Abgrenzung gegen Rechts

Aufklärung sieht anders aus – eine kritische Antwort

von Reiner BraunLucas WirlPascal LuigKristine Karch
Hintergrund
Hintergrund

Der folgende Beitrag bezieht sich auf den Artikel „Gegen Querfronten und Anbiederungen“ von Christine Schweitzer und der Redaktion Friedensforum in Heft Friedensforum 3/2018.

Positiv ist sicher, dass er die Notwendigkeit des Dialoges, des Gespräches und des Verständnisses betont. Die „Debatten“ in den letzten Jahren waren geprägt von Ausgrenzung, Diffamierung ja teilweise von purem Hass.

Wer sich mit Stephan Steins auseinandersetzt, der sollte auf seine Schriften zurückgreifen. Was sind die Kernpunkte, die eine Zusammenarbeit für die Friedensbewegung mit Stephan Steins ausschließen?

  • Sein „völkischer Antiimperialismus“: Wir setzen das bewusst in Häkchen, weil Antiimperialismus niemals nationalistisch bzw. völkisch sein kann. Als Beleg fügen wir die folgenden Zitate von Stephan Steins aus der Roten Fahne an, weitere lassen sich finden: „Schleichender Genozid gegen den germanischen Kulturkreis, Städte des germanischen Kulturerbes wie Rotterdam, die Geburtsstadt meines Vaters, gelten bereits als überfremdet, … Das eigentliche strategische Ziel ist es jedoch, den Kulturraum des germanischen Erbes und seine Entitäten als Völkerrechtssubjekte zu zerschlagen.“ (1)
  • Sein Geschichtsrevisionismus: Die Ergebnisse des 2. Weltkrieges, der Befreiung Europas und die Notwendigkeit der Aufarbeitung und Verurteilung des Faschismus werden infrage gestellt. „Nürnberg“ war eben keine „historische Verfehlung“, kein „Kriegsverbrechen“ und keine „Negierung des Völkerrechts“, sondern schuf die wohl wichtigste Neuerung des modernen Völkerrechts (siehe auch die Artikel von Klaus Hartmann in der Verbandszeitung der Freidenker).
  • Seine ungeheure Überheblichkeit und Arroganz: Eine Initiative von wenigen wird zum „Zentrum der Bewegung“ klärt. Seine Spaltung vorhandener Bewegungen und sein geradezu widerliches Anhängen und Vereinnahmen der real existierenden Friedensbewegungen sind genau das Gegenteil der Solidarität und der Gemeinsamkeit dieser Bewegungen. Sein Verhalten zu der Demonstration am 8.10.2016 in Berlin mit 8.000 TeilnehmerInnen oder in Ramstein 2017 (fast alleine stand er am Bahnhof) seien nur als Beispiele erwähnt.

In der Roten Fahne wird dann gelogen, dass sich die Balken biegen. Aber Spaltung bleibt und nützt nur denen, die die Aufrüstung betreiben. Der nächste Versuch im Jahr 2018 ist die Okkupation und der Missbrauch des Hiroshimatages, aber auch dieser wird scheitern. Stephan Steins ist ein Aufschneider im Dienste der Reaktion.

Die Kritik im Artikel ist nichtssagend und deshalb weder überzeugend noch grundsätzlich. Stephan Steins ist aber nur eine Randfigur unserer Kritik.

Unklarheit, Doppeldeutigkeit, ja bewusst konstruierte Grauzonen und Unkenntnis ziehen sich durch den ganzen Artikel, wie das Wort „rechts“ in verschiedenen Ausformulierungen (rechtsradikal, rechtsextremistisch). Eine Definition sucht Frau und Mann vergeblich. Das Wort soll etwas Schlechtes, Abzulehnendes, ja Auszuschließendes darstellen, ohne dass auch nur ansatzweise belegt wird, was politisch dahinter steht.

Was ist eigentlich rechts, rechtsradikal und rechtsextremistisch?
Wir nehmen die Definition der Bundeszentrale für Politische Bildung: „Das rechtsextreme Weltbild ist gekennzeichnet durch Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, völkische Ideologie, Antisemitismus, Geschichtsklitterung, einhergehend mit der Verherrlichung des NS-Regimes und Relativierung bis zur Leugnung des Holocaust, Diffamierung und Ablehnung des demokratischen Rechtsstaats und seiner Institutionen. (2).

