Allianzen und Mesallianzen in Kongo/Zaire

von Hein Möllers
Krisen und Kriege
Krisen und Kriege

Im August 1998 brach im Osten des ehemaligen Zaire, das sich heute Demokratische Republik Kongo nennt, ein Aufstand gegen die Regierung von Laurent-Desiré Kabila aus, der bis heute anhält. Dieser Aufstand wurde von Anfang an von außen militärisch gestützt und gefördert: von den östlichen Nachbarn Uganda, Ruanda und wohl auch von Burundi. Kabila erhielt Rückendeckung und militärische Hilfe von drei Staaten der Entwicklungsgemeinschaft im Südlichen Afrika SADC, der die DR Kongo 1997 beigetreten war: von Angola, Namibia und Simbabwe. Weitere Unterstützung erhielt Kabila vom Sudan und vom Tschad, der auf finanzielle und politische Rückendeckung durch Libyen rechnen konnte.

Es hat seit Ausbruch der Kämpfe wiederholt Anläufe zu einem Waffenstillstand und Friedensverhandlungen gegeben. Zuletzt im Mai unterzeichneten unter libyscher Vermittlung Uganda und die Demokratische Republik Kongo einen Vertrag zur Beendigung des Krieges, dem sich letzten Meldungen nach auch Ruanda angeschlossen hat. Ob er tragfähig ist, steht offen; denn bei allen bisherigen Verhandlungen saßen die Aufständischen nicht mit am Tisch. Sie wollen keinen Vertrag anerkennen, bei dem sie nicht mitverhandelt haben.

Was sind die Motive der Akteure und Alliierten?
Die Regierung Kabila hatte im Mai 1997 als Militärchef und Führer der "Demokratischen Allianz zur Befreiung des Kongo" (AFDL) den Diktator Sese Seko Mobutu gestürzt und sich per Selbstproklamation zum neuen Staatschef ausgerufen. Unterstützung fand die AFDL damals von Uganda, Ruanda und Angola. Die Führung der ADFL und ihrer Armee war von Beratern dominiert, die politisch Uganda und Ruanda nahestanden. Als Kabila im Juni/Juli 1998 diese Kreise zurückzudrängen suchte und aus wichtigen Positionen vertrieb, gab er damit den Anlass für den Aufstand im Osten des Landes.
 

Die Aufständischen der neugebildeten "kongolesischen Bewegung für Demokratie" (RCD) nahmen ihre Entmachtung nicht hin und starteten mit direkter Unterstützung durch Uganda und Ruanda eine militärische Offensive gegen Kabila, die rasch weite Landesteile unter ihre Kontrolle brachte. Die Bewegung ist ein äußerst heterogenes Bündnis. In ihr haben sich Teile der Kräfte, die Kabila an die Macht gebracht haben, verbündet mit Oppositionellen aus der Mobutuzeit, die sich von Kabila enttäuscht sahen, und alten Mobutu-Anhängern. Die gemeinsame Plattform ist die Gegnerschaft zu Kabila. Wie brüchig diese Allianz ist, zeigt sich seit Jahresbeginn 1999, als die Spannungen zwischen den Fraktionen öffentlich ausgetragen wurden; Ende Mai wurde der RCD-Chef Wamba dia Wamba entmachtet und durch ein Triumvirat ersetzt; es zeichnet sich eine Spaltung in einen militärischen Teil ab, bei dem der zivile weiter an Bedeutung verlieren dürfte. Aber auch das militärische Kommando ist offensichtlich gespalten. Der Grund liegt in Spannungen zwischen den bisherigen Alliierten Uganda und Ruanda: Der Nordosten wird von Uganda, der Südosten von Ruanda gestützt.

Uganda hatte 1996/97 auf Kabila gesetzt. Die Regierung Museveni sah in ihm den starken Mann, der Ruhe und Sicherheit im Osten des Kongo durchsetzen und ugandischen Rebellen Rückzugs- und Auffangbasen entziehen würde. Diese Erwartungen erfüllte Kabila nicht. Als er begann, Uganda nahestehende Berater auszubooten, zerbrach die Koalition Museveni-Kabila. Uganda unterstützte die Aufständischen mit Truppen und Waffen. Ohne diese militärische Hilfe hätten die Aufständischen nicht so rasche Geländegewinne erzielen können. Jetzt haben Kabila und Museveni in Libyen einen Frieden vereinbart. Ugandische Truppen ziehen sich aus dem Kongo zurück; die Aufständischen werden jedoch offensichtlich weiter unterstützt.

