MK14Angst- und Befreiungsgefühle bei der Kampagne BoA.

Angst- und Befreiungsgefühle bei der Kampagne BoA

von Helmut Ockel
  1. Die alten Sicherheitsstrukturen
    Die BoA Kampagne hat nur scheinbar umschriebene und gut sichtbare Zielsetzungen. Im Hintergrund geht es um schwerer fassbare und nur langfristig zu lösende Bereiche. 
  2. Im abendländischen Kulturkreis haben die Menschen zur Befriedigung ihrer natürlichen Sicherheits- und Schutzbedürfnisse hauptsächlich die Vorstellungen entwickelt, diese am besten durch Erlangen von überlegener Stärke - gestützt auf Waffengewalt -sicher stellen zu können. Diesen Gefühlen entsprachen frühe Erfahrungen in der Kindheit. In Konfliktsituationen, in denen 'Kampf' oder Ohnmachtsgefühle drohten, gab es eher Anleitung zum 'Wehr dich' 'schlag zurück' sei kein Schwächling, als Unterstützung für Konfliktlösungen mit beiderseitigen Veränderungen der Standpunkte. Schuldige wurden ausgemacht und danach Entscheidungen oder Strafen gefunden. Die gegenteiligen Werte und Erziehungsideale wie z.B. Anspruchslosigkeit und Nächstenliebe blieben eher unbezogen daneben stehen. 
    Parallel dazu dienten in Familie und Gesellschaft soziale Kontrolle durch Festlegung 'anerkannter' Werte und Normen, deren Befolgung nötigenfalls durch direkte oder strukturelle Gewalt zur Festigung der bestehenden Machtstrukturen erzwungen wurde. 'Gewalt' war also auch 'innen' nötig zur Aufrechterhaltung der 'Ordnung'. Letztere war in der Regel ein höherer Wert als z.B. das Vertrauen in eine verläßliche Beziehung. 
    Die Entwicklungen dieser oder ähnlicher Formen von 'Sicherheitsstrukturen' gingen nicht nur von den jeweils im Besitz der 'Gewaltmittel' befindlichen aus. Sie wurde ebenso unterstützt von den 'Ohnmächtigen', die sich abgeleitete Stärke- und Überlegenheitsgefühle, Orientierug für den eigenen Verhaltenskodex und Vermeidung  der Wahrnehmung von Ohnmachtsgefühlen davon versprachen. Diese 'Belohnungen' bekamen sie auch zeitweise , öfter wurden sie aber betrogen, materiell und psychisch ausgebeutet und im wörtlichen oder übertragenen Sinne auf dem 'Schlachtfeld' geopfert. 
    Später wurden evolutionär oder revolutionär Änderungen der Macht- und Gewaltverteilung gefordert, immer in der Hoffnung, das Ziel einer inneren und äusseren Sicherheit und des Schutzes durch eine veränderte aber weiterhin gewaltgestützte Überlegenheit, Stärke und Kontrolle im gesellschaftlich-politischen Bereich zu erhalten. Es ging immer schief, wir stehen gerade vor den Trümmern eines Versuches in den letzten 150 Jahren. 
  3. Wandel zu neuen Vorstellungen von Sicherheit
    Heute stellt sich das Erreichen von Sicherheit mit Androhung von Waffengewalt und Unterdrückung als Illusion dar. Hat diese Erkenntnis nur die noch nicht erreicht, die um die Pfründe ihrer Macht bangen und noch keine anderen Wege des Machterhaltes kennen? Spüren die im 'Besitz der Macht' befindlichen, daß die Abschaffung der Armeen auch die übrigen 'gewalttätigen' Gesellschaftsstrukturen in Frage stellen? 
    Oder sind auch die 'Ohnmächtigen' an der Verleugnung dieser neuen Realität beteiligt, weil sie - wie schon so oft erlebt - um ihren 'Anteil' an Sicherheitsgewährung fürchten? Oder spüren auch sie, dass die in Fragestellung der 'gewalttätigen' Gesellschaftsstrukturen z.B. den gegenwärtigen Wohlstand gefährden könnte, wenn die 'Politik' gegenüber der Natur, der 3. Welt und gegenüber den 'Asylanten' an 'Gewalttätigkeit' verlöre?
     
  4. Individuelle Beiträge zum 'Wandel'
    Was heisst 'spüren'?  Meist sind es das Wahrnehmen eines diffusen Unbehagens, seltener von Ängsten, die in Zusammenhang mit Gefühlen der Ohnmacht oder Wehrlosigkeit auftauchen. Diese werden oft sehr schnell mit planender Aktionsbereitschaft 'überwunden', so daß ein näheres Klären über die Herkunft des Unsicherheitsempfindens nicht zustande kommt. 
    Andere stellen sich den immer wieder auftretenden traumatisierenden Erfahrungen mit den gegenwärtigen Gewaltstrukturen, halten die Spannungen zwischen der Realität und dem gewaltfreien Ideal aus. Sie lassen diese Gefühle zu und nehmen sich Zeit, in langfristiger Arbeit Konzepte zu entwickeln, (noch) Andersdenkende zu überzeugen. 
    Dann haben sie die Chance, 'wieder mit einer lustvollen, spannenden Politik bekannt' zu werden, wie dies Andreas Gross aus der Schweiz als den 'größten Erfolg' der GSoA berichtete. Die vielfältigen kreativen Ansätze der Kampagne, die Motivation zum Engagement für das 'Ganze' und zur Selbstorganisation hatten offensichtlich einen befreienden Charakter. Sie fingen bei sich und in den kleinen Aktionsgruppen an, Gewaltfreiheit zu erfahren und einzuüben, indem sie vor allem die Vielfalt der Motive und der Wege zum gemeinsamen Ziel zuliessen. Sie hatten allerdings einen großen Vorteil gegenüber den deutschen Verhältnissen. Sie konnten auf den Volksentscheid hinarbeiten; diese Möglichkeit fehlt bei uns noch. 

 
 
 

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