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Rüstungshaushalt 1997:
Atempause vor den großen Beschaffungsrunden
vonAuch Verteidigungsminister Rühe muß sparen. Der Einzelplan 14 wird um mehr als 600 Mio. DM gegenüber dem Jahre 1996 gekürzt. 46,5 Mrd. DM hat Rühe zur Verfügung. 100 Mio. DM dürfen zusätzlich aus dem Verkauf ausgesonderten Bundeswehr-Materials erwirtschaftet werden. Was soll da an wen verkauft werden? Gemessen an der mittelfristigen Finanzplanung sind die Abstriche noch erheblicher: 1,8 Mrd. stehen dem BMVg weniger zur Verfügung. Beeinträchtigungen des laufenden Bundeswehrbetriebes entstehen durch die Einsparungen, wie die Bundesregierung gerade auf Anfrage bestätigt hat, nicht.
Bei dem heftigen Gezerre über den Verteidigungshaushalt vor der Sommerpause ging es nicht primär darum, daß die Bundeswehr im Haushalt 1997 möglichst ungerupft bleibt. Der geplante Aufwärtstrend bei den Militärausgaben sollte festgeschrieben werden - wenn auch mit zeitlicher Verzögerung. Kanzler Kohl hat erklärt, daß der Bundeswehr nicht "noch mehr weggenommen werden kann, wenn sie ihre Funktion erhalten will". Rühe hat des Kanzlers Versprechen, daß der Etat 1998 wieder auf 47 Mrd. DM, 1999 auf 47,7 und im Jahre 2000 auf 48,5 Mrd. DM steigen soll. Damit kann die Bundeswehr gut leben, auch wenn ihr damit insgesamt immerhin etwa 7 Mrd. DM weniger als ursprünglich geplant, zukommen. Und sie kann damit nicht nur ihre Funktion "erhalten". Der Um- und Aufrüstungsprozess für ihre neue Funktion als Interventionsarmee kann weitergehen.
Inzwischen müssen erhebliche Mittel für die militärischen Auslandseinsätze der Bundes-wehr aufgebracht werden. Während der Einsatz im ehemaligen Jugoslawien 1995 noch 256 Mio. DM ausmachte, belief sich die Summe 1996 bereits auf ca. 760 Mio. Der Haushaltsentwurf `97 sieht zwar wieder nur 50 Mio. DM (durch Kostenerstattungen auf 70 Mio. aufgestockt) vor, die durch Einsparungen im Einzelplan 14 überschritten werden dürfen. Schon jetzt ist klar, daß die Ambitionen Rühes, bei IFOR II in Bosnien "als normale Macht" dabei zu sein, mit erheblichen Mehrbelastungen zu Buche schlagen werden. Aber die bisherigen Erfahrungen zeigen, daß die für Militäreinsätze benötigten Summen auch zusammengebracht werden.
Rüstungsausgaben
1991 1992 1993 1994 1995 1996
EP 14 53,6 52,1 49,8 48,6 47,5 48,4
NATO-
Kriterien 68,3 68,8 65,7 62,3 59,23 60,79
***
1997 1998 1999 2000
29. Finanzplan 48,4 48,9 48,9 49,7
jetzige Planung 46,5 47 47,7 48,5
Um die nötige Wehrbereitschaft zu erzeugen, sieht der Haushalt 1997 bei einigen Posten Kostensteigerungen vor. So bei der Nachwuchswerbung, die der Hardthöhe 5 Millionen mehr wert ist (gesamt 23 Mio.), und bei der Öffentlichkeitsarbeit, die jetzt bei 6, 3 Mio. gegenüber 5,1 Mio. im Jahre 1995 liegt. Auch in kleiner Münze fallen Ausgaben für die Militarisierung der Außenpolitik an: Für Ehrenzeichen der Bundeswehr werden immerhin 1997 200 000 DM veranschlagt. Dies ist gegenüber 1996 fast eine Verdreifachung. Tapferkeit lohnt sich wieder. Und dafür, daß unsere Helden keinen unwürdigen Beschimpfungen ausgesetzt sind, sorgt das geplante Gesetz zum Ehrenschutz der Soldaten.
Auch bei den größeren Batzen wird nicht überall der Rotstift angesetzt. Bei den militärischen Beschaffungen in den Kernbereichen Feldzeugmaterial, Flugzeuge und Schiffe gibt es sogar moderate Steigerungen. Lediglich bei den Kampffahrzeugen, den Fahrzeugen, beim Fern-meldematerial und bei der Munition erfolgen nennenswerte Reduzierungen, die aber überwiegend durch beendete oder auslaufende Verträge begründet sind.
Unter dem Strich ergibt das immerhin rund 660 Mio. DM weniger als 1996.