Ruanda hatte wie Uganda zugunsten Kabilas gegen Mobutu Partei ergriffen und aus ähnlichen Gründen im Juni/Juli 1998 wieder aufgekündigt. Ruanda vor allem hat ein starkes Interesse daran, aufgrund des ungelösten "Tutsi-Problems" unmittelbar die Politik der DR Kongo, zumindest was die Grenzregion betrifft, mitzubestimmen. Ob Ruanda Ende Mai ebenfalls ein Abkommen nach dem Vorbild Ugandas abgeschlossen hat, lässt sich Anfang Juni noch nicht klar ausmachen; das einseitige Waffenstillstandsangebot Ruandas jedenfalls hat Kabila am 28. Mai zurückgewiesen.

Burundi spielt im Kongokonflikt eine undeutliche Rolle. Es bestehen Sympathien mit den Aufständischen, doch über eine aktive Mithilfe Burundis gibt es keine gesicherten Kenntnisse. Der Allianz von Aufständischen und Interventionsstaaten Uganda und Ruanda hätte Kabila wohl kaum standhalten können. Sie konnte nur gestoppt werden, weil Angola, Namibia und Simbabwe Kabila mit Truppen zu Hilfe kamen. Diese Länder begründeten ihre Intervention damit, dass die rechtmäßige Regierung von außen angegriffen worden sei und als Mitglied der Regionalgemeinschaft SADC verteidigt werden müsse. Ursprünglich verstanden Angola, Namibia und Simbabwe ihre Truppen als Teile einer gemeinsamen Streitmacht der SADC, bzw. der OPDS, ließen diese Bezeichnung aber bald stillschweigend fallen, nicht zuletzt deshalb, weil die rechtlichen Grundlagen umstritten und die SADC in dieser Frage gespalten war.
 

Angola hat unmittelbar eigene Interessen zu verteidigen. Mit der Kontrolle der gemeinsamen Grenze will die Regierung Dos Santos den Rebellen der UNITA Savimbis den Nachschub und das Hinterland abschneiden. Aus diesem Grunde hatte Angola bereits Kabila gegen Mobutu unterstützt, der seinerseits mit Savimbi liiert war.

Namibias Motive für eine Intervention zugunsten Kabilas sind am undeutlichsten. Strategische oder wirtschaftliche Gründe sind nicht erkennbar. Zwischen Sam Nujoma und Laurent Kabila besteht eine persönliche Freundschaft. Möglicherweise hat sich Nujoma durch eine erfolgreiche Intervention einen Prestigegewinn versprochen. Die einsame Entscheidung des Staatspräsidenten hat zu harscher Kritik in der namibischen Öffentlichkeit geführt.

Simbabwe hat die Initiative für eine Intervention zugunsten Kabilas ergriffen. Die Regierung Mugabe reklamiert als Begründung den Bündnisfall und als Vorsitz der OPDS Verantwortung und Federführung. Dahinter dürfte aber auch ein Bündel verschiedener Motive und Interessen stehen, die allerdings kontrovers diskutiert werden. Die persönlichen Animositäten und Rivalitäten zwischen Mugabe und Mandela dürften dabei nur vordergründig eine Rolle gespielt haben. Diese Spannungen haben ihr materielles Fundament vor allem in handelspolitischen Konflikten zwischen Südafrika und Simbabwe. Es mag auch eine Rolle spielen, dass man diesmal im Kongo nicht leer ausgehen und von Südafrika verdrängt werden möchte wie im Falle Mosambiks, dessen Regierung von Simbabwe nicht zuletzt gegen das Südafrika der Apartheid verteidigt wurde. Die Früchte jedoch fährt jetzt Südafrika ein. In diesem Zusammenhang dürfte auch das Motiv eine Rolle spielen, die Wirtschaftsinitiativen, die Simbabwe im Kongo seit der Machtübernahme Kabilas ergriffen hat, abzusichern und auszubauen.

