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Auf die nächsten zwei Verhandlungsrunden wird es ankommen
vonDie am 9. März in Wien aufgenommenen Verhandlungen über die Beschränkung der konventionellen Streitkräfte und Rüstungen in Europa zwischen NATO und WVO stehen unter einem guten Stern. In sehr kurzer Zeit haben sich beide Seiten schon so weit aneinander angenähert, daß die groben Umrisse eines Abkommens sichtbar werden. Sollte es in den nächsten zwei Verhandlungsrunden gelingen, die noch bestehenden konzeptionellen Differenzen zu überwinden, so steht dem Abschluß eines ersten Abkommens Ende 1990 kaum noch etwas im Wege.
Die Bush-Initiative vom 29.5. d. J. hat erheblich zur Beschleunigung der konventionellen Rüstungskontrollverhandlungen beigetragen. US-Präsident Bush hatte in einer Vier-Punkte-Erklärung vorgeschlagen, die landgestützten Kampfflugzeuge sowie Kampf- und Kampftruppentransporthubschrauber um 15% zu reduzieren. Außerdem soll das Stationierungspersonal (Land- und Luftstreitkräfte) der beiden Supermächte in Europa nicht mehr als 275.000 Mann betragen. Schließlich möchte Bush ein erstes Abkommen in sechs bis zwölf Monaten erreichen und die Umsetzung bis 1992/93 realisieren.
Sowohl die Beschleunigung der Verhandlungen als auch die Einbeziehung dieser drei Kategorien - die seit Verhandlungsbeginn von der östlichen Seite gefordert wurde - sind bei der WVO auf ein positives Echo gestoßen. In der Erklärung des WVO-Gipfels vom 8.7. wird betont, daß "bereits 1990 erste Übereinkünfte zu erreichen" seien und Experten beauftragt wurden, "operativ die entsprechenden Vorschläge zu ergänzen". Offensichtlich will man ähnlich wie die NATO einen vollständigen Verhandlungsentwurf für die kommende Verhandlungsrunde, die am 7.9. beginnt, vorlegen.
Definition und Zählkriterien
Am 6.6. haben beide Seiten Arbeitspapiere über die Definitionen der Waffenkategorien und Zählkriterien in Wien präsentiert. Bei den Waffenkategorien der Landstreitkräfte gibt es sogar schon Übereinstimmungen in den Definitionen und Zählkriterien. Etwas anders sieht es bei den Flugzeugen und Kampfhubschraubern aus. Die WVO möchte nur taktische Angriffsflugzeuge beschränken und die Mittelstreckenbomber der strategischen Luftarmeen sowie die Jagdflugzeuge der Luftverteidigung ausklammern. Dagegen möchte die NATO alle landgestützten Kampfflugzeuge einschließlich der permanent an Land stationierten Kampfflugzeuge der Seestreitkräfte sowie Schulflugzeuge beschränken. Dies erklärt auch die unterschiedlichen Höchststärken (NATO: 5.700; WVO: 1.500 Kampfflugzeuge). Die westliche Seite könnte nun der WVO bei der Ausklammerung eines Teils der Jagdflugzeuge entgegenkommen. Dafür müßte allerdings das östliche Bündnis einen Großteil der Jagdflugzeuge und vor allen Dingen alle Mittelstreckenbomber in die Verhandlungen einbringen. Da bei den landgestützten Marine-Kampfflugzeugen die Bestände von NATO und WVO nicht stark differieren, könnte die NATO die vorläufige Ausklammerung dieses Potentials akzeptieren, zumal aufgrund des Mandats die größeren auf See stationierten Potentiale der NATO ausgeschlossen sind.
Vorschläge der WVO
Am 29. 6. hat das östliche Bündnis einen ergänzenden Regionalisierungsvorschlag in Wien vorgelegt, der den Vorstellungen der NATO in mehreren Punkten entgegenkommt. Einmal wird die Zentralregion um die Einbeziehung von vier sowjetischen Militärbezirken erweitert, zum zweiten liegen die Höchstgrenzen für Panzer und Infanteriekampffahrzeuge in der Rückwärtigen Zone schon sehr nahe bei den westlichen Vorstellungen. Die östliche Seite möchte stärkere Reduzierungen bei den US-Streitkräften und/oder der Bundeswehr in der Zentralregion, während die NATO größere Reduzierungen bei der 2. Strategischen Staffel in der Sowjetunion anstrebt. Ein Kompromiß könnte sein, daß die NATO in Zentraleuropa statt 5%ige 10-15%ige Waffenreduzierungen vorschlägt und dafür die WVO die Ausrüstung der 2. Strategischen Staffel stärker abbaut.
Vorschläge der NATO
Am 13.7. schließlich hat die NATO auf den Druck der Bundesregierung und der amerikanischen Administration hin einen vorläufigen Vorschlag zur Beschränkung der Kampfflugzeuge und Kampfhubschrauber präsentiert. Die schnelle Einigung ermöglicht es der WVO, bis zur dritten Verhandlungsrunde einen Gegenvorschlag zu formulieren. Außerdem ist die NATO durch die Ausklammerung der Kampftruppentransporthubschrauber der WVO einen weiteren Schritt entgegengekommen. Die Höchststärken zur Beschränkung der Kampffhubschrauber (NATO: 1.900; WVO: 1.700) liegen ebenfalls nahe beieinander.
Die in nächster Zeit wesentlichste Frage dürfte sein, welche Kampfflugzeugkategorien beschränkt werden sollen und welche Beschränkung der Landstreitkräfte die NATO in Zentraleuropa der WVO anbieten muß, um von der östlichen Seite adäquate Zugeständnisse für die 2. Strategische Staffel zu bekommen. Natürlich gibt es dann noch viele Detailprobleme zu lösen. Solange man sich aber an diesen Detailfragen nicht festbeißt, läßt sich der Zeitrahmen einhalten. Ob allerdings die östliche Seite dann so schnell wie von der NATO gewünscht ihr konventionelles Übergewicht abbauen kann, ist offen. Hier muß die NATO der WVO entgegenkommen, denn die Abrüstung derart riesiger Bestände, die Umstrukturierung der Streitkräfte, die Konversion in der Rüstungsindustrie, und die Wiedereingliederung der dabei freiwerdenden Soldaten in die zivile Gesellschaft braucht Zeit.