Wir wollen uns diese Definition nicht 100% zu Eigen machen, fehlt doch besonders die prinzipielle Grundüberzeugung unterschiedlicher Ausprägungen des Rechtsextremismus, dass Krieg für die „nationalen“ Interessen eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist. Ebenso sind die ökonomische Dimension und die Interessen der Herrschaftssicherung in der Definition unterbelichtet, die bestimmte Teile des Kapitals an diese Kräfte als „Ersatzsicherung“ haben.
Notwendig ist auch eine Debatte über die Nutzung des Begriffs „Extremismus“.

Mit oben definierten rechtsradikalen und rechtsextremistischen Kräften gibt und gab es nie eine Zusammenarbeit in der Friedensbewegung.

Gerade Menschen, die aus den Montagsmahnwachen kommen, haben vieles getan, dass diese Kräfte in den Friedensbewegungen nicht Fuß fassen konnten.

Falsch ist die Formulierung, dass ein antifaschistischer Grundkonsens in der Friedensbewegung erst ab Juli 2014 formuliert wurde. Unser friedenspolitisches Leben ist mehr als 30 Jahre von diesem Konsens geprägt worden.

Eine entsprechende Klarheit der Absage an die realen rechtsradikalen Kräfte fehlt in dem Artikel im Friedensforum vollständig. Sie werden dadurch verharmlost! Der Artikel arbeitet nur mit Grauzonenbegriffen – undefiniert – die damit immer gegen jene gebraucht werden können, die man damit titulieren will. Das ist Anschuldigung ohne Beweisführung und Kontaktschuld, das öffnet die Tür für Diffamierungen und Ausgrenzung. Gerne werden dann antideutsche Kriegshetze und Diffamierungen à la Ditfurth ungeprüft übernommen oder sich sogar an den politischen gesellschaftlichen Mainstream angepasst. Eine inhaltliche, eine wissenschaftliche Diskussion ist damit kaum möglich.

Es gibt unserer Meinung nach keine Zusammenarbeit mit den Kräften, die die Aussage des Schwures von Buchenwald „nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“ auch nur relativieren. Dies muss überzeugend und nachprüfbar dargelegt werden. Zusammengesetzte ja zusammenkopierte Wortfetzen sind kein Beleg, sondern grenzen aus und helfen damit, eine reale Abgrenzung von rechtsradikalen und faschistischen Kräften zu erschweren.

Immer wieder wird mit dem Begriff „rechts“ hantiert. Was ist denn rechts? In dem Artikel wartet Frau und Mann vergeblich auf eine Definition. Wir wollen eine zumindest anregen und diskutieren: Rechts ist – wenn wir es einfach formulieren wollen – eine unsoziale, kapitalfreundliche, konservative gesellschaftliche Strukturen stabilisierende, tendenziell undemokratische und Krieg nicht ausschließende Politik. Diese lehnen wir sicher ab. Aber wenn Menschen, die diese generell vertreten mögen, in bestimmten Positionen, besonders in der Frage Krieg und Frieden wie Wimmer, Gauweiler oder in den 1980er Jahren Mechtersheimer mit unseren Forderungen übereinstimmen (aus welchen Gründen auch immer), sollte das eine Zusammenarbeit mit ihnen ausschließen? Wir meinen nein. Sollten wir deshalb in Einzelfragen nicht zusammenarbeiten, sollten wir ein Lobbying zur Veränderung von Regierungspolitik ausschließen? Das wäre doch wirklich Sektierertum. Logischerweise kann also nur empfohlen werden, diesen Begriff „rechts“ als Ausgrenzungsbegriff aus dem Verkehr zu ziehen. Konservative sind willkommen.

