Appell aus Decani gegen die NATO-Aggression gegen Jugoslawien

von Vater Sava
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Ich schreibe diesen Appell, während die NATO-Bomber und Cruise Missiles Tod und Zerstörung über mein Land bringen. Es ist meine moralische Pflicht, den offiziellen Verlautbarungen der NATO zu widersprechen, dass nur militärische Ziele in Jugoslawien angegriffen werden und dass die Behauptungen, die Luftangriffe seien eine humanitäre Aktion, dazu dienen, die friedliebenden Menschen im Westen zu betrügen.

Aus glaubhaften Quellen haben wir erfahren, dass dutzende ziviler Einrichtungen (Infrastruktur, Bildungseinrichtungen, Telekommunikation, Umwelt- und Verkehrseinrichtungen) durch die NATO-Luftwaffe angegriffen und zerstört wurden. Daneben auch Flüchtlinge aus Bosnien und Kroatien. Ihr Flüchtlingslager bei Kursumlija wurde getroffen, 10 Frauen und Kinder wurden getötet oder verwundet. Mehrere Schulen wurden zerstört, die Schulen mussten aufgrund der Gefährdung der Kinder geschlossen werden.

Die Gegenden mit wichtigen kulturellen und religiösen Denkmälern wurden ebenfalls ins Visier genommen. Vorgestern ereignete sich ein Angriff auf das Kloster Gracanica. Gott sei Dank wurde nur das Dach leicht beschädigt, andererseits brannten mehrere Wohnungen aus.

Letzte Nacht traf eine Cruise Missile die Altstadt von Djakovica, wo größtenteils Albaner wohnen, es entstand ein großes Feuer, das mehrere albanische Häuser zerstörte, Zivilisten wurden schwer verwundet.

Kurz gefasst, die NATO-Angriffe sind nichts als eine barbarische Aggression, die hauptsächlich unschuldige Zivilisten trifft, Serben und Albaner. Ihre Fortsetzung wird nicht nur den Willen der Menschen brechen, in Freiheit zu leben, sondern ihre Gewissheit stärken, sich einer Tomahawk-Demokratie zu widersetzen, die den,Frieden` mit Verbrechen gegen die Menschheit bringen will.
 

Solche Handlungen sind eine Schande für westliche Demokratien und die ganze Welt. Die Serbisch-Orthodoxe Kirche vertraut weiterhin dem Prinzip, dass das Gute nicht durch das Böse erreicht werden kann und dass die Kosovo-Krise mit friedlichen und diplomatischen Mitteln gelöst werden muss, damit allen hier lebenden Menschen ein Leben in Frieden und Freiheit garantiert werden kann. NATO-Angriffe machen alles nur schlimmer. Sie werden mit Sicherheit die Aussicht auf ein friedliches Zusammenleben zerstören und die Extremisten auf beiden Seiten radikalisieren. Letztlich werden unschuldige Zivilisten die Opfer dieser kriminellen Politik sein.

Wir haben das volle moralische Recht, gegen diese Verbrechen zu protestieren, denn unsere Kirche hat stets Gewalt gegen Zivilisten verurteilt, gleich von welcher Seite sie verübt wurde. Wir haben große Bemühungen um eine friedliche Lösung der Krise unternommen. In gleicher Weise verurteilen wir die NATO-Angriffe, die sich nicht im geringsten von dem unterscheiden, was wir bislang im Kosovo erlebt haben. Mehr noch besteht die Gefahr, dass das NATO-Bombardement eine gößere humanitäre Krise verursacht, als wir sie jetzt schon haben. Diese unklugen Operationen werden den Balkan destabilisieren und möglicherweise ein europäisches Vietnam schaffen, das die politischen und ökonomischen Prozesse in Europa auf Jahre hinaus beeinflussen wird. Unglücklicherweise leben im Westen immer noch viele in der Illusion, dass ihre machtvolle und präzise Luftwaffe gegen das jugoslawische Militär kämpft. Die Wahrheit ist, dass es mehr und mehr zivile Opfer und Zerstörung von ausdrücklich nicht-militärischen Einrichtungen gibt. Darum tragen die westlichen Regierungen große Verantwortung für diese kriminellen Handlungen vor Gott und der Geschichte.

Die ironischen Verlautbarungen, dass das Ziel dieser Operation die Verhinderung von Leid unter der Zivilbevölkerung sei, sind heuchlerisch und tragisch. Präsident Clinton spricht in schönen Worten zu den Serben, während seine Bomber gnadenlos Schulen und Kindergärten zerstören und Hass in die Herzen von Kindern pflanzen gegen jene Völker, von denen sie glaubten, sie seien ihre Freunde und unterstützten sie mit wahrem Frieden und Demokratie.

Es ist nicht wahr, dass unser Land gegen eine friedliche Lösung des Kosovo-Konfliktes sei. Das Papier, das von der jugoslawischen Delegation in Paris vorgelegt wurde, garantierte den Kosovo-Albanern und allen anderen Nationalitäten volle Autonomie. Die Delegation akzeptierte auch eine gewisse internationale Überwachung. Was sie nicht akzeptieren kann und was keiner in diesem Land akzeptieren kann, ist die Abspaltung des Kosovo von Serbien und Jugoslawien und die Besetzung durch NATO-Truppen. Es gibt kein Land auf der Welt, das diese Bedingungen akzeptieren würde. Deshalb sind die Behauptungen von Mr. Clinton und anderen, dass unser Land gegen Verhandlungen und Frieden sei, nicht wahr. Die Wahrheit ist, dass wir keine Zerstückelung unseres Landes akzeptieren können, auch nicht unter der Bedrohung von NATO-Raketen und Bombern. Ich bin jederzeit bereit für meine albanischen Mitbürger die gleichen Rechte zu fordern, wie sie Serben und alle anderen in diesem Land genießen. Aber weder ich noch unsere Kirche kann akzeptieren, dass der Kosovo in die Hände von albanischen Extremisten gegeben wird, die bereits 50% des Kosovo ethnisch gesäubert haben von Serben und anderen nichtalbanischen Bevölkerungsteilen, die unsere Kinder in Cafes und unsere Bauern auf den Feldern umbringen. Unglücklicherweise hilft die offene Unterstützung der Seperatisten durch die NATO nicht den leidenden Zivilisten auf allen Seiten, sondern fördert ausschließlich jene albanischen und serbischen Kräfte, die nach mehr Blut verlangen.
 

Es stimmt, dass es im Kosovo viele Vertriebene gibt, und wir haben die Verantwortlichen beider Seiten wiederholt aufgefordert, Gewalt zu unterlassen und die Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren zu lassen. Aber der Westen vergisst, dass es in Serbien 600.000 Flüchflinge gibt, die jetzt direkt von den Bomben bedroht werden. In Gottes Namen und im Namen meiner albanischen und serbischen Nachbarn appelliere ich an alle Menschen guten Willens, diese barbarischen Angriffe umgehend einzustellen. Der Frieden wird nicht auf dem Tod unschuldiger Kinder und dem Stolz der Mächtigen erbaut.

Kloster Decani, 26.3.1999

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