Neben Angola, Namibia und Simbabwe haben sich zwei weitere Staaten auf die Seite Kabilas geschlagen: der Sudan und der Tschad. Beide haben keine unmittelbaren Interessen am Kongokonflikt.

Der Sudan trägt über den Kongo seinen Konflikt mit Uganda aus. Die ugandische Regierung unterstützt die Aufständischen im Südsudan, während die ugandische Rebellenarmee im Norden Hilfe von der Regierung in Khartum erhält.
 

Der Tschad wollte durch eine Stabilisierung der Regierung Kabila erreichen, dass die Auseinandersetzungen im Kongo nicht auf die zwischen beiden Ländern gelegene Zentralafrikanische Republik übergreift, was einen unmittelbaren Einfluss auf die eigene sicherheitspolitische Lage haben würde.

Drei weitere Staaten sind indirekt, aber nicht militärisch in den Kongokonflikt involviert: Südafrika, Tansania und Sambia. Südafrika stand auf Seiten Kabilas während dessen Kriegs gegen Mobutu, setzte sich aber für eine Verhandlungslösung ein. Das wurde von Kabila strikt abgelehnt. Südafrika wiederholte diesen Vorschlag nach Ausbruch der Aufstände gegen Kabila im August 1998. Die Regierung Mandelas vertrat dabei die Auffassung, der Konflikt sei in erster Linie interner Natur, wenn auch die Intervention ausländischer Kräfte nicht bestritten wurde. Mit dieser Position trat Südafrika in offenen Gegensatz zu Simbabwe. Auf dem Gipfel der Blockfreien in Durban im September 1998 versuchte Mandela der Kontroverse die Spitze zu nehmen, als er den Schritt Mugabes nachvollziehbar nannte und auf dem Hintergrund seiner Interpretation des Kongokonfliktes für gerechtfertigt bezeichnete. Im Gegenzug pflichtete Mugabe einen Monat später auf dem SADC-Gipfel in Mauritius Mandela bei, dass der Konflikt auch interne Gründe habe, was Kabila zur sofortigen Abreise nötigte. Mit dem Einmarsch südafrikanischer Truppen in Lesotho Ende September 1998 - vorgeblich auch im Namen der SADC - verspielte Südafrika seine Glaubwürdigkeit, auf Verhandlungslösungen zu setzen. Kompliziert wird die Rolle Südafrikas zusätzlich dadurch, dass von Südafrika aus beide Seiten mit Waffen beliefert werden.

Tansania hatte sich eine militärische Intervention der SADC zugunsten Kabilas eingesetzt, beteiligt sich aber nicht. Die Regierung fürchtet, bei direktem Engagement ihre Vermittlerrolle in Burundi nicht mehr spielen zu können. Über Tansania werden Waffen für beide Seiten angelandet.

Sambia hatte sich zunächst entschieden, Kabila Truppen zur Verfügung zu stellen. Die Regierung nahm davon Abstand, als der Generalstab vor einer Meuterei warnte, da die Truppen monatelang keinen Sold erhalten hatten. Das spielte Staatspräsident Chiluba die Möglichkeit zu, im Kongokonflikt zu vermitteln. Die Bemühungen brachten jedoch keine Ergebnisse. Seit den Spannungen mit Angola, das Chiluba vorwirft, die UNITA zu unterstützen, kommt Sambia als Mittler nicht mehr in Frage.

Anmerkung der Redaktion: Zur Zeit der Drucklegung haben in der sambischen Hauptstadt Lusaka Minister von sechs am Kongo-Krieg beteiligter Staaten zusammen mit Vertretern von Regierung und Rebellen der DR Kongo ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet. Ob es zu einem tatsächlichen Ende der Kämpfe kommen wird, hängt vom Verhalten der in großer Zahl im Kongo präsenten nichtstaatlichen Gruppen ab, die am Friedensabkommen nicht beteiligt sind, sondern dort lediglich als "negative Kräfte" genannt werden.

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Hein Möllers ist Redakteur der Zeitschrift "afrika süd"