Verstärkt wird diese Grauzonendiskussion noch durch die verwendeten Begriffe wie Verschwörungstheorie, Antisemitismus, 11.09.2001 und ähnliche. Keiner wird definiert oder inhaltlich begründet. „Kampfbegriffe“ der politischen Eliten und der ihnen verbundenen Medien werden benutzt, um kritische Geister auszugrenzen oder zu diffamieren. Natürlich gibt es Personen, die das vertreten, was mit den Begriffen vielleicht gemeint sein könnte, aber benutzt werden sie gegen alle, die

  • berechtigte Kritik an der völkerrechtswidrigen und aggressiven israelischen Regierungspolitik üben.
  • die Ereignisse des 11.09. hinterfragen (was ja selbst der Kongress der USA getan hat).
  • der offiziellen Darstellung von Ereignissen durch die Regierenden und ihre Geheimdienste nicht glauben (die Wahrheit ist das erste Opfer des Krieges).

Zugespitzt formuliert: die Realität ist viel brutaler als das, was in vielen Verschwörungstheorien angeblich formuliert wird. Oder wollen wir einmal Details der Rolle des Verfassungsschutzes bei den NSU Verbrechen oder über Gladio diskutieren?

Zugespitzte kritische Positionen, die Frau und Mann ja nicht teilen muss, können doch Friedensbewegte nicht als Ablehnung oder Ausgrenzung benutzen. Wäre es nicht besser, im Meinungsstreit zu versuchen, Ereignisse gemeinsam zu erfassen? Dies kann zu Erkenntnisgewinn für alle beitragen. Um es deutlich zu sagen, wer Begriffe der Regierenden, ihrer Medien, ihrer Geheimdienste undefiniert und nicht hinterfragt benutzt, schwächt eigenständiges Denken und bindet dieses in Mainstreamdenken ein. Das aber ist das Ende einer Politik der Gerechtigkeit, denn diese will herrschende Strukturen grundlegend verändern.

Alltagsbewusstsein
Ein Begriff, der für kritisches Bewusstsein zentral sein sollte, kommt bei Euch kaum vor: Alltagsbewusstsein.

Unter den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen unseres Landes ist dieses nicht kritisch. Umso erstaunlicher, dass kaum berücksichtigt wird, dass Menschen, die neu zu Bewegungen kommen, von diesem Alltagsbewusstsein einer neoliberal ideologisch dominierten Gesellschaft mit allen reaktionären Elementen nicht befreit sind (das Sein prägt das Bewusstsein).

Wer gerade beginnt, dieses Alltagsbewusstsein zu hinterfragen, hat aber viele Element sicher noch bei sich (Kinderkrankheiten hieß dieses früher in der linken Debatte). Wir wollen sie mitnehmen und nicht zurückstoßen, indem wir Gedanken, die wir nicht teilen, diffamierend zurückweisen, statt argumentativ zu überzeugen und mitzuhelfen, Bewusstsein für Frieden und Gerechtigkeit weiter zu entwickeln. Dazu gehört auch, dass der Antimilitarismus, wie ihr fordert, „eingebettet“ werden soll. Das ist sicher richtig. Die Frage ist nur, in was er eingebettet werden soll – Mainstreampolitik oder Gerechtigkeit. Übrigens haben gerade viele Montagsmahnwachen diese Einbettung intensiv versucht. Ob sie ihnen immer geglückt ist, sei dahingestellt.

Deutlich wollen wir auch noch einmal sagen: Friedensbewegung ist keine linke Bewegung, Linke sind aber ein entscheidender Motor der Friedensbewegung.

Um uns nicht vorwerfen zu lassen, einen Begriff ohne Definition zu benutzen, soll links definiert werden, und zwar mit den Worten von Karl Marx. Links ist konsequent einzutreten und zu wirken für folgendes große humanistische Ziel: “Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen (ist)“.

Frieden, die Überwindung der Institution Krieg, ist dabei die „Ultima Ratio“. Wenn wir für dieses große Ziel zu mehr Gemeinsamkeit kommen könnten, wären wir schon viel weiter.

Anmerkungen
1 https://rotefahne.eu/2013/09/imperium-will-weitere-millionenfache-einwan...
http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/41312/was-ist-re...

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Hintergrund
Reiner Braun war Geschäftsführer der IALANA Deutschland und ist ehem. Co-Präsident des Internationalen Friedensbüros (IPB).
Pascal Luig, Geschäftsführer NaturwissenschaftlerInnen-Initiative - Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit e.V. (NatWiss), Koordinierungskreis Stopp Air Base Ramstein.
Kristine Karch engagiert sich beim International Network of Engineers and Scientists for Global Responsibility (INES)