Federn lassen muß der Bereich Forschung, Entwicklung & Erprobung. Knapp 2,8 Mrd. DM sollen 1997 in die Rüstungsforschung fließen. Das ist ein Minus von ca. 300 Mio. DM gegenüber 1996; fast 500 Mio. DM weniger als im 29. Finanzplan vorgesehen. Im Jahre 2000 will man - laut Finanzplan und Bundeswehrplan `97 - wieder auf 3,5 Mrd. DM kommen. Die Spitzenwerte der Kalte-Kriegszeiten würden wieder erreicht. Aber auch der reduzierte Etat-ansatz zeugt davon, welche Prioritäten diese Bundesregierung in der FE-Politik setzt: Die veranschlagten 2,8 Mrd. DM für wehrtechnische Forschung & Entwicklung entsprechen exakt dem Betrag, den der Bund 1997 für die allgemeine Forschungsförderung aufbringen will!
Während die Weltraumforschung noch mit gut 1,5 Mrd. DM dotiert ist, folgen alle anderen Bereiche, wie Gesundheit, Umwelt, Energie, laut Bundesforschungsbericht 1996 mit deutlichem Abstand dahinter. Insgesamt gilt: Weiterhin fließt fast jede fünfte Mark der Forschungsförderung des Bundes in die militärische FE! Gibt es nicht viel Wichtigeres, als neue Zerstörungsinstrumente zu konstruieren?
Klappern gehört zum Handwerk. Das Lamento der Rüstungsindustriellen ist groß. Mit den Kürzungen am EP 14 werde die Konkurrenz- und Kooperationsfähigkeit des Industriezweigs aufs Spiel gesetzt; der ganze Hochtechnologiesektor sei bedroht. Kassandrarufe dieser Art lassen sich nur aus der Maßlosigkeit des Rüstungskomplexes erklären. Nach einer kurzen Durststrecke können die Herren wieder mit Großaufträgen rechnen: Besonderen Aufwuchs sollen im Rahmen des steigenden Gesamtetats die investiven Ausgaben erfahren. Die Bundes-regierung hält daran fest, im nächsten Jahrzehnt 30 % des Wehretats für Investitionen (Militärische Anlagen, Infrastruktur, Forschung & Entwicklung und v.a. Beschaffungen) aufzubringen, um die geplante Runderneuerung des Großgeräts der Bundeswehr zu finanzieren. Noch ist man guten Mutes: "Die vordringlichen Vorhaben des Ressortkonzepts zur Materialplanung bleiben damit - wenn auch mit zum Teil erheblicher Verzögerung - finanzierbar." (Erläuterungen und Vergleiche zum Regierungsentwurf des Verteidigungshaushalts 1997, S. 2)
Die Steigerung der Investitionen soll auch durch Rationalisierungsmaßnahmen bei den Betriebsausgaben erreicht werden. Diese Ausgaben, die 1994 noch bei über 38 Mrd. DM lagen, sind inzwischen (durch Personalabbau und betriebliche Rationalisierungen) auf 36 Mrd. DM gebracht worden. Im Jahre 2000 sollen sie bei 34,8 Mrd. liegen.
Vor dem Hintergrund der Sparzwänge in Deutschland und Frankreich werden gegenwärtig ca. hundert gemeinsame Rüstungsprojekte auf den Prüfstand gestellt. Wie man hört, wird es in der Regel darum gehen, einzelne Vorhaben zu strecken, aufzuschieben und etwas abzuspecken. Angeblich sollen besonders drei Großprojekte "zurückgestellt" werden: Die Drohne Taifun, ein neues Langstreckentransportflugzeug (Future Transport Aircraft) und die deutsche Beteiligung an den Spionagesatelliten Helios 2 und HORUS. Doch gerade der neue Auf-trag der Bundeswehr zur "Krisenreaktion" verlangt die erhöhte, weitreichende Mobilität von Streitkräften. Auch der Satellitenaufklärung wird im Rahmen moderner Kriegsführung eine überragende Bedeutung beigemessen. So ist kaum vorstellbar, daß man auf diese Vorhaben gänzlich verzichtet.
Insgesamt addieren sich die Ausgaben für militärische Beschaffungen im Zeitraum 1997 bis 2001 laut Bundeswehrplan auf ca. 40 Mrd. DM. Diese Zahl dürfte nach gegenwärtigem Stand kaum erreicht werden. Aber auch 36 oder 37 Mrd. DM sind nun mal - gerade in Zeiten "öffentlicher Armut" - kein Pappenstiel.
