Büchel

Atomwaffenstandort musikalisch blockiert

von Angelika Wilmen

Büchel, der entlegene kleine Ort in der Eifel in malerischer Umgebung, war erneut Kulisse einer kreativen, bunten und lautstarken Protestaktion der Friedensbewegung. Unter dem Motto „Abrüstungsinstrumente – Rhythm beats Bombs“ spielten und sangen zahlreiche Musikgruppen, darunter Klaus der Geiger, Guaia Guaia, Wareika und Rob Longstaff am einzigen deutschen Atomwaffenstandort – dem Fliegerhorst Büchel. Bis zu 750 Friedensaktivistinnen und –aktivisten aus der ganzen Bundesrepublik, den Niederlanden, Belgien und Gästen aus den USA blockierten erstmalig 24 Stunden lang alle Zufahrten zu dem Gelände. Etwa 200 Blockierende verbrachten die Nacht vor den Toren des Fliegerhorstes mit Schlafsäcken und auf Strohballen. Dabei lagen Jugendliche neben RentnerInnen; Biker und UmweltaktivistInnen beteiligten sich ebenso an der Aktion wie kirchlich Engagierte oder Ärztinnen und Ärzte der IPPNW.

In Büchel lagern ca. 20 Atombomben mit einer Sprengkraft von 600 Hiroshima-Bomben. Die Bundeswehr übt den Abwurf der Waffen im Rahmen der nuklearen Teilhabe der NATO. Bereits im Koalitionsvertrag hatte die Bundesregierung 2009 den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland vereinbart. Und am 26. März 2010 forderte der Bundestag die Bundesregierung fraktionsübergreifend auf, sich für den Abzug dieser Relikte des Kalten Krieges einzusetzen. Passiert ist allerdings nichts. Im Gegenteil: Die Atomwaffen sollen modernisiert werden. „Nachdem die Bundesregierung dem politischen Willen des Bundestags nicht umgesetzt hat, haben wir mit unserer Blockade das Mittel des zivilen Ungehorsams gewählt“, erklärte Xanthe Hall für die Kampagne „atomwaffenfrei.jetzt“.

Zu Beginn der Protestaktionen in Büchel spielte die Musik- und Aktionsgruppe Lebenslaute, die klassische Musik mit politischem Protest verbindet. Anschließend rief die Schauspielerin Barbara Rütting in Anspielung an die Proteste in Mutlangen in den 80er Jahren dem Publikum unter lautem Jubel zu: „Unser Mut wird langen, nicht nur in Mutlangen, sondern auch in Büchel“. Anschließend machten sich die FriedensaktivistInnen in einem großen Zug entlang des Militärzauns auf den Weg zu den anderen Zufahrtstoren, wo sie sich für die Blockade aufteilten. Bereits am Vortag hatten sie im Friedenscamp ein Training in gewaltfreier Aktion absolviert.

An Tor 1, dem Frauentor, blockierten bis zu 40 Frauen und sangen Lieder. Zeitzeuginnen aus dem Hunsrück, aus Greenham Common und Mutlangen erzählten von damals. Prominenter Gast war die Bundesvorsitzende von den Grünen Claudia Roth, die hier im Rahmen ihrer Wahlkampftour Station machte. Am Interreligiösen Tor (Tor 2) hielten rund 35 Quäker, katholische, evangelische und buddhistische FriedensaktivistInnen unter einem Baldachin Andachten. „Bombenrisiko Atomkraft“ war das Motto von Tor 3, an dem etwa 50 AktivistInnen und ÄrztInnen der IPPNW bei Musik und bester Stimmung ausharrten. Die Ärzteorganisation zeigte zudem die Ausstellung Hibakusha Worldwide über die weltweiten Opfer der Nuklearindustrie.

Am Tor 4 wurden Zitate und Texte gegen Rüstung, gegen Militär und für gewaltfreien Widerstand verlesen. Und am sogenannten Lutzerather Tor spielte und sang die Musikgruppe Lebenslaute, die mit etwa 80 MusikerInnen und UnterstützerInnen die stärkste Gruppe stellte. Hier wurden zwei Militärfahrzeuge an der Einfahrt zum Atomwaffenstützpunkt gehindert und mussten umdrehen. An den nächsten, dicht nebeneinander liegenden Toren, 5 und 6 unter dem Motto „Bikes beat Bombs“ versammelte sich eine kleine Gruppe der „Motorradfahrer/innen ohne Grenzen“. Es gab Musik und es wurde gegrillt.

Die Nacht verlief überall ruhig, bis sich plötzlich am Fußgängertor 6 auffallend viel Polizisten versammelten. Um 6:30 Uhr sperrte die Polizei die Durchgangsstraße zum Tor ab, umstellte die Blockierenden, und geleitete die mit vier Reisebussen angereisten etwa 200 Soldaten durch den schmalen Fußgängerdurchgang auf das Gelände. „Das ging schneller, als wir realisieren konnten, was da passiert“, berichtete eine Motorradfahrerin auf der Abschlussveranstaltung. Aus Solidarität mit den überrumpelten Bikern machte sich eine Gruppe vom Tor der Lebenslaute auf, um sie während der restlichen Blockadestunden zu unterstützen. Trotz dieses Vorfalls zogen die VeranstalterInnen ein positives Resümee. „Wir haben die Bundeswehrsoldaten gewaltfrei gezwungen, ihren Einsatzort durch die Hintertür zu betreten“, betonte Roland Blach, Koordinator der Kampagne „atomwaffenfrei.jetzt“.

Um sechs Minuten vor Zwölf am 12. August 2013 endete diese größte Blockade gegen Atomwaffen in Deutschland seit den 1980ern. Bei der bewegenden Abschlussveranstaltung berichteten die AktivistInnen von den einzelnen Toren und sangen gemeinsam. Mit der gewaltfreien Aktion hat die Friedensbewegung vor der Bundestagswahl den Druck auf die PolitikerInnen verstärkt, die letzten Atombomben aus Deutschland endlich abzuziehen. Nachdem die Atomwaffen bereits 2005 aus Ramstein abgezogen wurden, ist Büchel der einzige noch verbliebene Standort, der einer atomwaffenfreien Bundesrepublik im Wege steht. „Wir werden unseren gewaltfreien Protest fortsetzen, bis die letzten Atomwaffen aus Büchel abgezogen sind“, kündigte Xanthe Hall, IPPNW-Abrüstungsexpertin und Sprecherin der Kampagne „atomwaffenfrei.jetzt“, an.

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