden genehmigt. Für die Kundgebung in Kronskamp, am Eingang des militärischen Teils des Flughafen Rostock-Laage, verweigerte die Polizei die Genehmigung. Die Kundgebung sollte weiter entfernt an einer Bus-Schleife stattfinden, nur eine Mahnwache mit höchsten 50 Teilnehmern sollte am Eingang des Fliegerhorstes erlaubt sein. Die Anmelder wehrten sich gegen die Beschränkung des Demonstrationsrechts auf eine Mahnwache.

Leicht gemacht wurde es auch dem Bündnis, das den Aktionstag gegen Krieg, Folter und Militarismus organisierte, nicht, denn bei den Vorbereitungen spielten auch die Planungen der G8 eine Rolle. War zunächst der 5. Juni als Ankunftstermin der G8 angekündigt, so heißt es plötzlich die G8 kämen erst am 6. Juni.

Nach kurzer Beratung war sich das Bündnis einig, am 5. Juni statten wir den Orten der Rüstungindustrie und des Militarismus einen Besuch ab. Ziel war Warnemünde. Das staatlich anerkannte Seebad hat mehr zu bieten als liebevoll sanierte historische Häuser, die kilometerlange Promenade mit maritimen Kneipen, das Spielcasino und den Yachthafen. Warnemünde ist Militärstandort und Rüstungsschmiede. Ganz in der Nähe des Yachthafens Hohe Düne ist der Marinehafen. Für die Bundesmarine - so heißt es - ist die "Hohe Düne eine Perle unter unseren Stützpunkten". Bis 2011 sollen hier für den Ausbau noch 36 Mio Euro investiert werden. Der Marinestützpunkt erhält dann zusätzliche Aufgaben. Ab 2008 sollen 5 Korvetten, Anschaffungskosten je Korvette 240 Mio.Euro, hier stationiert werden.

Von Warnemünde starteten im September 2006 zwei Schnellboote und ein Tender mit rd. 150 Mann Besatzung zum Einsatz an die libanesische Küste. Die drei Schiffe sind Teil des deutschen UNIFIL-Kontingents. Schnellboote wurden bereits in den vergangenen Jahren zur Seeraumüberwachung im Golf von Aden und in der Straße von Gibraltar eingesetzt. Tender sind Versorgungsschiffe, die die Einsätze auf See logistisch absichern.

Ebenfalls in Warnemünde ansässig ist EADS. Der Rüstungssparte bei EADS geht es glänzend, rd. 10 Mrd Umsatz machte EADS mit Rüstungsgütern, etwa ein Viertel der Gesamterlöse. Inzwischen entwickelt sich der schönfärberisch "Verteidigungs- und Sicherheitssparte" genannte Rüstungsbereich von EADS zum "Stabilitätsanker", wie das Handelsblatt am 3. April 2007 berichtet. Größter Kunde ist die Bundeswehr. Für 2,4 Mrd. Euro hat die Bundeswehr im vergangenen Jahr bei EADS eingekauft, und auch in diesem Jahr rechnet EADS mit Einkäufen in ähnlicher Höhe.

Um 12.30 Uhr beginnt in Warnemünde die Kundgebung bei EADS. Bevor die Teilnehmer zum Kundgebungsort gelangen, müssen sie, wie durch ein Nadelöhr, eine Fußgängerbrücke passieren, die Polizei kontrolliert jeden. Nach einer Auftakt-Kundgebung setzt sich der Demonstrationszug in Bewegung. Auf dem Weg zur Abschlusskundgebung ist der Demonstrationszug auf 2000 Menschen angewachsen. Um 14.30 Uhr ist die Abschlusskundgebung beendet. Die Teilnehmer verabreden sich zu weiteren Aktionen am Flughafen Rostock-Laage, wo am späten Nachmittag die Ankunft von George W. Bush erwartet wird.

Schon der Weg zum Kundgebungsort in Weitenfeld ist ein Abenteuer. Keine Rede mehr von freiem Zugang zum Kundgebungsort. Viele Demonstranten werden an Polizeisperren angehalten und erst nach langem Warten und Befragungen durchgelassen. Dennoch gelangten mehr als 1000 Friedensaktivisten nach Weitenfeld zum zivilen Eingang des Flughafens Rostock-Laage. Als die Kundgebung beginnt, sind die Teilnehmer von Polizei umringt, Schützenpanzerwagen sind aufgefahren. Zwei große Polizeifahrzeuge versperren die Sicht zum Flughafen. Vereinbart war, dass ein ungehinderter Blick auf den Flughafen und damit die Sichtbarkeit der Demo für die landenden Staatsgäste gewährleistet sein muss. Die Anmelder der Kundgebung weisen auf Vereinbarungen hin und fordern den Abzug der Polizeifahrzeuge, die Forderungen bleiben bis zum Ende der Kundgebung erfolglos. Die Polizeifahrzeuge bleiben, wo sie sind. "Das ist ein krasses Beispiel für viele andere, in denen die Polizei ihre Zusagen bewusst und rechtswidrig gebrochen hat", erklärte der Rechtsanwalt der Anmelder.

In strömendem Regen halten die Demonstranten aus. Es gibt Reden und Kultur. Die Ankunft von George W. Bush ist für 18.55 Uhr angekündigt. Kurz vor 19.00 Uhr geht dann gar nichts mehr. Das Mobilfunknetz war praktisch abgeschaltet. Airforce One schwebte ein. Begrüßt von tausendfachen Pfiffen. Einmal mehr machen die Friedensaktivisten deutlich, "Not welcome Mr. President" Kurze Zeit später starten Hubschrauber, in einem davon sitzt Bush. Er ist auf dem Weg nach Heiligendamm. Die Kundgebung löst sich auf. Am nächsten Tag sollen die Antikriegsaktionen am Flughafen Rostock-Laage weitergehen.

Am Aktionstag gegen Krieg, Folter und Militarisierung nahmen mehr als 2000 Menschen teil, darunter viele junge Aktivisten. Organisiert wurden die Aktivitäten von einem breiten Bündnis, dem auch örtliche und regionale Initiativen angehören. Viele bekannte Friedensfreundinnen und Friedenfreunde waren nicht dabei. Insgesamt war die Frage von Krieg und Frieden während der G8-Proteste unterrepräsentiert. Das zeigte sich auch auf dem G8-Alternativgipfel, wo nur einige wenige der 120 Workshops Krieg und Frieden zum Inhalt hatten. Militarisierung der Politik im inneren und äußeren sind wesentlicher Bestandteil neoliberaler Politik, deshalb ist der Vorschlag von Walden Bello richtig, die Frage von Krieg und Frieden in die Demonstration und damit in die Bewegung zu tragen. Die nächste Gelegenheit dazu wäre bei uns das 2. Sozialforum in Deutschland im Oktober in Cottbus und der weltweite Aktionstag am 27. Januar 2008.
 

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Hannelore Tölke ist im Vorstand des Deutschen Friedensrat und u.a. für das Sekretaritat des Weltfriedensrats tätig.