Archiv Aktiv

von Wolfgang Hertle
Initiativen
Initiativen

Gewaltfreie Aktion, Ziviler Ungehorsam, ... das sind Begriffe, die in der deutschen Öffentlichkeit immer noch mehr mit Mahatma Gandhi oder Martin Luther King in Verbindung gebracht werden, als mit relevanten politischen Bewegungen im eigenen Land.

Blockaden oder Platzbesetzungen wer­den zwar wahrgenommen, aber wie sol­che Aktionen zustandekommen, wer die Akteure sind, welches Selbstverständnis diese haben und auf welchen Traditio­nen sie aufbauen..., all das bleibt ausge­klammert. Das hat viel mit den Medien­gewohnheiten zu tun. Aber kaum ver­ständlich ist, daß auch die gewaltfreie Bewegung in der BRD selbst von ihrer Geschichte wenig weiß.

Dabei nahmen die Anhänger der gewalt­freien direkten Aktion in den letzten 25 Jahren spürbar Einfluss auf die Kampag­nenplanung und Aktionsformen der Ökologie- und Friedensbewegung.

Zu selten wird innerhalb der Bewegung auch über deren strukturelle Schwächen nachgedacht. So manches könnte aus früheren Erfahrungen und im Vergleich mit anderen Ländern gelernt werden.

Den Defiziten in der Verarbeitung der Erfahrungen will das Hamburger  "ARCHIV AKTIV - Auswertungen und Anregungen - für gewaltfreie Bewegun­gen" auf verschiedene Weise begegnen:

Im Archiv Aktiv werden Materialien aus gewaltfrei orientierten Neuen Sozialen Bewegungen gesammelt, aufbereitet und zur Nutzung für Aktive aus der ge­waltfreien Bewegung sowie für Studen­tInnen, JournalistInnen usw. bereitge­halten.

Aktiv soll das Material in Zusammenar­beit mit den NutzerInnen ausgewertet und zu einem "aktiven Gedächtnis der Bewegung" zugunsten von notwendi­gem gewaltfreiem Handeln gemacht werden.

Dies geschieht u.a. in der Organisation von Begegnungen zwischen ehemaligen Aktiven sowie zwischen früher Aktiven und heutigen AktivistInnen, um gemein­sam Erfahrungen aufzuarbeiten und weiterzugeben. Die im Archiv lagernden Dokumente dienen als Basismaterial zur Vorbereitung und Ergänzung der Be­gegnungs- und Bildungsarbeit.

Schwerpunktmäßig wird derzeit das Thema "Entwicklung der gewaltfreien Bewegung zwischen 1945 und 1968" aufgearbeitet. Weitere zeitgeschichtliche Projekte warten darauf, daß sich aktive Interessenten zusammenfinden.

Eine andere Form, Erfahrungen zu ver­mitteln, sind Seminarreisen z.B. nach Gorleben oder auf den südfranzösischen Larzac (Beispiel der erfolgreichen Ver­hinderung eines Truppenübungsplatzes), wo vor Ort Gespräche mit Menschen geführt werden, die intensiv gewalt­freien Widerstand geleistet haben.

Das Archiv Aktiv sucht freie Mitarbeite­rInnen, um noch wirksamer der gewalt­freien Bewegung nützen zu können.

Was sammelt das ARCHIV AKTIV ?

Zeitschriften, Broschüren, interne Rundbriefe, Flugblätter und Unterlagen zu Kampagnen und Aktionen gewalt­freier Gruppierungen der Ökologie- und Friedensbewegung in (West)- Deutsch­land nach 1945, aber auch im Ausland (insbesondere  War Resisters Internatio­nal und Internationaler Versöhnungs­bund).

Die Materialien stammen u.a. aus dem Nachlass von Trude Westhoff, und do­kumentieren ein breites Spektrum der Friedens- und Umweltbewegung in den 50er und 60er Jahren. Die Entwicklung gewaltfreier Theorie und Praxis im Zeit­raum 1945-68 wird durch Zeitzeugen­interviews und Recherchen ergänzt.

Ein weiterer Teil des Bestandes stammt aus der Begleitung gewaltfreier Initiati­ven seit 1965 durch Wolfgang Hertle. Dazu gehören u.a. Unterlagen aus den Jahren vor und nach Gründung der Zeit­schrift "graswurzelrevolution" (1972 in Augsburg), den Kampagnen der ersten Jahre im Umfeld der GWR (z.B. für die spanischen Kriegsdienstverweigerer, gegen die französischen Atomtests im Pazifik, zugunsten der kalifornischen Farmarbeiter, Stromzahlungsboykott) und der Beteiligung gewaltfreier Grup­pen an der Anti-AKW-Bewegung von Wyhl über Brokdorf bis Gorleben.

Die Entwicklung der Infrastruktur der gewaltfreien Aktionsgruppen seit 1969 wird weiter ergänzt durch Unterlagen der "Graswurzelwerkstatt" (ab 1974) und der Föderation Gewaltfreier Akti­onsgruppen (ab 1980).

Der Beitrag gewaltfreier Gruppen zur Friedensbewegung der 80er Jahre wird deutlich in den Materialien der "Koordinationstelle Ziviler Ungehor­sam", die Dieter Schöffmann einbrachte. Daneben gibt es zahlreiche weitere Dos­siers zu Kampagnen und standortbezo­genem Widerstand, z.B. Hunsrück, Mutlangen, internationale gewaltfreie Märsche, Steuerverweigerung, Total­verweigerung usw.. Zu erwähnen ist auch das Material aus der Arbeit von Trainingskollektiven und Bildungsein­richtungen der gewaltfreien Bewegung.

Die Sammlung konzentriert sich auf ei­genständige gewaltfreie Aktionsgruppen bzw. auf Strömungen innerhalb größerer pazifistischer bzw. Umweltschutzver­bände (wie DFG-VK, Versöhnungs­bund, Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) usw. in ihren Be­mühungen, Theorie und Methoden des gewaltfreien Widerstandes zu vermitteln und die Praxis direkter gewaltfreier Ak­tion sowie den Zivilen Ungehorsam zu fördern.

Ausgabe

Rubrik

Initiativen