Allein der Eurofighter, für den jetzt bereits weit über 6 Mrd. DM ausgegeben worden sind, wird einen gehörigen Batzen Geldes verschlingen. Ob die Beschaffungskosten letztlich 27 oder 35 Milliarden DM belaufen werden, weiß kein Mensch.
Für den Aufbau eines Raketenabwehrsystems, das gegen eher fiktive Bedrohungen aus dem Süden aufgebaut werden soll und dessen praktischer Nutzen mehr als zweifelhaft ist, sind Kosten von 7 Mrd. DM innerhalb der nächsten zehn Jahre vorgesehen. Wer die Verlässlichkeit solcher Kostenschätzungen im militärischen Bereich kennt, weiß, daß die wirkliche Summe erheblich darüber liegen wird.
Es bleibt das Resümee:
- Der Rüstungshaushalt ist der veränderten sicherheitspolitischen Lage der Bundes-republik in keiner Weise angepaßt. Wenn richtig ist, daß die Bundesrepublik Deutsch-land nur noch von Freunden und Partnern umgeben ist und in absehbarer Zeit nicht bedroht ist, ist die Höhe der gegenwärtigen und der geplanten Militärausgaben unverhältnismäßig, ja aberwitzig.
- Die Bundesregierung ist an weiterer Abrüstung nicht interessiert. "Nachdem Deutschland seine Abrüstungsverpflichtungen erfüllt hat, kann das Kapitel 1409 (Rüstungs-kontrolle und Abrüstung) entfallen", heißt es lapidar in den Erläuterungen des Einzelplans.
- Während der Sozialstaat in die Krise geraten ist (bzw. gebracht wurde), behauptet sich der Rüstungsstaat nahezu unangefochten. Während ständig über neue Sparmaß-nahmen im Sozial- Gesundheits- und Sozialbereich geredet wird, planen die Militärs satte Steigerungen und neue Megaprojekte.
- Die Militarisierung der Außenpolitik ist eine äußerst kostspielige Angelegenheit. Aufbau von Krisenreaktionskräften, umfassende Rüstungsmodernisierung, die Kosten für die Militärinterventionen - all dies hat seinen Preis.
Alternativen:
Allein durch die Abschaffung der Wehrpflicht könnten erhebliche Mittel gespart werden. Nach einer neuen Modellstudie könnten mit einer 200.000 Berufs- und Zeitsoldaten um-fassenden Armee die Kosten um rund 10 Mrd. DM pro Jahr gesenkt werden.
Durch den Verzicht auf die Aufstellung von Krisenreaktionskräften (Umfang: 54.000 Sol-daten), denen auch der Löwenanteil der Modernisierungsmaßnahmen des BMVg zufließt, könnten weitere Mittel z.B. für die zivile Konfliktvorbeugung freigemacht werden.
Durch einen Stopp bei den militärischen Großprojekten - die Bundesrepublik braucht keine neuen Kampfflugzeuge, Jagdbomber, Kampfunterstützungshubschrauber, Einsatzgruppenver-sorger, Modulare Abstandswaffen oder Raketenabwehrsysteme - könnten die Ausgaben jährlich um weitere fünf Milliarden gesenkt werden.
Eine Umstrukturierung der Bundeswehr (damit auch Abschaffung des Zivildienstes) und die Senkung des Personalbestandes (Abfindungen, Pensionen) sind natürlich kurzfristig nicht zum Nulltarif zu haben. Auch der Ausstieg aus den großen Beschaffungsprogrammen kostet viel Geld (Konventionalstrafen bei Vertragsverletzungen, Mittel zur Förderung der Konversion etc.) Wie wir heute wissen, hat auch die Abrüstung ihren Preis. Gerade deshalb sollte unverzüglich mit weiteren drastischen Schritten der Rüstungsminderung begonnen werden - damit wenigstens mittelfristig erhebliche Summen für gesellschaftlich nützliche Zwecke frei werden. Die Größenordnung (s.o.) ist erheblich: Ein Verteidigungsetat, der um die 30 Mrd. DM liegen würde, wäre mehr als genug.
Fatal wäre es dagegen, wenn sich die Bundesregierung mit ihrer Um- und Aufrüstungsplanung durchsetzen würde. Auf lange Sicht (Verpflichtungsermächtigungen für die Beschaffungen, so-dann laufende Betriebskosten, insgesamt ein Rüstungszyklus, der fast zwanzig Jahre umfassen würde) wären die Weichen gestellt, um die Rüstungsausgaben langfristig auf dem 60 Mrd. DM-Level zu halten. Der Spielraum für parlamentarisch-demokratische Gestaltung wäre erheblich eingegrenzt. Die Friedensbewegung muß sich wieder diesen "harten Rüstungsfragen" zuwenden. Widerstand gegen den Eurofighter jetzt!